Bahnhöfe: Mehr Security und eine "Randgruppenerhebung"

Auf den Bahnhöfen patrouillieren Securitys, die ÖBB will die Truppe aufstocken.
Wiener Linien zählen Punks, Obdachlose und Drogensüchtige.

Der Boulevard kocht derzeit über vor Panikmeldungen. "Flüchtlinge: Terror auf Bahnhöfen" ortete kürzlich eine Billig-Zeitung. Tatsächlich dürfte es vor allem in Linz und Innsbruck Probleme verschiedenster Art geben. Auf den Wiener Bahnhöfen hört man sehr unterschiedliche Dinge: "In der Nacht spielt es sich hier schon ab", sagt ein Polizist, der gerade am Westbahnhof auf Streife ist. Zwar sind zwischen ein und vier Uhr alle Zugänge versperrt, aber auch in dieser Zeit gibt es Bänke vor dem Bahnhof. Vor allem Taschendiebstähle seien hier an der Tagesordnung: "Wenn man einschläft, wird zugegriffen", berichtet ein Beamter.

250 Securitys bereits im Einsatz

Derzeit gebe es Sonderstreifen auf den Bahnhöfen. Tagsüber sind überall ÖBB-Securitys mit Warnwesten zu sehen. Die Schilderungen der Beteiligten, auch der Geschäftsleute, sind unterschiedlich. Meist verraten sie mehr über die politische Einstellung des Erzählers als über die tatsächlichen Vorkommnisse.

ÖBB-Vorstand Franz Bauer berichtete am Donnerstag von Kundenbefragungen, die gezeigt hätten, dass Passagiere ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis auf Bahnhöfen haben. "Unsere Kunden erwarten sich mehr gut sichtbares Bahnpersonal", sagt Bauer. Deshalb werden die ÖBB zu den 250 bestehenden 150 zusätzliche Security-Mitarbeiter engagieren.

Punks und Obdachlose

Die Wiener Linien führen derzeit eine eigenartig anmutende "Randgruppen-Erhebung" in den U-Bahn-Stationen durch. In einem internes Rundschreiben von dieser Woche, das dem KURIER zugespielt wurde, werden die Stationswarte angewiesen, ab 1. Februar ihre Beobachtungen von Randgruppen zu protokollieren. So haben sie täglich zu notieren, wie viele Bettler, Punks, Obdachlose oder Angehörige der Drogenszene sie im Dienst beobachtet haben. Dass mit dem Begriff "sonstige Randgruppen" Flüchtlinge gemeint sein könnten, wird bestritten.

"Klingt nicht schön"

"Randgruppen klingt nicht schön – aber das ist der Versuch, dem Ganzen einen politisch korrekten Namen zu geben", erklärt Johanna Griesmayr von den Wiener Linien. Die Listen würden bereits seit Frühsommer 2015 geführt und nun in überarbeiteter Form fortgesetzt. In vier Stationen (Westbahnhof, Handelskai, Praterstern und Josefstädter Straße) werden sogar noch genauere Listen geführt. Dass der Start der Aktion mit dem Beginn der Flüchtlingswelle zusammenfiel, sei Zufall, wird betont.

"Das Bahnhöfe problematisch sind, ist nicht neu", sagt Margit Draxl von der Caritas. "Als ich vor 30 Jahren nach Wien kam, gab es die Karlsplatz-Szene. Später war es die Gumpendorfer Straße, dann der Westbahnhof und nun der Praterstern. Arg ist, dass den Flüchtlingen dafür die Schuld gegeben wird. Wenn es jetzt zu einem sexuellen Übergriff kommt, gibt es derzeit nur eine Frage: Woher kommt der?"

Bei einem unangekündigten Kontrollbesuch am Donnerstagvormittag von Stadtpolizeikommandant Karl Pogutter im Linzer Bahnhof präsentiert sich vor Ort die Lage angenehm ruhig. Die Reisenden können – ohne belästigt zu werden – ungehindert ihre Zugverbindungen erreichen oder entspannt in der Halle auf die Ankunft ihrer Liebsten warten. Nicht einmal Bettler sind zu sehen. Dafür fällt auf, dass in relativ kurzen Abständen immer wieder Polizisten vorbeipatrouillieren und ein wachsames Auge auf die Anwesenden haben.

"Es ist alles unter Kontrolle", sagt Pogutter sichtlich zufrieden. Seit der von Landespolizeidirektor Andreas Pilsl Anfang der Woche verordneten "Aktion scharf" scheint sich die Lage am Bahnhof ein wenig beruhigt zu haben. "Für das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung ist es wichtig, dass wir Präsenz zeigen."

Bahnhöfe: Mehr Security und eine "Randgruppenerhebung"
Flüchtlinge aus Marokko: Abdullah, Hassan Chamsdoine, Youness Hamada, PVZ Linz, OÖ
Ähnlich scheinen auch die meisten Reisenden zu empfinden. "Ich fühle mich sicher und gut beschützt", bestätigt die 79-jährige Hedwig R., die mit der Bahn zu ihrer Schwester nach Wien fahren will. Dass es in den vergangenen Wochen immer wieder Probleme mit illegal aufhältigen Nordafrikanern gegeben hat, weiß sie. Abschrecken ließ sie sich davon nicht.

Handgreiflichkeiten

Großteils junge Marokkaner, die seit Weihnachten vermehrt von Deutschland nach Österreich zurückgewiesen wurden, sollen in Linz mit Alkoholexzessen, Pöbeleien, Verunreinigungen und Handgreiflichkeiten regelmäßig Polizeieinsätze provoziert haben. Diese Gruppe besteht aus etwa 30 Personen.

"Vorfälle gab es aber nicht nur am Bahnhof, sondern auch auf der Landstraße und in der Altstadt", erklärt Pogutter. Bei den Festnahmen sind auch mehrere Beamte verletzt worden. "Die meisten der Festgenommenen haben jedoch Suizidabsichten geäußert und mussten in die Landesnervenklinik gebracht werden."

Ein Vorfall vom Mittwochabend, bei dem ein 26-jähriger Marokkaner bei einer Rauferei von einem Unbekannten mit einer Flasche auf den Kopf geschlagen wurde, ist noch ungeklärt.

Donnerstagvormittag ist es im Bahnhof ruhiger. Zwar sieht man ab und zu kleinere Gruppen fremdländisch aussehender Menschen, doch die verhalten sich unauffällig. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass die Tagesbetreuungseinrichtung "Drehscheibe" der Caritas für obdachlose Flüchtlinge derzeit in das 100 Meter entfernte ehemalige Postverteilerzentrum (PVZ) übersiedelt wird.

Dolmetscher attackiert

Plötzlich kommt Bewegung in die patrouillierenden Polizisten. Im PVZ soll ein Marokkaner einen Dolmetscher attackiert haben, der ihn mehrmals höflich aufgefordert hatte, sich an die Hausordnung zu halten und den Schlafraum zu verlassen. Als der Mann noch Polizisten angreift, wird er festgenommen.

"Wir wollen arbeiten, dürfen aber nichts tun", erklären Youness, Hassan und Abdullah den Frust ihres Landsmannes.

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