Angst vor Süchtigen ist nicht immer begründet

Anrainerin und Unternehmerin Karin Oppeker: „Die Betriebe in der Umgebung werden das sicher nicht überleben“.
Dass Suchtzentren die Sicherheit der Anrainer beeinträchtigen, trifft nur bedingt zu.

Ein Sturm der Empörung braust durch das einst so beschauliche Sobieski-Viertel im 9. Bezirk. Wie berichtet, soll im Erdgeschoß eines Wohnhauses in der Nussdorfer Straße am 13. November ein neues städtisches Betreuungszentrum für Suchtkranke aufsperren. An vielen Ecken im Grätzel hängen Plakate, auf denen vor dem Zentrum gewarnt wird.

Auf dem Gebäude selbst finden sich inzwischen sogar Schmierereien mit derselben Botschaft. Von diesen distanziert sich Anrainer Matthias Peterlik. Empört ist aber auch er: „Wir wurden überhaupt nicht eingebunden. Beim runden Tisch mit der Bezirksvorsteherin wurden wir wie die Schulbuben belehrt und vor vollendete Tatsachen gestellt.“ Er sorgt sich vor allem um die Sicherheit seiner Kinder.

Unternehmerin Karin Oppeker fürchtet wiederum, dass das Zentrum mit seiner geplanten Frequenz von täglich rund 100 Patienten das Wirtschaftsleben im Grätzel zum Erliegen bringen wird: „Die Betriebe in der Umgebung werden das sicher nicht überleben“, ist sie überzeugt.

Unverständnis

Nicht überall hat man für solche Argumente Verständnis: „Die aktuelle Diskussion im 9. Bezirk ist unserer Stadt unwürdig. Sie wird auf dem Rücken von hilfsbedürftigen Menschen ausgetragen“, sagt Markus Rumelhart (SPÖ). Er ist Bezirksvorsteher in Mariahilf, wo 2012 mit dem „Jedmayer“ ein ungleich größeres Suchtzentrum eröffnet wurde. Allein zum Spritzentausch kommen hier derzeit täglich 500 Patienten vorbei.

Dennoch sei die Zahl der Bürgerbeschwerden „marginal“, betont Rumelhart. Mit dem Jedmayer-Vorgänger Ganslwirt sei die Bevölkerung schon über Jahre an derartige Betreuungszentren gewöhnt gewesen.

Ähnlich lautet auch der Befund der Polizei: „Es gibt in der Umgebung rund um das Jedmayer keinen Anstieg der Kriminalität“, betont ein Sprecher. Die letzten Statistiken weisen gerade einmal vier bis sechs Straftaten pro Woche aus, die meisten davon haben nichts mit dem Thema Drogen zu tun.

Freilich: Die Polizei ist in dem Grätzel sehr präsent. Etwa mit doppelten Patrouillen und Bereitschaftskräften. Dies wünscht man sich auch seitens der Bezirksvorstehung im Alsergrund nach Eröffnung des dortigen Zentrums.

„Ich verstehe, dass die Anrainer Angst davor haben. Sodom und Gomorrha wird deswegen aber sicher nicht ausbrechen“, betont auch Drogenkoordinator Michael Dressel. Ihren Ärger führt er darauf zurück, dass sie nicht um ihre Zustimmung gefragt wurden. „Aber würde man das machen, hätten wir in Wien keine einzige Betreuungsstelle für Suchtkranke.“

Erstanlaufstelle für Süchtige

Nussdorfer Straße: Das Suchtberatungszentrum entsteht auf 126 Quadratmetern in einem ehemaligen Geschäftslokal in der Nussdorfer Straße 41. Vorgesehen sind Serviceleistungen wie Spritzentausch, Beratungen oder Vermittlung zu anderen Sozialstellen.

Fahrplan: Am 23. Oktober findet für Anrainer eine Info-Veranstaltung der Suchthilfe zu dem umstrittenen Projekt statt. Für den 11. November ist direkt im neuen Lokal ein „Tag der offenen Tür“ geplant. Zwei Tage später wird das Zentrum offiziell eröffnet.

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