Vatikan lässt über Zölibat diskutieren

Vatican's new appointed Secretary of State Monsignor Pietro Parolin speaks during an interview with Reuters TV in Caracas September 4, 2013. Pope Francis on August 31, 2013 made the most significant appointment of his pontificate so far, naming Parolin, a veteran diplomat as his secretary of state, Vatican prime minister and chief aide - a role often called the ''deputy pope''. REUTERS/Jorge Silva (VENEZUELA - RELIGION)
Meilenstein: Die designierte Nummer zwei nach dem Papst sieht Ehelosigkeit nicht als Dogma.

Zu einer der brennendsten Fragen der Kirche kommen jetzt aus Rom neue Signale. Über den Zölibat könne man diskutieren, weil er eine kirchliche Tradition ist und kein Dogma, sagte jetzt der designierte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin der venezolanischen Tageszeitung El Universal. Der 58-jährige Kirchendiplomat aus dem norditalienischen Vicenza wird die Kurie reformieren müssen. Rangmäßig ist er die neue Nummer zwei im Vatikan.

Es ist unwahrscheinlich, dass der Kirchendiplomat seine Worte unbedacht gewählt hat. Er sagte: „Man kann über jene Themen diskutieren, die keine Dogmen sind und Änderungen überlegen. Diese müssen allerdings im Dienst der Einheit und nach dem Willen Gottes erfolgen“.

Diese Frage sei „eine große Herausforderung“ für den Papst. Man müsse „Gottes Wille und der Geschichte der Kirche folgen“. Er verteidigte den Wert der Ehelosigkeit der Priester, der sich in den ersten Jahrhunderten der Kirche etabliert habe. Man könne jedoch nicht das Problem des Priestermangels ignorieren, aufgrund dessen die Kirche gezwungen werden könnte, die Regel des Zölibats zu revidieren.

Am 15. Oktober wird Pietro Parolin in sein Amt als Kardinalstaatssekretär eingeführt. Er löst den äußerst konservativen Kardinal Tarcisio Bertone ab. Papst Franziskus wird auch mit dieser Entscheidung immer deutlicher ein Gegenpol zum Papst emeritus Benedikt. . Der Argentinier glaubt an den „offenen Geist und das gläubige Herz“, beten solle man „wie ein Kind zu Weihnachten“, schreibt er in seinen zwei Büchern, die gerade auf Deutsch erschienen sind. (Franziskus: Mein Leben, mein Weg, Offener Geist und gläubiges Herz, Herder) Als Erzbischof von Buenos Aires erzählte Mario Bergoglio gerne den Witz von den zwei Priestern, die sich über ein künftiges Konzil unterhalten: „Und einer fragt: ,Wird ein neues Konzil den Pflichtzölibat aufheben?’ Und der andere gibt zur Antwort: ,Ich meine ja.’ Aber der erste Priester fügt hinzu: ,In jedem Fall werden das nicht mehr wir erleben, sondern unsere Kinder.’“

Für Bergoglio ist jetzt die Ehelosigkeit der Priester kein „Glaubensartikel“, sondern nur eine Norm. Im Bereich der Glaubensmoral kritisierte er, dass viele Priester „am liebsten über die Sexualmoral reden: Ob man das oder jenes darf oder nicht darf. Ob man schuldhaft gehandelt hat oder nicht. Und so vergessen wir den Schatz des lebendigen Christus, den Schatz des Heiligen Geistes in unseren Herzen...“.

Reaktionen

Kardinal Christoph Schönborn war am Mittwoch zu keiner Stellungnahme bereit. Sein Sprecher sagte, die Diskussion sei „Stand der Dinge“ und müsse daher nicht kommentiert werden. Der St. Pöltner Bischof Klaus Küng sieht das ähnlich: „Der Staatssekretär sagt nichts Neues. Der Zölibat ist kein Dogma. Man kann immer darüber diskutieren. Es scheinen auch die sehr allgemeine Aussagen des Staatssekretärs über Zölibat auf deutsch etwas zugespitzter herüberzukommen.“

Der nicht konservative Teil der römisch-katholischen Kirche Österreichs reagiert – auf die Signale aus Rom – mehr als positiv. Hans Peter Hurka, Sprecher der Plattform „Wir sind Kirche“, und Mitinitiator des Kirchenvolksbegehrens freut sich: „1995 haben 505.000 Katholiken im Volksbegehren die Aufhebung des Pflicht-Zölibats gefordert. Studien sprechen von 1000 Priestern, die bereits in einer Beziehung leben.“

Toni Faber, Dompfarrer zu St. Stephan, spricht von einem ernst gemeinten Vorstoß der Kirchen-Manager aus Rom: „Der Zölibat ist für viele junge Menschen ein Ausschließungsgrund, Priester zu werden. Es wird Modelle geben, wo auch verheiratete Priester ihr Amt ausüben.“ Pater Udo Fischer aus Paudorf (Bez. Krems), bekannt geworden durch seine Kritik an St. Pöltens Bischof Kurt Krenn, führt diese Entwicklung einzig auf Papst Franziskus zurück: „Er kennt die Lage in Lateinamerika und die Situation der Weltkirche. Diese Signale haben Hand und Fuß.“

Eisenstadts Bischof Ägidius J. Zsifkovics unterstrich die Worte von Generalsekretär Parolin: „Die weitere Rolle des Zölibats bedarf auf der Ebene der Weltkirche einer Vertiefung. Der Zölibat ist eine hochriskante Lebensform, sicher so riskant wie die Ehe und er war die Lebensform Jesu. Geduld ist jedenfalls angesagt.“

Kommentare