Messerstecherei kein Fall von Bandenkriminalität

Der Schauplatz der Messerstecherei.
Die Beschimpfung einer Mutter war der Auslöser der Messerstecherei.

Der Großangriff junger Afghanen gegen eine kleinere Gruppe von Tschetschenen beim Handelskai kann nicht "großartig unter das Bandenwesen eingereiht werden", sagte Oberstleutnant Robert Klug am Dienstag bei einem Hintergrundgespräch in Wien. Solche Konflikte sind für Klug "eine Entwicklung, die immer wieder entsteht". Bereits in den 90er-Jahren stand die Polizei vor ähnlichen Problemen.

Mutter auf Facebook beschimpft

Die Beschimpfung der Mutter über Facebook war im aktuellen Fall am Samstag, dem 5. März, Anlass der Gewalttätigkeiten, die in massive Körperverletzungen und Mordversuche mündeten, erläuterte Klug. In den vergangenen eineinhalb Jahren wurden zwei ähnlich gelagerte Auseinandersetzungen registriert, doch der nun dritte sei "der ärgste". Politische oder religiöse Bezüge liegen nicht vor. Zwischen tschetschenischen und afghanischen Jugendlichen gibt es ebenso "keine grundsätzliche Rivalität", ergänzte Bezirksinspektor Erwin Rieder, der zur 2014 gegründeten temporären Gruppe zur Bekämpfung der Bandenkriminalität des Landeskriminalamtes Wien gehört. Man beobachte, im Gegenteil, auch Freundschaften.

Dass der Streit zwischen den Gruppierungen zuletzt nun derart eskaliert ist, liegt für Rieder im "Ehrbegriff, der als höchstes Gut rigoros verteidigt wird". Die Gewalt zwischen Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist jedoch kein neues Phänomen, erinnerte Oberstleutnant Klug an die frühen 90er-Jahre. "Damals waren es Jugendliche türkischer, serbischer oder kroatischer Herkunft, die zum Teil mit Baseballschlägern bewaffnet, im Prater agierten." Nach einigen Jahren konnte das Referat zur Bekämpfung von Jugendkriminalität dieser Entwicklung Herr werden. "Sehr oft war es Langeweile, die Jugendliche verführt hat, Delikte zu begehen", sagte Klug. So gab es etwa spontane Raubdelikte mit entwendeten Walkmen oder Baseballkappen.

Asylwerber "halten sich mehr an Gesetze"

"Jetzt erleben wir scheinbar eine neue Welle mit neuen Konfliktpotenzialen", sagte der Oberstleutnant. Afghanische Jugendliche sind hier für die Kriminalisten ein neuer Player, denn über die russischen Staatsangehörigen - so werden die Jugendlichen tschetschenischer Herkunft bei der Polizei korrekt bezeichnet - hat man spätestens seit der "Goldenberg"-Bande ausreichend Informationen gesammelt. Bei den Afghanen wird es bei den nun gestarteten Strukturermittlungen auch darum gehen, wie diese auf andere Gruppierungen "wirken".

Obwohl es sich bei den Verdächtigen vom Handelskai um Asylwerber bzw. um Asylberechtigte handelt, gibt es laut Klug keine Parallele zwischen einem Anstieg an Delikten und dem Anstieg von Asylwerbern, denn diese "halten sich mehr an die Gesetze".

Territoriale Konflikte

Einen ungesunden Mix, der dann aber sehr wohl zur Straffälligkeit führen kann, nannte Bezirksinspektor Rieder: Dieser startet, "wenn Eltern von jugendlichen Migranten wenig Motivation zeigen, dass der Nachwuchs die Schulpflicht erfüllt". Dass es dann in weiterer Folge kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt gibt, führt zu einem Übermaß an Zeit und einem Mangel an Geld, was dann oft in Straffälligkeit mündet. Für Rieder ist es letztendlich auch eine Frage der Wertervermittlung an diese Jugendlichen, um sie von der Kriminalität abzuhalten. Somit ist die Integration ein wesentlicher Faktor für die Kriminalprävention.

Was Rieder bei seiner Arbeit mit den Jugendlichen hilft, die er etwa beim Gang durch problembehaftete Einkaufszentren im 15. und 20. Bezirk antrifft, ist der "Respekt vor dem Alter". Oft sind es profane Anlässe, die zu Konflikten führen, erläutert der Polizist aus der Praxis. Bei den "territorialen Konflikten", die zum Beispiel auch in Parks auftreten, reicht oft schon ein falscher Blick auf eine Frau, um Streit heraufzubeschwören.

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