Tausche Fahrrad gegen Bügeln

Tausche Fahrrad gegen Bügeln
Beim LETS-Tauschkreis werden Waren und Dienstleistungen gehandelt.

Die Wirtschaft, so wie sie ist, funktioniert nicht mehr", sagt der 52-jährige Masseur Toni. Ein alternatives System findet der Wiener beim LETS-Tauschkreis im WUK (Werkstätten- und Kulturhaus) im 9. Bezirk. Bei Kaffee und Kuchen werden in dem kleinen, voll geräumten Büro ein Mal im Monat die Fragen von Mitgliedern und solchen, die es werden wollen, beantwortet.

Waren und Dienstleistungen werden beim LETS-Tauschnetzwerk nicht mit Geld bezahlt, sondern gehandelt. Die Währung ist Zeit. Rund 110 aktive Mitglieder zählt der 1999 gegründete Tauschkreis, Vorbild ist die von Michael Linton 1982 gegründete LETS-Tauschzentrale in Kanada.

Stunde als Einheit

Bei dieser Zentrale, wie auch beim Wiener Netzwerk, werden Waren und Services nicht direkt gehandelt, sondern über eine Plattform verwaltet. "Suche: Helfer für den Wohnungsgroßputz. Zahle: 5 Stunden", lautet etwa eine Anfrage im Online-System.

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Toni sagt dieses System zu. Neben Massagen könnte er auch seine Arbeitskraft im Garten anbieten. In die Handschlagqualität seiner Tauschfreunde habe Toni jedenfalls noch Vertrauen. Mit dieser Einstellung scheint der Wiener nicht alleine zu sein. Gerade in Krisenzeiten steigt das Interesse an alternativen Systemen, bestätigt LETS-Obmann Winfried Kraus. Er kam vor zehn Jahren zu dem Netzwerk. "Ich habe eine Dokumentation im Fernsehen gesehen und wurde neugierig, ob das wirklich funktioniert." Und einmal damit angefangen, war er so begeistert, dass er mittlerweile den Großteil seiner Freizeit dafür aufbringt. Flachbildschirm, Anrufbeantworter und Dachträger haben über den Tauschhandel den Weg in seine Wohnung gefunden.

Talentebörse

Die Gründe, sich an dem alternativen Wirtschaftssystem zu beteiligen, sind unterschiedlich. Für Kraus geht es einerseits darum, Talente anderen Menschen zur Verfügung zu stellen und Beschäftigungen nachzugehen, die man gerne macht, ohne professionell ausgebildet zu sein.

Gleichzeitig bekommen Mitglieder die Möglichkeit, Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die ihnen sonst zu teuer sind. Kraus selbst bietet seine Computer- und Web-Design-Künste an. Team-Kollege Norbert Strauss kennt sich mit Elektrik aus, Inge Kuhn macht diverse Näharbeiten.

Anfragen und Angebote finden Mitglieder im Online-System. Hier werden auch die jeweiligen Stunden gutgeschrieben oder abgezogen. Dank des Zusammenschlusses mit anderen Tauschkreisen in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland zu dem Dachverband "Tauschkreis-Verbund" ist mittlerweile sogar ein Handeln mit Mitgliedern anderer Netzwerke möglich.

Das große Angebot an spirituellen Dienstleistungen – eine Horoskop-Deutung gibt es beispielsweise für acht Stunden – stößt allerdings auf wenig Resonanz. Kraus dazu: "Man muss sich überlegen, ob die Arbeiten, die man anbietet auch wirklich benötigt werden."

Zeitwert-Scheine

Für Personen ohne Computer oder zum Handel mit Tauschkreisen außerhalb des Verbunds gibt es zudem gedruckte Zeit-Wert-Scheine. Die eignen sich auch für Nicht-Mitglieder. Kraus: "Ich schenke meiner Freundin öfter Gutscheine." So kann auch sie die Angebote des Tauschkreises in Anspruch nehmen.

Ganz ohne Geld geht es aber doch nicht. Der Mitgliedsbeitrag beträgt neben 2,4 Stunden auch 12 Euro. Kraus: "Schließlich müssen wir auch Dinge bezahlen; wie etwa die Miete für unser Büro." Die Büroeinrichtung hat man allerdings großteils ertauscht.

Hintergrund des Tauschgeschäfts

Funktion In einem Tauschkreis werden Dienstleistungen und Waren ohne den Einsatz von Zahlungsmitteln miteinander gehandelt.

Entwicklung Die Vorläufer der Tauschkreise gehen aufs frühe 19. Jahrhundert zurück. Berühmt wurde das Freigeldexperiment in Wörgl in der Zwischenkriegszeit. Das erste LETS (local exchange trading system)-System entstand 1983 in Kanada. Michael Linton gilt als Erfinder dieses modernen Tauschsystems, wo Waren nicht direkt sondern über eine Plattform miteinander gehandelt werden.

Österreich Derzeit gibt es in Österreich 30–40 Tauschkreise. Den größten gibt es in Vorarlberg mit rund 1000 Mitgliedern.

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