Anschuldigungen gegen Kinderheim

Kindesmisshandlung (gestellte Szene)
Vorwürfe wegen Gewalttätigkeiten - Jugendamt: Heim seit langem guter Partner.

Anschuldigungen gegen das St. Rafael-Heim in Wien, in dem behinderte bzw. in ihrer Entwicklung verlangsamte Kinder untergebracht sind, erhebt die Mutter eines neunjährigen Buben. Dieser sei physisch misshandelt worden. Das Wiener Jugendamt sieht die Sachlage gänzlich anders. Die Mutter könne sich nicht damit abfinden, dass ihr Kind dort untergebracht worden sei.

Zu den aktuellen Anschuldigungen kam es offenbar, nachdem vergangene Woche ein zehnjähriges Mädchen aus dem Fenster eines Badezimmers in dem Heim in der Molitorgasse gestürzt und schwer verletzt worden war. "Mein Sohn wurde mit neun Jahren von der Bezugsbetreuerin grün und blau geschlagen. Vergangenen Freitag wurde bei der Staatsanwaltschaft Wien Anzeige erstattet", erklärte die Mutter des Buben, Roswitha B., am Dienstag. Es gebe auch ähnliche Fakten bei anderen Kindern, so die Frau.

Jugendamt wehrt sich

Die Sprecherin des Jugendamts sprach hingegen klar von einer gänzlich anderen Sachlage: "Das Heim ist eine Einrichtung mit geistlichen Schwestern als Träger." Es arbeite dort Fachpersonal, das den Anforderungen entspreche. "Das ist ein Haus, mit dem wir in guter Kooperation sind. Sonst würden wir es ja nicht als Vertragspartner nehmen. Wir haben uns das Heim mehrfach angeschaut." Die Aufsicht - auch mit Unterstützung eines Psychologen - hätte auch insbesondere nach dem Unfall zweimal Nachschau gehalten.

Laut Jugendamt befindet sich der Neunjährige wegen entsprechender Auffälligkeiten derzeit in kinderpsychiatrischer Behandlung in einem Wiener Spital. Man wolle prinzipiell Eltern nicht von ihren Kindern trennen. Das sei aber bei solchen Widerständen schwierig, sagte die Sprecherin in Bezug auf den Fall des Buben.

Zur Betreuung des neunjährigen Buben in dem Kinderheim sei es im Auftrag des Jugendamtes gekommen, weil die Mutter ihm nicht eine seinem Zustand entsprechende Hilfe bieten hätte können. "Frau B. kann nicht akzeptieren, dass ihr Kind nicht mehr bei ihr ist."

Der Wiener Rechtsanwalt Alexander Krasser bestätigte ein Mandat für die Vertretung des Buben. Man habe eine Anzeige wegen schwerer Körperverletzung bei der Staatsanwaltschaft eingebracht, sagte Krasser. Für den Juristen steht hinter den aktuellen Anschuldigungen eine spezielle Problematik: In Österreich würden Eltern viel häufiger Kinder abgenommen werden als in vergleichbaren Ländern, zum Beispiel in Deutschland. Auch wenn sich die Ursprungsfamilie wieder stabilisiere, verzögere die Jugendwohlfahrt die Rückführung.

75-Jährige für zehn Kinder

Im ORF-Mittagssjournal kritisierte der Anwalt der Mutter des zehnjährigen Mädchens, Martin Dohnal, dass die Betreuungssituation im Falle des aus dem Fenster gestürzten Mädchens zum Zeitpunkt des Vorfalls schlecht gewesen sei. Die Aufsicht durch eine 75-jährige Ordensschwester für zehn Kinder sei eine "gröbliche Vernachlässigung". Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung.

Laut einer Jugendamtssprecherin sei die Aufsicht einer Frau mit 75 Jahren nicht "in Ordnung". Schließlich liege das Pensionsalter in Österreich auch bei 60 bzw. 65 Jahren. Laut Jugendamt hätten zum Unfallzeitpunkt noch zwei professionelle Betreuerinnen anwesend sein müssen, nach 20.00 Uhr eine ausgebildete Sozialpädagogin. Alle Fenster in solchen Einrichtungen müssten Kindersicherungen aufweisen.

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