Bilanz nach einem Jahr Mariahilfer Straße Neu

Bilanz nach einem Jahr Mariahilfer Straße Neu
Umgestaltung der Einkaufsstraße wurde mit Ende Juli 2015 beendet. Politiker zufrieden, Wirtschaftskammer analysiert noch.

Vor einem Jahr, mit Ende Juli, ist die Umgestaltung der Mariahilfer Straße zur Fußgänger- und Begegnungszone zu Ende gegangen. Die Änderungen wurden viel debattiert, kritisiert und mutierten schließlich zum kommunalpolitischen Topthema. Nunmehr scheinen die Wogen geglättet – wo früher Autos das Bild dominierten, flanieren nun Menschen, Radfahrer schlängeln sich an den Passanten vorbei.

„Ein Jahr nach dem Umbau wird die neue Mariahilfer Straße von den Wienerinnen und Wienern voll angenommen. Das Konzept funktioniert gut und geht auf, sowohl in den Begegnungszonen als auch in der Fußgängerzone gibt es keine Probleme. Im Gegenteil, die Mariahilfer Straße ist heute ein lebendiger Ort, an dem sich jeden Tag tausende Menschen verabreden, wo Menschen ihre Mittagspause verbringen, wo Kinder an den Wassertischen spielen“, sagte die zuständige Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) zur APA.

Proteste und Kritik

Der Umbau der im Volksmund „Mahü“ genannten, 1.800 Meter langen Einkaufsmeile gilt als grünes Prestigeprojekt – für das Vassilakou viel Kritik einstecken musste. Heftige Proteste gab es etwa von Anrainerinitiativen, Wirtschaftskammer und der Rathaus-Opposition.

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Die Zustimmung der Städter zur umgebauten Mariahilfer Straße untermauerte jedenfalls die Stadt gleich wenige Wochen nach der Fertigstellung der Bauarbeiten mit einer eigens in Auftrag gegebenen Umfrage. Dem Ergebnis zufolge zeigten sich damals zwei Drittel jener, die zumindest einen Teil der Mahü Neu besucht haben, sehr oder eher zufrieden. Zufrieden mit der neu gestalteten Meile äußerten sich ein Jahr nach den Umbauarbeiten auch die beiden Bezirke Mariahilf und Neubau, die sich die Mariahilfer Straße jeweils mit einer Straßenseite „teilen“.

„Grundsätzlich ist der Herr Bezirksvorsteher (Markus Rumelhart (SPÖ), Anm.) mit der Mariahilfer Straße sehr zufrieden. Wir sehen das als 6. Bezirk sehr positiv. Wir sind sehr, sehr zufrieden“, ließ Rumelharts Büro die APA wissen. Ähnlich der Tenor auch im 7. Bezirk Neubau: Die Mariahilfer Straße sei „ein absolut gelungenes Projekt, mit dem wir sehr zufrieden sind“, lobte die stellvertretende Bezirksvorsteherin Isabelle Uhl (Grüne). Das „positive Flair“ der Straße ziehe sich auch bereits in die Nebengassen des Bezirks hinein: „Neubau profitiert sowohl bei der Lebensqualität als auch als attraktiver Unternehmensstandort durch diesen Umbau.“

Neue Strecke des 13A

Auswirkungen hatte der Umbau auch auf die Buslinie 13A. Diese hätte nämlich nach den ursprünglichen Plänen in Fahrtrichtung Alser Straße/ Skodagasse weiter auf der angestammten Strecke direkt durch die Fußgängerzone fahren müssen – jedoch liefen die Lenker dagegen Sturm. Der Betriebsrat der Wiener Linien drohte sogar mit Betriebsunterbrechungen. Argumentiert wurde dies mit Sicherheitsbedenken. Schließlich einigte man sich auf eine neue Strecke, um die Fußgängerzone zu umfahren. Diese führt jetzt über die Windmühlgasse, die Capistrangasse und schließlich über die Begegnungszone der Mariahilfer Straße.

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Doch auch dagegen formierte sich zunächst Protest. Anrainer gingen auf die Straße, da sie die geänderte Linienführung nicht akzeptieren wollten. Der öffentlichkeitswirksame Ärger schwoll aber bald ab, derzeit wird an der Streckenführung nicht gerüttelt. „Das ist die Route, die da ist und die fahren wir“, sagte ein Wiener Linien-Sprecher der APA. Unfälle seien bisher keine passiert, wiewohl in der Begegnungszone zum Teil sehr viel los sei: „Die Route verlangt den Buslenkern einiges an Konzentration und Aufmerksamkeit ab.“

Wie die Bilanz des einstigen Umbau-Kritikers Wirtschaftskammer ausfällt, ist noch offen. Derzeit arbeite man an einer Analyse zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des Umbaus, teilte ein Sprecher der APA mit. Die Ergebnisse liegen allerdings noch nicht vor, da zwecks Aussagekraft zumindest eine volle Jahresperiode untersucht werden soll.

Rainer Trefelik, Obmann der Wirtschaftskammer-Sparte Handel, sprach allerdings bereits einige Monate nach der Fertigstellung von „mehr Frequenz und weniger Kaufkraft“. Es würden nun mehr bzw. auch jüngere Menschen auf der Einkaufsstraße unterwegs sein, aber es werde weniger teuer gekauft. „Massive Umsatzrückgänge“ ortete er damals in den Nebenstraßen: „Die zahlen den Preis.“

Vor einem Jahr – Ende Juli 2015 – wurde die Umgestaltung der Wiener Mariahilfer Straße abgeschlossen. Seither ist die Einkaufsmeile Fußgänger- und Begegnungszone. Zuvor wurde nicht nur gebaut, sondern auch getestet, wieder verworfen, viel erklärt und schier unendlich debattiert. Im Folgenden eine Chronologie des Projekts:

Februar 2011: Der Monat, in dem alles beginnt - mit dem Auftrag von Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne), eine Studie zur Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße zu erstellen. Im November 2011 werden drei Varianten vorgestellt, nämlich eine klassische Fußgängerzone, eine Shared-Space-Lösung sowie eine Mischform aus beiden. Die Wirtschaftskammer äußert massive Bedenken und befürchtet Einbußen für Unternehmer.

Oktober 2012: Vassilakou präsentiert, nach einem ersten Bürgerbeteiligungsprozess, Detailpläne für das künftige Verkehrskonzept. Demnach soll die Mariahilfer Straße beinahe im gesamten Verlauf verkehrsberuhigt – sprich: so gut wie autofrei – werden. Eine Gliederung in drei Abschnitte wird angekündigt. Ob Autos die Shoppingmeile dann noch queren dürfen, soll durch eine Anrainerbefragung entschieden werden. Die Opposition spricht von Pfusch und Chaos.

Februar 2013: Die Anrainer sprechen sich mehrheitlich gegen Querungen für den Kfz-Verkehr aus.

März 2013: Vassilakou kündigt an, die Probephase für die Mahü Neu noch im Sommer starten lassen zu wollen und stellt eine neuerliche Bürgerbefragung nach Ende des Testlaufs in Aussicht. Gleichzeitig wird fixiert, dass die Randabschnitte zu Wiens ersten Begegnungszonen sowie die Gumpendorfer Straße, Burggasse und Neustiftgasse zu Tempo-30-Zonen umgewandelt werden.

Mai 2013: Am ersten Maiwochenende wird ein kurzer Abschnitt der Mariahilfer Straße für den Autoverkehr gesperrt. Der „Proberaum“ soll einen ersten Eindruck der künftigen Fußgängerzone vermitteln. Passanten nutzen die leere Fahrbahn nur spärlich, verirrte Autofahrer müssen immer wieder aus der Mini-Fuzo gelotst werden.

Juni 2013: Der 16. August wird als offizieller Starttermin für das neue Verkehrskonzept festgelegt. Zusätzlich wird entschieden, dass der 13A eine eigene rote Busspur bekommt. Buslenker äußern Bedenken, sie wollen nicht durch eine Fuzo fahren.

August 2013: Mitte des Monats tritt das neue Verkehrskonzept in Kraft. Der Kernbereich der Mariahilfer Straße ist nun eine Fußgängerzone mit Raderlaubnis, die Randzonen gelten als Begegnungszonen. Die neuen Ge- und Verbote sowie diverse Bodenmarkierungen sorgen für Verwirrung. Nach ein paar Tagen werden Nachbesserungen angekündigt. Das Rad-Thema sorgt für Zank in der rot-grünen Koalition.

30. Oktober 2013: Die Änderungen sind fix. Der 13A wird künftig nicht mehr durch die Fuzo rollen, sondern erhält eine neue Route durch den 6. Bezirk. Die führt ihn bis zu Mariahilfer Straße, die er dann - jedoch auf der Begegnungszone - kurz befährt, bis er in die Kirchengasse einbiegt. Dort geht es dann quasi auf seiner angestammten Streckenführung weiter. Zudem wird es wieder möglich, mit dem Auto von der Stumpergasse in die Kaiserstraße zu fahren.

November 2013: Der 13A befährt erstmals die neue Route, was aber ebenfalls nicht friktionsfrei abläuft. Anrainerproteste sorgen für Verzögerungen.

Dezember 2013: Das Rathaus verrät, was die Neugestaltung der Straße kosten wird, nämlich rund 25 Mio. Euro. Und: Es wird verkündet, dass Anfang 2014 über das Projekt abgestimmt wird, nämlich in Form einer „BürgerInnenumfrage“. Sie startet am 17. Februar. Die Unternehmer werden ebenfalls befragt, wenn auch nicht von der Stadt, sondern etwa von der Wirtschaftskammer. Ergebnis: Sie lehnen das Konzept mehrheitlich ab.

7. März 2014: Die Anrainerumfrage endet mit einer Zustimmung: Auf 53,2 Prozent der Stimmzettel ist die Antwort „A“ angekreuzt. Insgesamt 17.630 Bewohner der Anrainerbezirke Mariahilf und Neubau votieren somit dafür, dass die „Mahü“ zu einer Fußgänger- und Begegnungszone umfunktioniert wird. Eine Mehrheit ist auch dafür, dass Radfahren in der Fußgängerzone erlaubt und Querungen für Autofahrer eingerichtet werden. Für Vassilakou ist das Ergebnis wie „Weihnachten und Ostern zusammen“.

14. November 2014: Die neue Mariahilfer Straße wird teileröffnet. Beim aus diesem Anlass veranstalteten „Grätzl-Fest“ versprüht unter anderem die damals noch nicht allzu bekannte Wiener Band Wanda Amore.

31. Juli 2015: Der „Schlussstein“ wird im Rahmen einer feierlichen Zeremonie verlegt - wofür es allerdings zwei Anläufe braucht. Denn beim ersten Versuch zerbricht der Stein.

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