Mittelmeer: Zahlreiche Kinder auf Flüchtlingsbooten

Welle der Hilfsbereitschaft: Mehr als tausend Menschen wollen die kleine Favour adoptieren.

Im Zuge der Flüchtlingskrise erreichen immer öfter Kleinkinder ohne Eltern das italienische Festland. Nachdem am Mittwoch wie berichtet die erst neun Monate alte Favour alleine auf Lampedusa gelandet war, kam am Donnerstag ein fünfjähriger Bub ebenfalls unbegleitet auf der Insel an. Seine Angehörigen dürften ertrunken sein.

Favours Bild ging um die Welt. Die kleine Nigerianerin verlor auf der Überfahrt ihre Mutter: Die Frau kam durch einen Motorenbrand ums Leben. Seither klinget bei dem Arzt Pietro Bartolo auf der Insel Lampedusa, der das kleine Mädchen rettete, pausenlos das Telefon. Eine Solidaritätswelle hat das Land erfasst, mehr als tausend Menschen aus allen Regionen Italiens wollen Favour adoptieren. Auch Bartolo hat Favour bereits in sein Herz geschlossen. Er würde sie gerne bei sich aufnehmen: „Wenn sie einen neuen Papa braucht, dann bin ich da.“ Bartolo hat vor fünf Jahren einen 17-jährigen Tunesier adoptiert: „Er ist wie mein eigener Sohn.“

Hunderte Tote befürchtet

Bei dem jüngsten Flüchtlingsunglück vor der libyschen Küste dürften nach Augenzeugenberichten hundert Menschen ums Leben gekommen sein. Die italienische Marine war mit zwei Schiffen im Dauereinsatz und konnte 540 Flüchtlinge, darunter viele Frauen und Kinder, retten. „Die Marinesoldaten haben im letzten Moment Kleinkinder gerade noch an den Haaren erwischt und sie aus den Wellen gezogen. Nun sind sie mit Plüschtieren versorgt und es geht ihnen soweit gut“, berichtet Marine-Kommandant Francesco Iavazzo. Insgesamt fanden binnen 48 Stunden 23 Rettungseinsätze im Mittelmeer statt - dabei wurden rund 5000 Menschen gerettet. Nach der Schließung der Balkanroute weichen wieder mehr Flüchtlinge auf die lebensgefährliche Fluchtroute von Nordafrika über das Mittelmeer nach Süditalien aus. Seit Jahresbeginn haben 44.495 Flüchtlinge Italien erreicht – der Großteil davon stammt aus Ländern südlich der Sahara.

Bartolo, der seit 30 Jahren Migranten auf Lampedusa versorgt, kritisiert die EU- Flüchtlingspolitik scharf: "Weder Mauern noch Stacheldraht werden diese Leute aufhalten." So lange den Menschen nicht in ihren Heimatländern geholfen wird, „ist es unsere Pflicht zu helfen und sie aufzunehmen."

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