Nach dem Beben: "Hier gibt es keine Zukunft mehr"

Auch in Pescara del Tronto sind die Zerstörungen enorm
Der KURIER berichtet aus der zerstörten Pasta-Stadt Amatrice.

"Gehen Sie weg hier, das ist gefährlich": Die Häuser sind nur noch Trümmerhaufen, doch Polizisten machen nachdrücklich auf die Einsturzgefahr aufmerksam. Seit dem Erdstoß der Stärke 6,2, der Mittelitalien am Mittwoch erschütterte, gab es bereits Hunderte Nachbeben – manche so stark, dass weitere Gebäude zusammenbrachen. Die italienische Regierung hat den Notstand ausgerufen und gab zugleich 50 Millionen Euro für die Unterstützung der Menschen frei, die vielfach alles verloren haben und vor den Ruinen ihrer Existenz stehen.

Über der bekannten Pasta-Stadt Amatrice liegt enorme Traurigkeit. Fast jeder hier hat Tote zu beklagen. Verzweifelte Menschen, die nicht wissen, was aus ihren Angehörigen geworden ist, irren herum. Immer wieder bebt die Erde. Die Einsatzkräfte riegeln Gebiete ab, damit nicht noch mehr Menschen den Erdstößen zum Opfer fallen.

Hotel eingestürzt

Unter den Toten sind viele Touristen aus Rom. Sie kamen, um einen erholsamen Urlaub in Amatrice zu verbringen und das Spaghetti-Fest zu besuchen. Dutzende von ihnen starben , als das historische Hotel Roma einstürzte: Amatrice liegt nur 106 Kilometer von Rom entfernt; der Ort ist ein populäres Urlaubsziel für die Bürger der italienischen Hauptstadt. Viele besitzen hier Ferienwohnungen. Besonders beliebt war aber auch das Hotel Roma mit seinem Spezialitäten-Restaurant.

Das 1897 errichtete Gebäude fiel bei dem Erdstoß der Stärke 6,2 wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Mehrere Touristen konnten sich selbst ins Freie retten, zwei Menschen wurden von Helfern geborgen. Wie viele Tote im Hotel Roma zu beklagen sind, war zunächst unklar – die Rettungskräfte suchen weiter verzweifelt nach Verschütteten.

Billige Bauweise

Restaurantbesitzer Angelo Bonanni hat das schwere Beben überlebt, doch sein Lokal "La Fattoria" ist ein Trümmerhaufen. "Hier gibt es keine Zukunft mehr", sagt er und spricht damit den meisten Bewohnern von Amatrice aus der Seele. Auch, wenn er den mangelden Bebenschutz aufgrund von billiger Bauweise beklagt.

Mindestens 241 Menschen sind bei dem schweren Erdbeben ums Leben gekommen. Doch dies ist nur eine vorläufige Angabe:"Wir befürchten eine schlimmere Bilanz als in L’Aquila", sagte Fabrizio Curcio, der Chef der Zivilschutzbehörde. Bei dem Erdbeben in L’Aquila waren am 6. April 2009 mehr als 300 Menschen gestorben.

Unter den Opfern des Bebens von Amatrice sind zahlreiche Kinder – viele Menschen, die in Rom leben und arbeiten, schickten ihre Kinder für die Ferien zu den Großeltern, die am Land leben.

In der völlig verwüsteten Gemeinde Pescara del Tronto gelang den Rettungskräften ein kleines Wunder: 16 Stunden nach dem Beben konnte ein 10-jähriges Mädchen lebend geborgen werden.

"Hunde hatten uns gemeldet, dass sich unter den Trümmern jemand befand, doch wir hörten keine Stimme. Wir haben aber trotzdem unermüdlich gesucht. Als wir das Kind lebend bergen konnten, war es für uns eine riesige Freude", berichtete der Feuerwehrsprecher Danilo Dionisi. Giorgia ist wohlauf; für ihre Schwester, die neben ihr im Bett gelegen war, kam jede Hilfe zu spät.

Mit jeder weiteren Stunde sinkt die Hoffnung, noch Überlebende unter den Trümmern zu finden. Doch die Einsatzkräfte arbeiten unermüdlich und mit unerschütterlicher Hoffnung weiter. Der Zivilschutz rief die Menschen dazu auf, nicht den Mut zu verlieren.

Hunderte Menschen fanden in Zeltlagern oder bei Gastfamilien in weniger betroffenen Nachbarorten ein Notlager. Von den Einsatzkräften werden sie mit Wasser, Nahrungsmitteln und Medikamenen versorgt.

Spenden erbeten: Österreichisches Rotes Kreuz: IBAN: AT57 2011 1400 1440 0144, "Katastrophenhilfe" https://spende.roteskreuz.at– Caritas: IBAN: AT92 6000 0000 0770 0004; BIC: OPSKATWW "Erdbeben Italien" www.caritas.at

Der mittelalterliche Ort Amatrice in der Region Latium ist bei den Italienern als Pasta-Hauptstadt und Gastronomie-Hochburg bekannt. Der 2660-Einwohner-Ort ist Namensgeber des im ganzen Land populären Nudelgerichtes „Spaghetti all’ Amatriciana“. Die Sauce dafür besteht aus Speck, Tomaten, Pecorino, Pfefferoni und Olivenöl. Ursprünglich war es das Essen der in der Region ansässigen Hirten.
Auf Schildern an der Stadteinfahrt prangt groß der Hinweis „Amatrice, Città degli Spaghetti“ – Amatrice, Stadt der Spaghetti. Immer am letzten Wochenende im August wird das Volksfest Sagra degli Spaghetti all’Amatriciana gefeiert, das Tausende Gourmets aus dem ganzen Land anlockt. Viele Erdbebenopfer waren eigens für dieses Fest angereist.
Das malerische Amatrice mit seinen bunten Hausfassaden, den zahlreichen Kirchen und den umliegenden Bergen und Schluchten wurde im Jahr 2015 in die Liste der schönsten Dörfer Italiens aufgenommen. Bekannt war der Ort auch für das gut erhaltene mittelalterliche Stadtzentrum und die Stadtmauern mit sechs Stadttoren aus dem 13. Jahrhundert. Die Glockentürme der Kirchen Sant’ Emidio und Sant’ Agostino stammen aus dem
14. Jahrhundert.

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