Caritas startet neue Aktion gegen Hunger

Caritas Kundgebung Stephansplatz, Michael Landau, Christoph Schweifer
Landau: "Bundesregierung verschließt ihre Augen vor der Armut in dieser Welt. Das ist beschämend.“

Weltweit hungert knapp eine Milliarde Menschen. Und noch immer stirbt alle zwölf Sekunden ein Kind an den Folgen von Unterernährung. Aus diesem Grund startete die Caritas am Dienstag in Wien eine österreichweite Aktion. „Es ist ein Skandal, wenn tagtäglich 7.000 Kinder verhungern. Es ist ein Skandal, wenn hunderte Millionen Eltern nicht wissen, wie sie ihren Kindern genügend zu essen geben können", sagte Caritas-direktor Michael Landau bei einer Kundgebung am Stephansplatz zum Auftakt der Aktion.

"Denn es sind unnötige Tode. Vermeidbare Schicksale. Hunger ist kein Naturgesetz. Er ist Ausdruck einer globalen Tragödie, gegen die wir gemeinsam vorgehen können und müssen“, so Landau. Gemeinsam mit Caritas-Auslandshilfechef Christoph Schweifer ließ er bei der Kundgebung in der Wiener City 500 Luftballons steigen. Zeitgleich läuteten die Glocken des Doms – so wie sie bereits vor 40 Jahren bei der ersten Caritas-Augustsammlung geläutet hatten.

Caritas startet neue Aktion gegen Hunger
Caritas Kundgebung Stephansplatz, Michael Landau, Christoph Schweifer

"Alleine im Westsahel waren 2012 laut UNO 18,4 Millionen Menschen von Unterernährung bedroht“, betonte Schweifer. Er und Landau wiesen zum Thema Hunger auf Versäumnisse der österreichischen Bundesregierung hin: „Seit 2010 werden die bilateralen Entwicklungshilfemittel laufend gekürzt“, so Schweifer. „2014 sollen weitere 17 Millionen Euro gestrichen werden. 106 Abgeordnete des österreichischen Parlaments hatten sich in den vergangenen Monaten in Gesprächen mit Hilfsorganisationen gegen diese Kürzungen ausgesprochen. Dennoch haben die Volksvertreter letzten Endes weitere Einschnitte beschlossen. Die Bundesregierung verschließt somit ihre Augen vor der Armut in dieser Welt. Das ist beschämend.“

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Langsam zieht der Esel den Karren aus dem Dreck. Knietief ist das Gespann eingesunken, die Niederschläge der soeben begonnen Regenzeit (Juni bis September) haben sämtliche Wege hier, zweieinhalb Autostunden südlich der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba, in Sumpflandschaften verwandelt.

Garbi Adishe kann trotzdem lachen. Erstens freut sich die Mutter von fünf Kindern über die „Tröpfchen-Bewässerung“ von oben. Denn in den vergangenen Jahren blieb der Regen nur allzu oft aus, die Felder verdorrten. Und zweitens hat das Lasttier ihr Leben sprunghaft erleichtert. „Früher habe ich mir den 25-Liter-Kanister auf den Rücken gebunden, bin drei Kilometer zum nächsten Brunnen gegangen und dann mit dem Trinkwasser wieder zurück. Danach war ich fix und fertig“, sagt die Enddreißigerin.

Heute wuchtet Garbi Adishe mehrere Kanister auf einmal auf den Karren und gleich auch das Feuerholz, das sie in der Umgebung ihres Dorfes Majalalu sammelt, um zu kochen. Das erspart nicht nur Zeit, sondern auch Strapazen. Die Zwiebel, Karotten und Kohlköpfe, die im frisch angelegten Gemüsegarten neben ihrer Lehmhütte sprießen, gelangen mithilfe des Vierbeiners jetzt ebenso mühelos auf den Markt in der Stadt Meki (10 km).

Von Goldesel zu sprechen wäre weit übertrieben, aber immerhin „haben wir schon zwei Baby-Eseln“, sagt Garbi Adishe und streicht einem der Fohlen durch die Mähne. Später, wenn sie ausgewachsen seien, könne sie die Tiere an andere vermieten und so das Einkommen der Familie aufbessern – überlebenswichtig in Zeiten steigender Lebensmittelpreise: Weil die kleine Regenzeit (Februar–März) etwas ausgelassen hat, muss man für Mais oder Hirse zwischen acht und 20 Prozent mehr zahlen als noch vor einem Jahr.

Insgesamt wurden in der Region 65 Familien mit den „Laufhilfen aus dem Elend“ ausgestattet – Esel samt Karren kamen auf jeweils 160 Euro. „Wir haben gemeinsam mit den Dorfgemeinschaften die Ärmsten der Armen ausgewählt“, sagt Martin Hagleitner-Huber, Projekt-Verantwortliche der Caritas-Feldkirch, die die 29 unterschiedlichen Aktivitäten in Äthiopien koordiniert und mit der nationalen Partner-Organisation ein Jahresbudget von rund 1,6 Millionen Euro umsetzt. Es gehe darum, die Menschen durch nachhaltige Unterstützung ökonomisch robuster zu machen, Reserven anzulegen, um den immer häufiger auftretenden Dürre-Perioden zu trotzen.

„Kinder verhungerten“

Caritas startet neue Aktion gegen Hunger
Äthiopien, Caritas
2008 sei es ganz schlimm gewesen, und auch 2011, als 7,5 Millionen Äthiopier auf Nahrungshilfe angewiesen waren. „In unserem Dorf ist Gott sei Dank niemand gestorben“, erinnert sich Lencha Shanka, 60, „aber im Nachbardorf sind viele Kinder verhungert.“ Die Caritas-Österreich, die mit „Nachbar in Not“ vor zwei Jahren zwölf Millionen Euro an Spendengeldern (für Äthiopien, Nordkenia und Somalia) einsammeln konnte, sprang in der Region Shashemene, fünf Autostunden südlich von „Addis“, für 14.000 Notleidende mit Lebensmitteln ein. Später wurden die Bedürftigsten mit 2000 Ziegen (je zwei pro Familien um insgesamt 50 Euro) oder Saatgut versorgt – als Neustart-Hilfe für die Kleinbauern, deren Ackerflächen im Schnitt nur 100 mal 100 Meter groß sind.

Auch wenn der Ertrag kaum zum Überleben reicht, „halten wir die Leute auch dazu an, ein wenig Geld wegzulegen und Sparvereine zu bilden. Dort können sie sich in Krisenfällen, etwa, wenn ein Spitalsaufenthalt ansteht, Geld ausborgen. Denn bei Banken kriegen sie gar nichts, weil sie nicht kreditwürdig sind“, sagt Solomon Kebede, Caritas-Koordinator für Entwicklungsprogramme der Diözese Meki (mit 65.000 Quadratkilometern nur etwas kleiner als Österreich).

Neben diesen Mini-Kooperativen wurden auch Großgenossenschaften mit Getreidespeichern etabliert. „So können Zwischenhändler die einzelnen Bauern preismäßig nicht mehr über den Tisch ziehen, und in den Hallen lagern wir den Mais oder die Hirse und können dann verkaufen, wenn der Preis hoch ist“, so Kebede. 21 solche Genossenschaften wurden im Rahmen der Caritas-Projekte bereits gegründet, rund 150.000 Menschen profitieren davon.Der Erfolg hat sich herumgesprochen: Als Caritas-Präsident Franz Küberl in der Vorwoche einen Speicher in der Nähe von Shashemene eröffnete, feierten das Hunderte – angeführt von einem Reiter mit Leopardenfell und Speer.

Ertrag mit Bienen

„Hunger-Vermeidung ist immer ein Drehen an vielen Schrauben gleichzeitig. Denn eines ist klar: Hunger ist der Brandbeschleuniger für Armut“, betonte Küberl vor mitgereisten österreichischen Journalisten.

Und hier wird ordentlich gedreht: In der Nähe von Seen wurden Bewässerungssystem installiert, die den Bauern bis zu drei Ernten pro Jahr erlauben. Geschlossene „Sparöfen“ beschleunigen nicht nur die Kochzeit und produzieren weit weniger lungenschädigenden Rauch, sondern verbrauchen auch um 55 Prozent weniger Holz. Wiederaufforstungsprogramme wirken der Bodenerosion entgegen. Moderne Bienenstöcke sind sieben Mal effizienter als die traditionellen, und ein Kilo Honig bringt immerhin 80 Birr (mehr als drei Euro), ein Sicherheitswachmann vor einem Gebäude verdient gerade einmal das Achtfache – pro Monat. Begehrt ist der süße Stoff allemal: Tej (Honigwein) zählt zu den äthiopischen Nationalgetränken.

Auch Garbi Adishe setzt diese Alkoholika an, doch als „Zugpferd“ aus der bitteren Armut setzt sie auf ihre Esel.

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