1. Mai: Klassenkampf in Simmering

1. Mai: Tag der Arbeit Heute schmückt sich Wien mit Nelken und Fahnen: Traditionell ziehen die Maiaufmärsche aus den Bezirken zum Rathausplatz. Warum das so ist, erfahren Sie .
Im Arbeiterbezirk Simmering kämpfen SPÖ und FPÖ um die Vorherrschaft. Der KURIER hat die Bezirksroten beim Maiaufmarsch begleitet.

Natürlich werden wir von Jahr zu Jahr etwas weniger. Die Menschen sind einfach sehr bequem geworden", sagt Herbert Dolezal. Der rote Simmeringer Bezirksrat organisiert seit zehn Jahren den Maiaufmarsch seiner Bezirkspartei zum Rathausplatz mit. "Setzen wir ein Zeichen, besteuern wir die Reichen", hat sie sich heuer auf die Fahnen geschrieben.

Die Simmeringer Genossen müssen früh aufstehen. Schließlich warten auf sie mehr als sechs Kilometer Fußmarsch bis hinein in die City. Bereits um acht Uhr geht es – begleitet von Blasmusik, Reggae-Klängen und Arbeiterliedern – vor dem Einkaufszentrum Simmering los. Mittendrin auch ein Traktor-Anhänger voller Radieschen der roten Gemüsebauern.

1. Mai: Klassenkampf in Simmering

Der Arbeiterbezirk Simmering ist rotes Kernland. Trotz schwerer Verluste (minus 11,46 %) kam hier die SPÖ bei der Bezirksvertretungswahl 2010 immer noch auf 49 Prozent. Gleichzeitig fuhr die FPÖ ein Wien-weites Rekordergebnis von 34 Prozent ein (+16 %). Seine Partei sei jedenfalls nicht schuld daran, ist Dolezal überzeugt. "Die FPÖ ist bei uns so stark, weil die ÖVP so schwach ist. Die brauchen ja schon einen Minderheitenschutz."

Entlang der Simmeringer Hauptstraße stoßen immer wieder neue Gruppen dazu. Rund 500 Personen wird der Zug schließlich stark sein. Wer nicht zu Fuß gehen kann, fährt auf einem Bummelzug mit.

Nach einer Stunde ist der Rennweg erreicht. Neugierig beäugen Hotelgäste die Kolonne. "Früher war die Stimmung besser", sagt Mustafa Cetin. Der 33-jährige Wiener mit türkischen Wurzeln ist in der Simmeringer SPÖ für Integrationspolitik zuständig. "Leider interessieren sich die jungen Menschen nicht mehr für Politik."

Junge Hoffnung

1. Mai: Klassenkampf in Simmering

Michael Dedic sieht das nicht so. Mit 24 ist er schon Bezirksrat und Betriebsrat bei den Wiener Linien – und gilt als Hoffnungsträger seiner Partei. "Man muss auf die jungen Menschen zugehen", hat er die gängigen Formulierungen parat. "Aber es reicht nicht, bloß in den Discos Runden zu schmeißen. "Das bringt nur Spaß für fünf Minuten", kritisiert er seine FPÖ-Konkurrenten, während er eifrig die Hände der Genossen schüttelt.

Mittlerweile haben die Simmeringer den Rathausplatz erreicht. In seiner Ansprache warnt Bürgermeister Michael Häupl vor den Folgen einer abermaligen schwarz-blauen Regierung. Doch was halten seine Simmeringer Parteikollegen vom Gegenmodell, das derzeit Wien regiert? Als "Notlage", bezeichnet Bezirksrat Dolezal die rot-grüne Koalition. Man könne schließlich nur zufrieden sein, wenn die SPÖ die Alleinregierung stellt. Dann kratzt das SPÖ-Urgestein doch noch die Kurve: "Die Koalition macht aber eh eine gute Arbeit."

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