Polizei-Video "macht Angst und Bange"

Polizei-Video "macht Angst und Bange"
Im Fall rund um Missbrauchsvorwürfe kritisiert der Justiz-Sektionschef die Einseitigkeit der Behörde.

Eine so öffentliche Schelte hat Seltenheitswert: Christian Pilnacek, ein mächtiger Sektionschef aus dem Justizministerium, übt laute Kritik an der ihm unterstellten Staatsanwaltschaft Wien. Der Strafantrag gegen eine Wienerin (wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und schwerer Körperverletzung) sei "vorschnell", die Sache "nicht aufgeklärt".

Es geht um eine Unternehmerin, 47, die in der Silvesternacht in Wien von zwölf Polizisten "beamtshandelt" wurde und einen Steißbeinbruch, Prellungen und Blutergüsse davontrug (der KURIER berichtete). Folge: Die Beamten zeigten die Frau an, die im Gegenzug den Polizisten in einer Anzeige Übergriffe vorwarf.

Polizei-Video "macht Angst und Bange"
Was machte der Staatsanwalt daraus? Im Eiltempo klagte er die Frau an. Und ihre Vorwürfe? Dafür hätte sich niemand interessiert, moniert die Angeklagte, die eigenhändig ein Video (siehe unten oderhier) der Amtshandlung (siehe Screenshots) auftrieb, das ihre Version der Geschichte stützt. Pilnacek sagt: "Wenn man das Video sieht, wird einem angst und bang."

Strafverfahren gegen Beamte

Der (von der Wochenzeitung Falter aufgezeigte) Fall wirft Fragen auf. Zuerst: Wie kommt ein derartiger Strafantrag zustande? Und weiter: Fehlt es der Polizei an effektiver Kontrolle?

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft erklärte: Man "bedaure", dass der "Strafantrag vorschnell gestellt" wurde. Das Verfahren gegen die Beamten sei aufrecht.

Polizei-Video "macht Angst und Bange"
Der Ablauf zeigt aber, wie einseitig agiert wurde: Am Neujahrstag meldete die Frau die mutmaßlichen Übergriffe der Polizei, tags drauf verfasste das für polizeiinterne Vorwürfe zuständige "Referat für besondere Ermittlungen" einen Bericht an die Staatsanwaltschaft. Weitere Einvernahmen? Fehlanzeige.

Johann Golob von der Wiener Polizei verweist auf "das laufende Verfahren". Erst im Rahmen einer Befragung der Frau als mutmaßliches Opfer am 19. Jänner sei klar geworden, wie groß der Beschuldigtenkreis ist. "Die Einvernahme der Polizisten verzögerte sich auch, weil sie erst Anwälte über die Gewerkschaft organisiert haben." Golob erinnert daran, dass "zwei Beamte verletzt wurden".

Ist die Kontrolle der Exekutive effektiv? Das sei "eine alte Diskussion", erklärt Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl. Er unterscheidet zwischen drei Modellen, wie Vorwürfe gegen die Exekutive geprüft werden können: durch einen Ombudsmann (wie der Rechtsschutzbeauftragte im Justizministerium); durch eine externe Kommission; oder, so wie derzeit, durch ein polizeiinternes Referat. "Je weiter weg die Kontrollore von der Polizei sind, umso kritischer sind sie und umso schwieriger wird es mit der Informationsbeschaffung", sagt Kreissl, der von deutschen Kommissionen erzählt, die sich am eisern schweigenden Polizeiapparat die Zähne ausgebissen haben.

Fehlende Fehlerkultur

Kreissl hält es für "die Aufgabe einer kritischen Öffentlichkeit, einen Änderungsprozess anzustoßen". Im Umgang mit schwarzen Schafen brauche es "Transparenz nach innen" und eine " entwickelte Fehlerkultur", in der offen mit Missständen umgegangen wird. "Meine Diagnose: Man ist auf dem Weg, sich zu bessern." Klar sei, dass "jeder einzelne Fall auf die gesamte Polizei zurückfällt".

Das Innenministerium will den nun angeforderten Bericht der Wiener Polizei prüfen. Pilnacek zeigt eine Liste an längst fälligen Ermittlungen auf. Das Video hätte "von Amts wegen" gesichert werden müssen. Das Vorgehen der Staatsanwälte sieht er kritisch: "Mir behagt nicht, dass in solchen Fällen gleich wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt verfolgt wird, aber die Gegenvorwürfe im Dunkeln bleiben."

Der Anwalt der Frau, Wilfried Embacher, will sich nicht ausmalen, wie das Verfahren ohne Video ausgegangen wäre: "Zehn Polizisten gegen eine Beschuldigte. Das Match kenne ich."

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