Das kleine Moskau an der Donau

Alisa (2. von li.) und Jana sind mit ihren Männern hauptsächlich der Museen wegen nach Wien gekommen. Zum Shoppen geht es nach New York
In der Wintersaison zieht es Russen nach Österreich. Wien ist Urlaubsort Nummer eins.

Alexandra Jakovieva sieht begeistert von links nach rechts, lässt ihren Blick über die vielen Fiaker am Michaelerplatz und die prunkvollen Auslagen der Luxusläden wandern. Insgesamt sind es etwa ein Dutzend Touristen, die Fremdenführerin Margarita Andrievski über den dicht bevölkerten Kohlmarkt lenkt.

Für den Touristenguide ist derzeit wieder Hochsaison. Denn vor allem in den Wintermonaten zieht es Reisende aus dem Osten nach Österreich. Mit rund 1,4 Millionen Nächtigungen vergangene Wintersaison war Österreich erneut Russlands Winterdestination Nummer eins. Auch heuer wird ein Nächtigungszuwachs erwartet. Bereits in der Zeit von Jänner bis Oktober 2013 machten rund 430.000 Russen Urlaub in Österreich; das sind laut Österreich Werbung 8,3 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum. Und: etwa die Hälfte der Russen steigt in Vier- oder Fünf-Sterne-Hotels ab.

Top-Destination Wien

Die meisten russischen Touristen besuchen Wien. Das spiegelt sich auch im Einkauf wieder. Laut Mehrwertrückerstatter Global Blue werden fast zwei Drittel des russischen Konsums in der Bundeshauptstadt getätigt. Auch Mitarbeiter von Luxuslabels im 1. Bezirk bestätigen einen hohen Anteil an russischen Kunden. Vor allem über die Feiertage merke man einen deutlichen Zuwachs, erzählt Mario Dittrich, Sales Assistant bei Mulberry. Alexander Brandl, Store Manager bei Roberto Cavalli ergänzt: „Die Kunden aus dem Osten bestimmen jedenfalls den Wiener Luxusmarkt.“ Deswegen gibt es bei Cavalli auch zwei Russisch sprechende Mitarbeiterinnen.

Doch woher kommt die Einkaufsfreude? Besucherin Daria nennt einen Grund: „Vieles ist deutlich billiger als in Moskau.“ Fremdenführerin Andrievski, die aus der ehemaligen Sowjetunion kommt, ergänzt: „Lange Zeit war es in Russland nicht möglich, schöne Kleidung zu kaufen. Als ich mir einmal ein Kleid leistete, kostete mich das ein Monatsgehalt.“

Doch nicht alle Russen besuchen Wien, um einzukaufen. Architektin Alisa interessiert sich hauptsächlich für das kulturelle Angebot der Stadt. Ihr Highlight bis dato: Die Matisse-Ausstellung. Alisa erklärt: „Zum Shoppen fliege ich nach New York.“

Fakten

Russische Touristen: Destination Wien ist bei Russen im Winter am beliebtesten. Danach kommen Mayrhofen (siehe unten), Sölden, Ischgl und Zell am See.

Touristen in Zahlen:50 Prozent der russischen Touristen wohnen in Vier- oder Fünf-Sterne-Hotels. 496 Euro geben Russen durchschnittlich beim Einkauf in Wien aus.

Nikolay Schmykov schlendert mit seiner Familie durch ein kleines Lebensmittelgeschäft im Zentrum von Mayrhofen, der alles andere als mondän aussieht. Dass er mit Frau, Schwiegermutter und seinen zwei Kindern in dem Zillertaler Skiort einen zehntägigen Urlaub verbringt, hat zwei gute Gründe: „Ein guter Preis und der Direktflug von Moskau nach Salzburg.“ Nach den mit Geld um sich schmeißenden Russen der 90er-Jahre hat inzwischen die bessere Mittelschicht das Tiroler Dorf für sich entdeckt.

„Die Betuchten werden weniger. Sie sind weitergezogen“, sagt Manfred Gager von der Skischule Mayrhofen ein wenig wehmütig. Einen guten Teil seines Geschäfts machen die Gäste aus dem Osten aus. Nach Wien ist Mayrhofen im Winter die Gemeinde mit den meisten russischen Gästen in ganz Österreich – noch vor den Tiroler Skimetropolen Sölden und Ischgl.

„Die Russen wollen Privatunterricht und einen Lehrer der ihre Sprache spricht“, kennt Gager die besonderen Wünsche dieser Klientel. 15 seiner 70 Skilehrer beherrschen daher Russisch. „Sonst heißt es njet“ , weiß der 65-Jährige.

In der „Kaiserstadt“ Baden weiß man, was Russen auf Reisen wollen. Mit den Themen Erholung, Gesundheit, mit der Nähe zu Wien und einem speziellen Gästeservice werden die Gäste aus dem Osten gelockt.

In den vergangenen Saisonen stieg der Anteil an russischen Touristen um bis zu 40 Prozent jährlich. 2013 konnte ein Plus von rund 15 Prozent verzeichnet werden, berichtet Tourismusdirektor Klaus Lorenz. Insgesamt wurden 18.453 Nächtigungen russischer Touristen gezählt (Gesamtzahl: 381.630).

Mit zahlreichen Initiativen, wie etwa dem Projekt „Charming Baden“ wird auf die Bedürfnisse der Gäste Rücksicht genommen. „Viele Russen verfügen nicht über so gute Fremdsprachenkenntnisse“, sagt Lorenz. „Wir bieten daher ein spezifisches Sprachservice oder die Begrüßung durch russische Guides an.“ Baden werde auch als Tourismusdestination in Russland oder der Ukraine beworben und es werden Packages angeboten.

Probleme mit russischen Party-Touristen, wie sie manche Skigebiete erleben, gebe es in Baden nicht. „Zu uns kommen die ruhigen und kulturinteressierten Gäste“, weiß Lorenz. Diese würden vor allem aus der oberen Mittelschicht stammen. Während der durchschnittliche Baden-Besucher 2,6 Nächte bleibt, gönnen sich die Russen fünf bis sechs Tage.

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