RAF: Extreme Linke erklärt dem Staat den Krieg

ARCHIV - Der entführte Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer unter dem Logo der Roten Armee Fraktion (RAF) (Archivfoto vom Oktober 1977). Schleyer wurde am 5.9.1977 von der RAF entführt, um inhaftierte Gesinnungsgenossen freizupressen. Drei Polizisten und der Fahrer starben im Kugelhagel des Terrorkommandos. Der Terror der Baader-Meinhof-Gruppe sowie die damit zusammenhängenden Phänomene und Mythen beschäftigten über drei Jahrzehnte lang viele Filmemacher in Deutschland. Am 25.09.2008 kommt nun die neueste Produktion zur Roten Armee Fraktion (RAF), "Der Baader-Meinhof-Komplex" von Filmemacher Bernd Eichinger, in die deutschen Kinos. Foto: dpa (zu dpa-Themenpaket "´Todesspiel´ und ´Deutschland im Herbst´ - Der Terror im Film" vom 12.09.2008) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Wie die Terroristen in den 70er Jahren Blut über Deutschland brachten.

Die Rote Armee Fraktion, das waren 60 bis 80 Terroristen, die mehr als zwei Jahrzehnte lang Deutschland in Blut tauchten und dem Staat den Krieg erklärten. Sie mordeten, entführten und sprengten sich durch die alte Bundesrepublik, rissen höchste Verantwortungsträger und ihre Chauffeure in den Tod, kooperierten mit palästinensischen Terrorgruppen und flüchteten sich dann in die DDR.

Die RAF ist lange Geschichte. Das dachte man seit ihrer Selbstauflösung 1998, bis plötzlich drei in die Jahre gekommene, gesuchte Altterroristen wieder auftauchten. Genauer gesagt sind nur ihre DNA-Spuren wieder aufgetaucht.

Daniela Klette, 57, Ernst-Volker Staub, 61, und Burkhard Garweg, 47, sind das letzte Aufgebot der einstigen Stadtguerilla. Ihnen ist offenbar das Geld ausgegangen. Zweimal sollen die drei im vorigen Jahr Raubüberfälle auf Geldtransporter verübt haben. Mit Schnellfeuergewehren und einer Panzerfaust, ganz so wie die RAF in den 1970er und bis in die 1990er Jahre agiert hat. Doch im Jahr 2015 mussten die Terroristen im Frühpensionsalter zwei Mal ohne Beute abziehen. In den zurückgelassenen Autos wurden ihre DNA-Spuren sichergestellt – und Hundehaare.

"Ich gehe davon aus, dass Garweg, Staub und Klette irgendwo unauffällig leben, möglicherweise auch in Norddeutschland. Vielleicht leben sie auch zusammen, vielleicht auch mit Hund", sagte Polizeihauptkommissar Jürgen Hage am Donnerstag im ZDF bei "Aktenzeichen XY ungelöst". Beim Überfall auf den Geldtransporter am 28. Dezember in Wolfsburg soll einer der Täter keine Maske getragen haben. Ob Staub oder Garweg ist unklar. Was hätten wohl Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof über diese Rentner-Gang gesagt?

Baader-Meinhof

Andreas Baader (1943–1977) und Gudrun Ensslin (1940–1977) waren das schreckliche Glamourpaar des deutschen Terrorismus. Am 13. Mai 1967 brachte die Pfarrerstochter in Berlin ihren Sohn Felix zur Welt, dessen Patenonkel Rudi Dutschke wurde. Im Sommer lernte sie Andreas Baader, einen aufbrausenden, chauvinistischen Frauenhelden kennen, und verließ für ihn ihre Familie. Am 2. April 1968 legten Baader und Ensslin mit Helfern in zwei Frankfurter Kaufhäusern Feuer, aus Protest gegen das "imperialistische System". Sie wurden festgenommen und verurteilt, tauchten aber in Italien unter. Zurück in Berlin wurde der gar nicht unauffällige Baader verhaftet, der gerne ohne Führerschein Porsche fuhr. Er blieb aber nur ein Monat in Haft. Denn am 14. Mai 1970 verhalf ihm die Journalistin Ulrike Meinhof (1934–1976) bei einem fingierten Recherchetermin in einer Bibliothek in Berlin zur Flucht. Bei dieser ersten Schießerei wurde ein Institutsangestellter schwer verletzt. Die Baader-Meinhof-Bande war geboren.

Ihre Mitglieder nannten sich RAF, Rote Armee Fraktion. Sie raubten gleich einmal mehrere Banken aus, um ihr Leben zu finanzieren. Eine Gruppe von 20 Terroristen mit Meinhof, Baader, Ensslin und Horst Mahler reiste in ein Ausbildungslager der Palästinenserorganisation Al-Fatah nach Jordanien. Dort lernten sie den Umgang mit Waffen und Sprengstoff.

RAF: Extreme Linke erklärt dem Staat den Krieg
ARCHIV - Die einstige RAF-Topterroristin Brigitte Mohnhaupt (undatiertes Fahndungsfoto). Das Oberlandesgericht Stuttgart prüft am Montag (22.01.2007), ob Brigitte Mohnhaupt aus dem Gefängnis entlassen werden kann. In einer nichtöffentlichen Anhörung verhandelt das Gericht über den Antrag der 57-Jährigen, ihre lebenslange Freiheitsstrafe nach mehr als 24 Jahren hinter Gittern zur Bewährung auszusetzen. Das Gericht will seine Entscheidung frühestens Anfang Februar bekannt geben. dpa (nur s/w) +++(c) dpa - Bildfunk+++

"Bullenschweine"

"Wir sagen natürlich, die Bullen sind Schweine. Wir sagen, der Typ in Uniform ist ein Schwein, kein Mensch. Und so haben wir uns mit ihnen auseinanderzusetzen. Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden, und es ist falsch, überhaupt mit diesen Leuten zu reden. Und natürlich kann geschossen werden", schrieb Ulrike Meinhof.

Im Mai 1972 verübte die RAF fünf Sprengstoffanschläge mit vier Toten und über 50 Verletzten, zum Beispiel auf die Quartiere der US-Armee in Heidelberg und Frankfurt. Am 1. Juni 1972 wurde Baader bei einem Schusswechsel ins Gesäß getroffen und mit Jan-Carl Raspe und Holger Meins verhaftet. Am 7. Juni war für Gudrun Ensslin in einer Hamburger Modeboutique Schluss, weil die Geschäftsführerin in ihrer abgelegten Jacke eine Waffe ertastet und die Polizei gerufen hatte. Ulrike Meinhof wurde am 15. Juni in der Nähe von Hannover in der Wohnung eines Lehrers verhaftet.

München 1972

Im September überfielen acht Mitglieder der palästinensischen Befreiungsorganisation "Schwarzer September" bei den Olympischen Spielen in München das Quartier der israelischen Mannschaft. Die Geiselnehmer verlangten die Freilassung von 232 Palästinensern aus israelischen Gefängnissen sowie die Freilassung der deutschen RAF-Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof sowie des japanischen Terroristen Kōzō Okamoto. Die israelische Regierung unter Golda Meir lehnte Zugeständnisse ab. Bei einer missglückten Befreiungsaktion starben neun Geiseln, ein Polizist und fünf Terroristen. In einem Pamphlet lobte Meinhof die Terroristen und beschuldigte Israel, seine Sportler "wie die Nazis die Juden" verheizt zu haben – "Brennmaterial für die imperialistische Ausrottungspolitik".

Meinhof nahm sich am 9. Mai 1976 das Leben. Sie wurde sogleich zur Märtyrerfigur der extremen Linken. Der Journalist Stefan Aust legte 1985 mit "Der Baader-Meinhof-Komplex" das wichtigste Buch über diese Zeit vor.

Zweite Generation

Am 7. April 1977 erschoss "das Kommando Ulrike Meinhof der RAF" den deutschen Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seine zwei Begleiter. Christian Klar, Knut Folkerts und Brigitte Mohnhaupt wurden viele Jahre später als Täter verurteilt, wer auf dem Motorrad saß und die Todesschüsse abfeuerte ist bis heute nicht bekannt. Stefan Wisniewski und Verena Becker wurden viele Jahre später wegen anderer Straftaten verurteilt.

Die zweite Generation der RAF war professioneller und noch brutaler, als die erste.

Baader, Ensslin und Jan-Carl Raspe wurden am 28. April 1977 im so genannten Stammheimer Prozess nichts rechtskräftig wegen vierfachen Mordes und vielfachen Mordversuchs zu lebenslanger Haft verurteilt.

Am 30. Juli 1977 wurde der Vorstandssprecher der Dresdner Bank AG Jürgen Ponto ermordet. Das RAF-Mitglied Susanne Albrecht war mit dem Bankier persönlich bekannt und gelangte so mit Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar ohne Probleme in sein Wohnhaus.

Herbst 1977

Am 5. September 1977 wurde der deutsche Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer (1915–1977) in Köln entführt. Sein Chauffeur und drei Polizisten wurden erschossen. Die "Gefangenen in Stammheim" sollten freigepresst werden, Kanzler Helmut Schmidt blieb hart. Um den Druck zu erhöhen, entführte ein palästinensisches Terrorkommando am 13. Oktober 1977 die Lufthansa-Maschine Landshut. Es ermordete bei einer Zwischenlandung den Kapitän, schließlich landete die Maschine in Mogadischu (Somalia). In der Nacht zum 18. Oktober 1977 wurde das entführte Flugzeug durch die deutsche Spezialeinheit GSG 9, die nach dem Desaster von München gegründet worden war, gestürmt. Alle Geiseln konnten befreit werden. Die inhaftierten Terroristen erfuhren davon und begingen noch in derselben Nacht Suizid in ihren Zellen: Baader erschoss sich mit einer eingeschmuggelten Waffe, Ensslin erhängte sich an einem Kabel. Viele aus der zweiten Generation versuchten in den Nahen Osten zu entkommen, wie Brigitte Mohnhaupt, die im März 2007 nach 24 Jahren Haft entlassen wurde. Zehn sogenannte Aussteiger tauchten in der DDR unter und wurden erst nach der Wiedervereinigung vor Gericht gestellt.

Dritte Generation

Die Mitglieder der dritten Generation sind kaum bekannt, ihre Anführer waren Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld. Auf ihr Konto gehen zehn Morde, darunter der an Deutsche Bank-Chef Alfred Herrhausen (1989) und Treuhand-Chef Detlef Rohwedder (1991). Im Juni 2011 wurde Birgit Hogefeld als letztes RAF-Mitglied nach 18 Jahren aus der Haft entlassen. Die drei jetzt Gesuchten sind ein letzter Schatten der RAF.

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