Autofahrer zahlen Millionen für Öffis

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Die Stadt Wien nahm 2012 fast 30 Millionen Euro mehr ein als noch im Jahr zuvor.

Autofahrer werden gerne als Melkkuh der Nation bezeichnet. In Wien wurden im Vorjahr gleich zwei Maßnahmen getroffen, die dieses Bild bestätigen: Die massive Verteuerung der Kurzparkscheine im März und die Ausweitung des Parkpickerls im Oktober. Verkehrsexperten des Rathauses schätzten damals vorsichtig die Mehreinnahmen auf etwa 30 Millionen Euro.

Zu Recht, wie Zahlen aus dem Büro der Finanzstadträtin Renate Brauner nun bestätigen. Hob man 2011 noch 69,2 Millionen Euro mit der Parkometerabgabe ein, so waren es im Vorjahr schon 95,5 Millionen. Geld, das großteils für den öffentlichen Verkehr verwendet wurde. Denn mit dem Anstieg der Park-Einnahmen stiegen auch die Öffi-Förderungen (siehe Grafik). Für 2013 kalkuliert die Stadt bereits mit 138,7 Millionen Euro von den Autofahrern. Geld, das dringend benötigt wird.

Öffi-Offensive

Mit Einführung der Jahreskarte um 365 Euro setzte die Stadt einen großen Anreiz zum Umsteigen. Die Einnahmen der Wiener Linien sanken dadurch aber um 20 Millionen Euro – das konnten auch die teureren Einzelfahrscheine nicht abfangen. In der Stadt ist man von der Einführung trotzdem überzeugt. „Ursprünglich haben wir mit 40 Millionen Euro weniger Einnahmen gerechnet“, sagt Vizebürgermeisterin und Finanzstadträtin Renate Brauner. Der Öffi-Boom kostet die Stadt aber auch sonst einiges: „Wenn ich 10 Prozent mehr Fahrgäste habe, muss ich ja auch 10 Prozent mehr Fahrzeuge zur Verfügung stellen“, sagt Brauner. Allein für die Anschaffung neuer Fahrzeuge gibt die Stadt 2013 130 Millionen Euro aus. Für den Ausbau der U-Bahnen sind knapp 159 Millionen veranschlagt. Weitere Investitionen in Stationen, Bahnhöfe, Werkstätten und die Netzinfrastruktur machen 68 Millionen Euro aus. Geld, das laut Brauner gut investiert ist: „Allein von der Verlängerung der U1 nach Oberlaa profitieren knapp 300 Firmen. Wir sichern dadurch auch 16.000 Arbeitsplätze.“

Dennoch sollen die Wiener weiter von der günstigen Jahreskarte profitieren. Laut Brauner sehe man sich gerade die Tarife der Wiener Linien an: „Die Jahreskarte der Wiener Linien und das Top-Jugendticket sollen nicht teurer werden“, verspricht die Finanzstadträtin.

Die Wiener Linien beklagen sich naturgemäß wenig über die Förderungen: „Natürlich ist jedes Geld, das es mehr für die Öffis gibt, erfreulich, weil am Ende alle davon profitieren“, sagt Anna Reich, Sprecherin der Wiener Linien. Allein für den Betrieb gab es 2012 um 30 Millionen mehr als noch im Vorjahr.

Auch Geld für Autofahrer

Dass Geld der Autofahrer sei aber gut angelegt, versichert Reich: „Immerhin nutzten 907 Millionen Menschen im Vorjahr die Öffis, darunter auch viele Autofahrer.“

In Niederösterreich stiegen durch die neuen Parkpickerlzonen viele Pendler in die Öffis um. Parkplätze rund um Bahnhöfe sind derzeit Mangelware. Daher sind nun neue Park-and-Ride-Anlagen in St. Pölten und Baden in Bau, weitere Anlagen in Felixdorf, Bad Vöslau, Deutsch Wagram und Mödling in Planung. Wien beteiligt sich an den Kosten von knapp 20 Millionen Euro mit 2,7 Millionen. Das sei politisch bereits ausverhandelt, heißt es aus dem Büro des niederösterreichischen Verkehrslandesrat Karl Wilfing. Nachsatz: „Einer höheren Beteiligung Wiens würden wir uns aber natürlich nicht verschließen.“

Kritik an der Verteilung der Gelder kommt von Autofahrerorganisationen wie etwa dem ÖAMTC. „Vorerst sollte man das Geld, das man den Autofahrern wegnimmt, für den Bau von Garagen und Park-and-Ride-Anlagen verwenden“, sagt Bernhard Wiesinger, Leiter der Interessensvertretung beim ÖAMTC. Erst wenn genügend Parkplätze zur Verfügung stünden, könne man über eine höhere Förderung der Öffis reden.

„Leider passiert das Gegenteil“, sagt Wiesinger. Auch das Argument, dass man mit Kurzparkscheinen vor allem Gäste aus dem Umland zur Kasse bitte, stimme laut ÖAMTC nicht: „Wir schätzen, dass diejenigen, die einen Parkschein ausfüllen, zu 80 Prozent Wiener sind“, sagt Wiesinger.

Autofahrer zahlen Millionen für Öffis

Um den Autoverkehr geht es auch beim aktuellen grünen Prestigeprojekt: Die Umgestaltung der Mariahilfer Straße.

Neubaus Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger (Grüne) präsentierte im Rahmen einer Info-Veranstaltung der Grünen Wirtschaft am Mittwoch das Groß-Vorhaben vor lokalen Geschäftstreibenden.

Während viele der Anwesenden die Einrichtung einer Fußgängerzone auf der Einkaufsmeile grundsätzlich begrüßen, gibt es vereinzelt auch Befürchtungen: Etwa, dass es durch die Verkehrsberuhigung und die Neugestaltung der Verkehrsregelung in den Seitengassen dort zu Staus kommen könnte. Blimlinger verweist auf das Beispiel Neubaugasse, deren unterer Abschnitt vor Jahren für den Durchzugsverkehr gesperrt wurde: „Damals hat es zunächst auch Probleme gegeben. Im Laufe der Zeit hat sich die Situation allerdings beruhigt.“

Wobei auch er einräumt, dass es sich bei der Mariahilfer Straße um ein ungleich größeres Projekt handelt. Die Kosten für den Umbau, der 2014 über die Bühne gehen soll, seien derzeit allerdings noch nicht zu beziffern.

Zum geplanten Votum nach dem Testbetrieb im Sommer stellt Blimlinger klar: „Von einer reinen Ja/Nein-Befragung würde ich dringend abraten. Dies würde zu sehr polarisieren.“

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