Hölle und Hoffnung: Südafrikas gefährlichstes Wohnhaus wandelt sich

Der Ponte City Tower galt lange als der höchste urbane Slum Südafrikas.

Der Ponte City Tower mitten im Stadtteil Hillbrow wirkt bedrohlich. Das 54-stöckige Hochhaus ist verschrien – als gefährlichste Gegend Johannesburgs. Der Ponte Tower ist innen hohl, ein 173 Meter hoher düsterer Innenhof. Über 14 Etagen soll sich der Müll, den die Menschen einfach aus dem Fenster warfen, zeitweise gestapelt haben. „Ponte war die Hölle“, sagt ein Bewohner.

Michael Luptak kannte den Ruf des Hochhauses, als er von einem Freund zu einer Einweihungsparty dorthin eingeladen wurde. Ponte, das ist lebensmüde. Das ist Gewalt, Drogen, Mord, Armut. Ponte, das ist Südafrikas gefährlichstes Hochhaus. „In den schlimmsten Zeiten konnte man sich hier alles auf einer Etage besorgen – ob LSD-Trip oder Blowjob.“ Und dann war da diese Party: 51. Stock, Ausblick über die ganze Stadt, große Wohnung. Luptak verliebte sich, zog kurz darauf als einer der wenigen Weißen eine Etage darüber ein.

Ponte, das war plötzlich ein Haus mitten im Wandel. Gebaut wurde das Hochhaus 1975 – für reiche Weiße während des Apartheidregimes Südafrikas. Hier gab es mehrstöckige Penthäuser, Luxus. Doch dann kam der Verfall – der Tower als Sinnbild für die Geschichte des Landes.

Hillbrow wurde in den 80er-Jahren zu einem „grauen Viertel“. Hier lebten nicht nur Weiße, es war eine multikulturelle Gegend – kosmopolitisch und offen. „Die Stadt ließ das Viertel daraufhin verfallen“, erzählt Luptak. Die Weißen zogen weg, Armut machte sich breit. Hillbrow wurde zu dem, was man heute in Südafrika damit verbindet. Die Mordrate ist in Südafrika schon allein etwa 40 Mal höher als in Europa – in Hillbrow ist alles noch viel schlimmer.

500 Apartments

In den späten 2000er-Jahren wurde wieder investiert – Ponte, das sollte ein besserer Ort werden. „Und das ist es heute – auch wenn viele immer noch Angst haben, hierherzukommen“, erzählt Luptak. Der Müll wurde entsorgt, die Wohnungen renoviert, es ging vorwärts. Knapp 500 Apartments gibt es nun, rund 2.500 Menschen leben im Haus.

Sicherheit hat ihren Preis

Doch wer in das Gebäude will, muss durch ein Drehkreuz. Das dreht sich nur, wenn der Scanner den Fingerabdruck erkennt. Den müssen alle Bewohner speichern lassen. Besucher geben ihren Ausweis beim Portier ab. Übernachtungsgäste? Nur mit Genehmigung. Wer seine Miete nicht zahlt, erklärt Luptak, dem wird sofort der Strom abgestellt. Sicherheit hat ihren Preis. Alles ist heute sauber, der Müll landet nicht mehr im Innenhof, sondern in Tonnen, die auf jeder Etage stehen. Es gibt einen kleinen Supermarkt im Haus, ein Internetcafe, einen Bäcker.

Luptak und sein Freund gründeten am Fuße des Turms eine kleine Firma, eine Art Gemeindezentrum. Es heißt „Dlala Nje“ und bietet Touren durchs Viertel an, ist ein Treffpunkt für Hausbewohner. Vor seinem Einzug in Ponte arbeitete der heute 31-Jährige bei einer großen Unternehmensberatung. „Und plötzlich habe ich lange Haare und lebe hier“, sagt er und lacht, als könne er es selbst nicht glauben.

Einer, der für Dlala Nje arbeitet, ist Francois Leya. Der 23-Jährige führt neugierige Touristen durchs Viertel. Nicht weit weg vom Ponte City Tower ist er aufgewachsen – den Turm immer vor Augen. „Meine Mutter hat mir gesagt: 'Wenn du nicht zur Schule gehst, dann wirst du dort landen'“, sagt er und grinst. Jetzt ist er tatsächlich hier gelandet – wenn auch zum Arbeiten. Einziehen will er dort aber nicht: „Die Regeln dort sind wie bei Mama zu Hause.“ Da ist er gerade erst ausgezogen.

Die ganze Gegend, das hat Leya beobachtet, habe sich verändert. Früher habe er sich nicht mit dem schönen Rucksack in die Schule getraut. „Den hätten sie mir sofort gestohlen.“ Heute sei das anders. „Die Leute passen aufeinander auf“, sagt Leya. Sie hätten verstanden, dass es keinen Sinn habe, sich gegenseitig fertig zu machen.

„Ort der Hoffnung“

Das ist wohl ein Grund. Doch die Gegend ist auch teurer geworden. Apartments in Ponte kosten je nach Größe im Monat zwischen rund 160 und 360 Euro, teilt die Kempston Group mit, der das Haus gehört. Das monatliche Durchschnittseinkommen in einem schwarzen Haushalt liegt laut Zensus aus dem Jahr 2011 bei rund 300 Euro. Bei Weißen ist es etwa sechs Mal höher. Es gibt lange Wartelisten für die Wohnungen. Ponte, das ist heute mindestens schwarze Mittelschicht. Einen „Ort der Hoffnung“ nennt es Leya.

Luptak ist vor kurzem ausgezogen – in einen gutbürgerlichen Vorort von Johannesburg. „Mit Hund und Freundin“, erzählt er und muss etwas lachen über die neue alte Spießigkeit. Wohnzimmer mit Panoramablick – das hat er hinter sich gelassen. Doch Ponte bleibt er treu, die Arbeit führt ihn täglich hier. „Das Haus repräsentiert die goldenen Jahre meines Lebens.“

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