Ärzte warnen vor Ruin des AKH

Lokalaugenschein im Institut für Krebsforschung der Med-Uni Wien. DIe Mediziner klagen über schlechte Ausstattung, desolate Einrichtungen und zu wenig Geld vom Bund. Wien, Borschkegasse 8a, am 09.08.2013
Während in Linz eine neue MedUni entsteht, müssen Wiener Mediziner in desolaten Gebäuden forschen.

Der Besucher des grauen Betonklotzes am Alsergrund fühlt sich in die unmittelbare Nachkriegszeit versetzt: Mitarbeiter huschen durch dunkle, drückend heiße Gänge mit uralten Holztüren. In einem winzigen Kammerl, das gleichzeitig als Lagerraum dient, zwängt sich ein Forscher vor sein Mikroskop. Es ist nur schwer vorstellbar, dass hier, am Institut für Krebsforschung der MedUni Wien, Wissenschaft von Weltrang betrieben wird, die immer wieder den Weg in die internationalen Fachjournale findet.

„Wir brauchen dringend ein neues Gebäude“, seufzt Maria Sibilia, die das Institut mit seinen 150 Mitarbeitern leitet. Im alten Trakt können wir nicht einmal mehr moderne Geräte aufstellen, weil das Stromnetz dafür zu schwach ist.“ Dass es überhaupt Hightech-Maschinen für die Forschung gebe, sei vielfach Spendengeldern zu verdanken. Auch die Labors würden längst nicht mehr den heutigen Erfordernissen entsprechen.

Offener Brief

Offenbar nur die Spitze des Eisberges: In einem offenen Brief an die Bundes- und Stadtregierung haben kürzlich mehr als 40 Institutschefs und namhafte Professoren auf die prekäre Situation der Wiener MedUni hingewiesen. Die MedUni bzw. das AKH würden „personell zunehmend ausgehungert“, zudem drohe ein „kontinuierlicher Zerfall in baulicher, infrastruktureller, technologischer und medizintechnischer Hinsicht. Komme es zu keinen Reinvestitionen, sei auch die hohe Versorgungsqualität der Patienten nicht aufrecht zu erhalten.

Die medizinisch-theoretischen Institute – wie eben die Krebsforschung– würden in völlig veralteten Gebäuden und unter extremem Platzmangel arbeiten, dennoch verhalle der Ruf nach dem Bau eines neuen Campus bisher ungehört, heißt es in dem Schreiben.

Der Zeitpunkt des Hilferufs ist nicht zufällig gewählt: Soll doch in Linz in den nächsten Jahren eine neue Medizin-Fakultät entstehen. „Ich bin schon sehr überrascht, dass dafür Geld zur Verfügung steht“, sagt Sibilia, die seit Jahren auf einen Neubau oder wenigstens eine Renovierung wartet. „Es wäre doch besser, erfolgreiche Institute zu stärken, statt sich mit neuen Projekten zu verzetteln.“

Stiefkind

„Die MedUni wird trotz ihres enormen wissenschaftlichen Outputs als Stiefkind behandelt“, wettert Christoph Zielinski, Leiter der Uniklinik für Innere Medizin I. Die Ministerien müssten beginnen, nach Leistung zu finanzieren, anstatt bloß die politische Klientel zu bedienen

„Wir haben mehrfach betont: Die medizinische Fakultät in Linz wird keineswegs zu Lasten der anderen Unis gehen“, heißt es im Wissenschaftsministerium. Seit 2007 habe man mehr als 1,5 Milliarden Euro in die Uni-Standorte investiert. Davon beispielsweise rund 80 Millionen Euro in die Sanierung der Zahnklinik in Wien.

Von diesem Projekt sollen jetzt auch Sibilia und ihr Team profitieren: Im Zuge der Sanierung der Zahnklinik sei laut Ministerium ein Bereich freigemacht worden, der für die Krebsforschung adaptiert werden soll. Die Gelder habe man der MedUni schon zur Verfügung gestellt.

Theoretisch könnte das Wiener AKH das beste Spital der Welt sein: Kein anderes Krankenhaus bietet ein so großes Leistungsspektrum und stellt den Patienten rund um die Uhr so viele Top-Mediziner zur Verfügung. Doch das Gebäude ist merklich in die Jahre gekommen, Jobs bleiben unbesetzt. Ein schleichender Niedergang hat eingesetzt.

Führende AKH-Ärzte beklagen das in einem offenen Brief. Sie fürchten, dass das nötige Geld in die neue Linzer Meduni fließen wird. Viel schwerer wiegt aber anderes: Die Stadt Wien lässt lieber sehr viel Geld in ihr neues Prestigeprojekt, das Krankenhaus Nord, fließen: Mittel, die dem AKH fehlen. Dessen Führungsspitze – sowohl im Spitalsbetrieb als auch an der Universität – ist so schwach wie seit Jahrzehnten unverändert. Das Betriebsklima gilt als verbesserungsfähig. Und allen ist klar, dass der Spagat zwischen Patientenversorgung und Uni-Betrieb auf Kosten der Forschung geht.

Für Jungärzte ist das AKH kein attraktiver Arbeitsplatz mehr. Sie verdienen hier weniger als anderswo, müssen sich aber für den AKH-Job alle fünf Jahre neu bewerben. Detail am Rande: Die unverzichtbare Weiterbildung auf Kongressen, früher auf Einladung der Pharmaindustrie, muss nun aus privater Tasche bezahlt werden. Die MedUni sollte für Jungforscher einspringen, kann es aus Geldmangel aber nicht. Die Turnusausbildung ist, nebenbei bemerkt, in ganz Österreich desaströs, in Deutschland funktioniert sie schneller und besser. Kein Wunder, dass die Allerbesten unter den Jungen an renommiertere Unis ins Ausland flüchten.

Das AKH ist noch immer in vielen Bereichen, etwa bei Transplantationschirurgie oder Onkologie, Weltklasse. Aber diese Position wird aufs Spiel gesetzt. Es ist ein Armutszeugnis der Gesundheitspolitik in Stadt und Land, dass niemand daran interessiert ist, den einstigen Weltruf der „Wiener Medizinischen Schule“ wiederherzustellen.

„Wir haben einen ganz wesentlichen Etappensieg errungen“, jubelte Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (VP) am Dienstag. Und er gab sichtlich euphorisch wieder einmal seine Lieblingsvolksweisheit von der schweren Geburt, bei der die schönsten Kinder zur Welt kämen, zum Besten.

Auslöser für des Landesvaters Hochstimmung war der Ministerrat, der kurz davor eine 15a-Vereinbarung (Vertrag zwischen Bund und Land, Anm.) zur Gründung einer Medizinischen Fakultät in Linz beschlossen hatte. Die Bundesregierung erfüllte damit nicht nur eine langjährige Forderung Oberösterreichs, sondern auch ein persönliches Herzensanliegen Pühringers. Mit seinem ganzen politischen Gewicht hatte er sich in den vergangenen Monaten auf Landes- und Bundesebene dafür eingesetzt.

Die Erleichterung war ihm anzusehen. „Das ist das wichtigste Zukunftsprojekt, das wir derzeit haben“, versicherte er und lobte den „Kampfgeist“, der parteiübergreifend dafür an den Tag gelegt worden sei: „Wir haben exzellente Arbeit geleistet und ein hervorragendes Konzept entwickelt.“ Das „Ja“ des Ministerrats für die Errichtung der Medizinischen Fakultät sei die Bestätigung.

Noch keine Rechtskraft

Linz und OÖ würden sich damit aber nicht zufrieden geben, sondern als „Nettozahler in alle Kassen dieser Republik“ langfristig auch eine Voll-Universität anstreben.
Pühringer kündigte an, sofort mit konkreten Umsetzungsarbeiten beginnen zu wollen – obwohl die 15a-Vereinbarung noch den Nationalrat passieren muss, damit sie endgültig Rechtskraft erlangt. Die Abstimmung wird erst nach der Nationalratswahl stattfinden. Pühringer: „Ich gehe aber fix davon aus, dass das, was vor der Wahl beschlossen wurde, auch nach der Wahl noch gilt“.

Das Land OÖ und seine Gemeinden beteiligen sich an den Infrastrukturkosten mit 127,5 Millionen Euro, der Bund zahlt 18,4 Millionen. Bis 2027 tragen Land und Gemeinden auch die jährlichen Erhaltungs- und Reinvestitionskosten. Ab 2028 gehen diese auf den Bund über. Bis 2045 stellt OÖ insgesamt 225 Mio. Euro zur Verfügung.
Der Linzer Bürgermeister Franz Dobusch (SP) präsentierte sich am Dienstag ebenfalls ungewohnt überschwänglich. „Ich glaube, dass der Beschluss einer der wichtigsten Meilensteine für OÖ und Linz in diesem Jahrhundert darstellen wird.“ Für die drittgrößte Stadt Österreichs sei es ein Muss gewesen, endlich eine universitäre Medizinerausbildung anbieten zu können. „Bisher waren wir benachteiligt.“

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