880 Flüchtlinge in einer Woche ertrunken

Das Mittelmeer ist derzeit die gefährlichste Fluchtroute der Welt
Italiens Präsident kritisiert EU und Österreich.

Die Situation ist noch dramatischer als zuvor: Laut UNHCR-Angaben sind allein in der vergangenen Woche mindestens 880 Flüchtlinge bei Schiffsunglücken im Mittelmeer ertrunken. Der Seeweg zwischen Nordafrika und Italien ist damit die gefährlichste Fluchtroute der Welt.

Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella übte angesichts der neuen Opferzahlen Kritik an der EU- Flüchtlingspolitik und indirekt auch an Österreich. "Flüchtlinge in andere Länder umzuleiten, ist keine Lösung. Das Phänomen erfordert verstärkte Zusammenarbeit und Integration." Mattarella bezieht sich auf die Schließung der Route von Griechenland über die Balkanstaaten, deren Umsetzung Österreich forcierte.

"Die Europäische Union muss sich schämen. Die verantwortlichen Politiker unternehmen nichts, obwohl sie es könnten, um das Massensterben im Mittelmeer zu verhindern. Alle, die gegen Flüchtlinge hetzen, sollen auf mein Boot kommen, um die Not der Leute mit eigenen Augen zu sehen", fordert Vito Fiorino. Der Fischer von der Insel Lampedusa ist täglich mit dem Leid der in Seenot geratenen Flüchtlinge konfrontiert. Die Balkanroute zu schließen und Mauern sowie Zäune an den Grenzen zu errichten, ist empörend, sagt Fiorino, der bisher Dutzende Menschen retten konnte.

Italiens Premier Matteo Renzi hat nach dieser "schrecklichen Woche" versichert, dass Italien weiterhin alles tun werde, um Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Er betont erneut, dass keine Rede von "Invasion oder Notstand" sein könne. Die Zahl der Ankünfte entspreche jener des Vorjahres.

EU-Druck auf Rom

Brüssel verstärkt indes den Druck auf Italien, Kontrollen und Registrierungen von Flüchtlingen durchzuführen. Für den Sommer kündigt Renzi die Errichtung dreier neuer Hotspots in Sizilien und Sardinien zur Flüchtlingsregistrierung an. Außerdem präsentiert er einen Plan zur Unterbringung von Schutzsuchenden. Mit Steueranreizen will man mehr Gemeinden dazu motivieren, Flüchtlinge aufzunehmen. Derzeit haben 800 Gemeinden rund 120.000 Flüchtlinge untergebracht. Die Zahl soll auf 3000 Gemeinden erweitert werden.

Renzi appelliert erneut an alle EU-Staaten zur Umsetzung des "Migration Compact". Der Vorschlag – der von Deutschland abgelehnt wird – sieht einen EU-Investitionsplan zur Wirtschaftsankurbelung und Stabilisierung Nordafrikas vor. "Man muss den Menschen Wachstumsperspektiven in ihrer Heimat geben", findet auch Parlamentspräsidentin Laura Boldrini.

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