Kirche sieht Politik unter Zugzwang

Votivkirche, Flüchtlingscamp
Hungerstreikende Flüchtlinge in der Votivkirche: Kein Ende der Protestaktionen in Sicht.

Die Situation rund um die von Asylwerbern besetzte Votivkirche in Wien spitzt sich zu. Der Zustand der 14 Hungerstreikenden verschlechtere sich "von Tag zu Tag", wie die Caritas am Donnerstag berichtete. Insgesamt haben demnach 29 Flüchtlinge die Nacht auf Donnerstag in der Kirche verbracht. Die Kirchentür wurde dabei versperrt - von innen und auf Wunsch der Flüchtlinge, da es in den vergangenen Nächten immer wieder zu "Störaktionen" gekommen sei.

"Rund ein Dutzend Personen" hätten dabei die Flüchtlinge stündlich geweckt und diese mit "Falschinformationen und Gerüchten" verunsichert, hieß es seitens der Caritas. Die Flüchtlinge hätten deshalb darum ersucht, die Tür zu versperren, um zur Ruhe zu kommen.

Eine Räumung durch die Polizei war aber auch am Mittwoch kein Thema. Wiens Caritas-Direktor Michael Landau, der gestern, Mittwoch, die Kirche besuchte, forderte eine politische Lösung. Seine am Christtag ausgesprochene Einladung an Bundeskanzler Werner Faymann, mit den Flüchtlingen in Kontakt zu treten, blieb bis dato unbeantwortet.

Die Situation ist mittlerweile ziemlich verzwickt. Bereits seit 18. Dezember besetzen die Flüchtlinge die Votivkirche, nachdem sie davor in einem Park vor dem Gotteshaus campiert hatten. Vermittlungsversuche der Caritas blieben bisher erfolglos. Auch ein Treffen mit Vertretern von Innenministerium und Kanzleramt hatte vergangene Woche keinen Durchbruch gebracht.

Verhärtete Fronten

Weder nahmen die Flüchtlinge ein Angebot des Innenministeriums, in ihre Grundversorgungsquartiere zurückzukehren an noch nächtigten sie in einem extra von der Caritas bereitgestellten Notquartier.

Der harte Kern der Flüchtlinge ist seit dem Wochenende im Hungerstreik. Caritas-Sprecher Klaus Schwertner berichtete am Mittwoch, dass einige sehr geschwächt seien. Auch gab es einen Rettungseinsatz. Ein Asylwerber musste ambulant versorgt werden. Zur Betreuung in den Nachtstunden haben sich die Johanniter bereit erklärt.

Rund um die Weihnachtsgottesdienste war es in der Votivkirche zu kleineren Reibereien gekommen. Bei den beiden Metten, die von Zivilpolizisten begleitet worden waren, versuchten Aktivisten, Parolen zu skandieren bzw. Flugzettel auszuteilen. Die Störaktionen konnten jeweils rasch beendet bleiben. Überhaupt ohne Erfolg verlief ein Versuch von Aktivisten, am 24. Dezember in den Stephansdom vorzudringen. Sie wurden von der Polizei vor der Kirche abgefangen.

Unterstützt werden manche Forderungen der Flüchtlinge von der Caritas, etwa der Wunsch, nicht mehr in schlecht ausgestatteten Unterkünften untergebracht zu werden. Zu den weiteren Anliegen der Flüchtlinge gehören ein Arbeitsmarkt-Zugang oder die Löschung ihrer Fingerabdrücke, damit sie in anderen Staaten noch Asyl-Chancen haben.

Landau machte am Stefanitag aber auch klar, dass es derzeit zu „Instrumentalisierungen“ der Flüchtlinge komme. Einige Aktivisten würden Flüchtlinge für „ihre politischen Ziele benützen.“

Mit der Geduld am Ende scheint Pfarrer Joseph Farrugia. Während der Feiertage sperrte der Geistliche das Gebäude kurz, was einen Sturm der Entrüstung bei Aktivisten auslöste. Bald darauf war die Kirche wieder offen. Derzeit ist vorgesehen, dass während der Nacht nur die Flüchtlinge und fünf ihrer Vertrauenspersonen in dem Gotteshaus bleiben.

Eine Räumung der Kirche kann nur auf Antrag des Pfarrers erfolgen. Das will die Erzdiözese aber nicht. Das Camp im Park davor bleibt stehen, so lange die Wiener Stadtregierung keine Schritte dagegen einleitet. Die FPÖ-Aufforderung, den „Asyl-Erpressern“ eine letzte 24-Stunden-Frist zu stellen, dürfte daher ungehört verhallen.

Khan Adalat ist 47 Jahre alt und erzählt beim KURIER-Lokalaugenschein am Stefanitag von seinem bewegten Leben. Seit rund einem Monat campiert der Mann vor und in der Wiener Votivkirche. „Um für die Verbesserung der Flüchtlingssituation in Österreich einzutreten“, sagt er. Adalat stammt aus der Grenzregion zwischen Afghanistan und Pakistan – wo auch die Taliban gegründet wurden. Seit dem NATO-Einsatz 2001 werde dort gekämpft, berichtet der Mann mit dem zerfurchten Gesicht.

Weil er politisch aktiv war, erhielt er Morddrohungen und flüchtete. Das war 2004. Seitdem hat er seine Familie nicht gesehen, der Kontakt beschränkt sich auf wenige Telefonate im Jahr. „Auch meine Söhne werden verfolgt“, sagt Adalat. Heuer kam er nach seiner Flucht in Österreich an. Nach vier Wochen im Lager Traiskirchen wurde er ins Waldviertel verlegt. „Als Gefängnis“ bezeichnet Adalat das Quartier und berichtet von „unmenschlichen hygienischen Zuständen und Isolation“. 40 Euro standen ihm monatlich zur Verfügung. Heute lebt er in einer Wohngemeinschaft nahe Sankt Pölten. „Mein Leben ist vorbei, aber ich möchte für eine gerechtere Zukunft kämpfen“, sagt er.


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