20 Monate Haft für rätselhafte Messerattacke

Symbolbild
57-Jähriger versetzte Zechkumpan Bauchstich. Vor Gericht rätselten beide über Motiv.

Weil er am 18. September 2015 einem 52 Jahre alten Mann vor dem Franz-Josefs-Bahnhof in Wien-Alsergrund einen Bauchstich versetzt hatte, ist ein 57-Jähriger am Donnerstag im Landesgericht wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung zu 20 Monaten Haft verurteilt worden. "Bei einer Messerattacke hört sich jede Milde auf", kam für Richterin Sonja Weis eine bedingte Strafnachsicht nicht infrage.

Sowohl Angeklagter als auch Opfer konnten sich in der Verhandlung nicht erklären, weshalb das Messer mit einer Klingenlänge von zehn Zentimetern im Oberbauch des Jüngeren gelandet war. Da der Verletzte rasch ins AKH kam - ein Augenzeuge verständigte unverzüglich die Rettung - und dort umgehend versorgt wurde, ging die Sache relativ glimpflich aus. Nach einem viertägigen stationären Aufenthalt konnte der 52-Jährige wieder das Spital verlassen.

Beim Trinken kennengelernt

Die beiden Männer hatten sich am Vorplatz vor dem Bahnhof beim Trinken kennengelernt. Eigentlich habe er seit Monaten keinen Tropfen Alkohol mehr zu sich genommen. Dann hätten ihn jedoch "widrige Umstände" eingeholt, erzählte der Angeklagte der Richterin: "Es ist ein ominöser Brief von einem Inkassobüro kommen." Seine Ex-Frau sei 1.465 Euro "schuldig gewesen wegen irgendwas", weil diese nicht zahlen konnte bzw. wollte, habe man sich an ihm schadlos halten wollen: "Das hat mich fürchterlich aufgeregt. Deswegen hab' ich mir beim Penny nicht nur Brot und Buttermilch und Joghurt kauft, sondern auch eine Flasche Whisky."

Die Flasche öffnete der 57-Jährige gleich vor dem Supermarkt, wo sie in einer Runde von Männern um die 50, die sich dort zum Trinken eingefunden hatten, die Runde machte. Als sie leer war, übergab der Angeklagte dem späteren Opfer 60 Euro und bat ihn, Nachschub zu besorgen. Der 52-Jährige kam dem nach, und möglicherweise kam es zu einer Unstimmigkeit, weil er dem Älteren nicht das gesamte Wechselgeld aushändigte. Einen dahin gehenden Wortwechsel bekam einer der Umstehenden mit. Der Messerstecher und der Verletzte selbst hatten daran keine Erinnerung, was möglicherweise auf das Ausmaß ihrer Alkoholisierung zurückzuführen war. Der Angeklagte hatte mehr als 1,6 Promille im Blut, der 52-Jährige war eigenen Angaben zufolge "schon ang'soff'n, aber net fett", wie er als Zeuge der Richterin darlegte.

"Schuldig, aber absichtlich war das nicht"

"Irgendwas muss da passiert sein. Da hat der Alkohol ganz schön gewirkt", räumte der Angeklagte ein. Er sei "schuldig, aber absichtlich war das nicht". "Unabsichtlich sticht man einem nicht in den Bauch", meinte darauf die Richterin. Nachdem er seinem Zechkumpanen die inkriminierte Verletzung zugefügt hatte, erhob sich der 57-Jährige, warf die Waffe ins Gebüsch und marschierte davon: "Ich bin in einen türkischen Supermarkt gegangen, weil ich mir Pfefferoni kaufen wollte. Da ist dann schon die Polizei kommen und hat mich festgenommen."

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Verteidiger Michael Schnarch verzichtete auf Rechtsmittel, die Anklagevertreterin gab vorerst keine Erklärung ab.

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