Papst in Armenien: Franziskus bekräftigte "Völkermord"-Kritik

Auschwitz-Überlebende begrüßten Papst-Auftritt in Armenien.

Papst Franziskus hat mit einem mitfühlenden Gebet am Genozid-Mahnmal in Eriwan seine Verurteilung des "Völkermords" an den Armeniern im Ersten Weltkrieg untermauert. "Hier bete ich mit Schmerz in meinem Herzen, dass es niemals wieder solche Tragödien geben wird wie diese", schrieb Franziskus am Samstag in das Gästebuch der Gedenkstätte Zizernakaberd in der Südkaukasusrepublik Armenien.

Bei Sonnenschein legte er zwei Rosen in den Vatikanfarben gelb und weiß sowie einen Kranz nieder. "Möge Gott die Erinnerung des armenischen Volkes schützen. Erinnerung sollte nicht verwässert oder vergessen werden. Erinnerung ist die Quelle für Frieden und die Zukunft", schrieb der 79-Jährige einer englischen Mitteilung des armenischen Außenministeriums zufolge. Anschließend traf er die Nachfahren von Genozid-Überlebenden, die einst Papst Pius XI. als Waisenkinder in Rom aufgenommen hatte.

"Völkermord"

Zum Auftakt seiner Armenien-Reise hatte Franziskus am Freitag die Verfolgung der christlichen Minderheit der Armenier im Osmanischen Reich vor 101 Jahren als "Völkermord" verurteilt und damit seine Worte aus dem vergangenen Jahr bekräftigt. Den Begriff hatte er nachträglich in seine Rede eingefügt.

Franziskus riskierte nun neue Spannungen mit der Türkei. Als er 2015 vom "ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts" gesprochen hatte, zitierte die Türkei den Vatikan-Botschafter ins Außenministerium. Eine Reaktion aus Ankara lag zunächst nicht vor. Die Türkei lehnt das Wort Genozid vehement ab. Nach Schätzungen waren bei der Verfolgung durch die Osmanen bis zu 1,5 Millionen Armenier getötet worden.

Vatikan-Sprecher Federico Lombardi rechtfertigte in Eriwan die Wortwahl des katholischen Kirchenoberhauptes. "Der Papst spricht immer in der Perspektive von Frieden und Dialog", sagte er aber über einen möglichen Konflikt mit Ankara.

Präsident Sersch Sargsjan und Katholikos Karekin II., das Oberhaupt der Armenischen Kirche, begleiteten Franziskus zur Gedenkstätte. Ein Besuch des Mahnmals auf einem Hügel am Rande Eriwans ist üblich beim Empfang von Staatsgästen in der Südkaukasusrepublik.

Anschließend reiste Franziskus für eine Eucharistiefeier vor Tausenden Menschen nach Gjumri, die zweitgrößte Stadt Armeniens im Nordwesten des Landes nahe der türkischen Grenze. Katholikos Karekin verwies auf die Folgen der Massaker, die auch in Gjumri zu spüren seien. "Heute ist Gjumri als Zeuge des vor 100 Jahren begangenen Genozids mit geschlossenen Grenzen konfrontiert", sagte Karekin dem Außenministerium zufolge.

Papst in Armenien: Franziskus bekräftigte "Völkermord"-Kritik
Pope Francis greets the crowd from the popemobile after an open-air mass in Armenia's second-largest city of Gyumri on June 25, 2016. / AFP PHOTO / KAREN MINASYAN

Gedächtnis, Glaube und barmherzige Liebe

In seiner Predigt rief Franziskus die Menschen dazu auf, ihr Leben auf die drei wesentlichen Fundamente Gedächtnis, Glaube und barmherzige Liebe zu stellen. Als konkretes Beispiel führte er den Nationalheiligen Armeniens, Gregor von Narek an.

Papst Franziskus warnte die Katholiken in Armenien laut Kathpress vor zu starker Rückwärtsgewandtheit. Sie seien stets in der Gefahr, den Glauben auf etwas aus der Vergangenheit zu reduzieren, als sei er "ein schönes Buch mit Miniaturen, das in einem Museum aufbewahrt werden muss", sagte er am Samstag bei dem Gottesdienst in Gjumri. "Wenn aber der Glaube in die Archive der Geschichte eingeschlossen wird, verliert er seine verwandelnde Kraft, seine lebendige Schönheit und seine positive Offenheit allen gegenüber", so der Papst. Franziskus mahnte vor einigen zehntausend Katholiken zugleich ein stärkeres soziales Engagement an.

Am Abend war ein ökumenisches Friedensgebet vor Zehntausenden Menschen im festlich geschmückten Zentrum von Eriwan geplant. Franziskus bleibt noch bis diesen Sonntag in Armenien. Im Oktober wird Franziskus im muslimisch geprägten Aserbaidschan und anschließend in Georgien erwartet.

Auschwitz

Die Überlebenden des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz sehen im Armenienbesuch des Papstes Franziskus eine wichtige Geste zur Erinnerung an den historischen Völkermord. "Dieser Papst wirkt ganz stark gegen das Vergessen. Er richtet seine Blicke nicht nur auf das Elend der Flüchtlinge unserer Tage, sondern lenkt die Aufmerksamkeit der Welt auch hin zu jenen, die - wie wir und die Armenier - unter Völkermord und Hass leiden mussten", sagte Roman Kent, der Präsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, am Samstag in Warschau.

Gerade deshalb erwarteten jüdische und christliche Auschwitz-Überlebende den Besuch des Papstes in Auschwitz Ende Juli mit großer Freude, sagte Kent. "Es ist uns sehr wichtig, dass in Auschwitz und in Birkenau Juden und Christen gemeinsam mit dem Papst für die Flüchtlinge, für Frieden und gegen Fremdenhass und Antisemitismus unserer Zeit beten können, so wie wir es in unserer Einladung an den Papst erhofft haben."

Papst Franziskus wird das größte der einstigen nationalsozialistischen Vernichtungslager im Juli während des Weltjugendtags im nahe gelegenen Krakau besuchen. Während des Zweiten Weltkriegs wurden in Auschwitz-Birkenau mindestens 1,1 Millionen Menschen ermordet. Die meisten Opfer waren Juden.

Kommentare