Kairo vermutet Anschlag als Absturzursache

Ägyptisches Luftfahrtministeriums: Eher Anschlag als technischer Defekt. Im Meer vor Griechenland wurden Teile gesichtet.

Was wissen wir bisher?

  • 66 Personen befanden sich an Bord von MS804. Darunter sind keine Österreicher
  • Der Airbus A320 war auf dem Weg von Paris nach Kairo
  • Er verschwand vom Radar um 2:45 Uhr über dem Mittelmeer
  • Das vermisste Egypt-Air-Flugzeug ist der ägyptischen Luftfahrtbehörde zufolge abgestürzt
  • Es wird vermutet, dass der Airbus etwa 240 Kilometer von der Insel Karpathos entfernt abgestürzt ist
  • Als sie vom Radar verschwand, habe sie sich im ägyptischen Luftraum befunden
  • Die Maschine war seit dem Jahr 2003 im Einsatz
  • Behörden ermittlen wegen Ursachen in allen Richtungen. Auch ein Anschlag kann nicht augeschlossen werden
  • Rätselraten um Wrackfund

Ein ägyptisches Flugzeug mit 66 Menschen an Bord ist möglicherweise Ziel eines Terroranschlags geworden. Die EgyptAir-Maschine verschwand in der Nacht zu Donnerstag ohne Vorwarnung über dem Mittelmeer, im Laufe des Tages wurden dann offenbar an der mutmaßlichen Absturzstelle Rettungswesten und andere Überreste der Maschine entdeckt. Nach einer Bestätigung des Fundes hat die ägyptische Fluggesellschaft ihre eigenen Angaben korrigiert die Wrackteile stammen laut EgyptAir-Vizepräsidenten Ahmed Adel nicht vom vermissten Airbus A320.

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Ägyptens Regierung hält einen Anschlag für die wahrscheinlichste Ursache. Bestätigt ist dies aber nicht. Bei einer genauen Analyse des Vorfalls sei die Wahrscheinlichkeit eines "Terrorangriffs" höher als die eines technischen Versagens zu veranschlagen, sagte Ägyptens Luftfahrtminister Scherif Fathy in Kairo. Der französische Präsident Francois Hollande sagte, "keine Hypothese" werde ausgeschlossen. Außenminister Jean-Marc Ayrault warnte am Abend nach einem Treffen mit Hinterbliebenen in Paris vor Spekulationen: "Es sind zu viele nicht bestätigte Angaben im Umlauf."

Pilot hat "kein Problem erwähnt"

Die bekannt gewordenen Informationen über das Absturzgeschehen ließen die Anschlagstheorie plausibel erscheinen. Der Pilot setzte keinen Notruf ab, was auf einen plötzlichen Verlauf hindeutete. Die letzte Kommunikation mit dem Piloten gab es wenige Minuten vor dem Verschwinden des Flugzeugs. Dabei habe der Pilot "kein Problem erwähnt", teilt die griechische Flugaufsicht mit.

Nach einem zunächst störungsfreien Flug kam die Maschine dann heftig ins Trudeln: Erst schwenkte sie um 90 Grad nach links, kurz darauf um 360 Grad nach rechts. Zugleich sei der Airbus A320 von mehr als rund 11.000 Metern auf rund 4500 Meter abgesackt.

ISIS verübte schwere Anschläge

Als Flug MS804 dann um 03.29 Uhr Ortszeit (02.29 Uhr MESZ) vom Radar der griechischen Behörden verschwand, hielt sich die Maschine nach Angaben der griechischen Behörde für Zivilluftfahrt bereits im ägyptischen Luftraum auf.

Experten vermuteten einen plötzlichen Zwischenfall an Bord. "Ein technisches Problem wie ein Brand oder eine Motorenpanne führt normalerweise nicht sofort zu einem Unfall", sagte der Luftfahrtexperte Jean-Paul Troadec. In solchen Fällen hätte die Besatzung Zeit gehabt, zu reagieren und Alarm zu schlagen. Weil das nicht geschah, könne auch "an ein Attentat gedacht" werden.

Sowohl auf Frankreich als auch auf Ägypten verübte die Dschihadistenorganisation "Islamischer Staat" (IS) im vergangenen Jahr schwere Anschläge.

Kairo vermutet Anschlag als Absturzursache

Verwirrspiel um Trümmerteile

Am Abend bestätigten ägyptische Behörden, dass es sich bei Trümmerteilen im Mittelmeer an der vermuteten Absturzstelle um Überreste des vermissten Flugs handle. Gefunden worden seien unter anderem Rettungswesten und Plastikteile, teilte EgyptAir unter Berufung auf die zuständigen Ministerien in Kairo mit. Kurz darauf hat EgyptAir die eigenen Angaben korrigiert, bei den Wrackteilen handle es sich nicht um die des vermissten Flugzeuges.

Der Fundort wurde mit 380 Kilometer südöstlich von Kreta und 220 Kilometer südlich der Insel Karpathos angegeben. Schiffe der ägyptischen und griechischen Marine untersuchten das Absturzgebiet. Frankreich schickte drei Experten nach Kairo, um die Ermittlungen zu unterstützen.

Kairo vermutet Anschlag als Absturzursache
Egypt's Aviation Minister Sherif Fathy speaks during a press conference on May 19, 2016 at the Ministry of Civil Aviation at Cairo's airport after an EgyptAir flight from Paris to Cairo crashed into the Mediterranean sea with 66 people on board. The Airbus A320 fell 22,000 feet and swerved sharply twice in Egyptian airspace before it disappeared from radar screens, Greek Defence Minister Panos Kammenos told a news conference. Fathy said he could not rule out either terrorism or a technical problem. / AFP PHOTO / KHALED DESOUKI

Bereits Maschine abgestürzt

Nach Angaben der Flugmonitor-Website FlightRadar24 hatte die Maschine am Mittwoch Zwischenstationen in Eritrea, Ägypten und Tunesien eingelegt, bevor sie nach Paris flog. Bei der Maschine handelte es sich um eine A320 aus dem Jahr 2003. Der Airbus gilt als zuverlässig, und seine Technologie wurde im Laufe der Jahrzehnte stetig verbessert.

Vor mehr als einem halben Jahr war eine A321-Maschine kurz nach dem Start im ägyptischen Badeort Sharm el Sheikh auf dem Weg nach St. Petersburg abgestürzt. Alle 224 Insassen, zumeist russische Urlauber, starben damals.

März 2016: Ein Airbus der Gesellschaft Egyptair wird auf einem Inlandsflug von Alexandria nach Kairo entführt und landet auf dem Flughafen von Larnaka auf Zypern. Stunden später lässt der ägyptische Luftpirat alle Geiseln frei und gibt auf. Zyprische Regierungsvertreter schließen einen Terrorhintergrund aus. Das Tatmotiv des Entführers lag angeblich im privaten Bereich.

Oktober 2015: Ein russischer Airbus stürzt nach dem Start vom Badeort Scharm el Scheich über der Sinai-Halbinsel ab. Alle 224 Insassen kommen ums Leben. Eine ägyptische Untersuchungskommission erklärt im Dezember, sie sehe keine Hinweise auf einen Terrorakt. Russland geht jedoch weiterhin von einem Anschlag aus. Auch Regierungen im Westen erklären, ein Attentat sei wahrscheinlich. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bekennt sich zu einem Anschlag.

September 2014: Beim Absturz eines Militärtransporters nahe der Oase Al-Fajumin südöstlich von Kairo werden sechs Soldaten getötet. Als Ursache nennt ein Armeesprecher technische Defekte.

Jänner 2012: Sicherheitskräfte am Flughafen Kairo finden an Bord eines libyschen Flugzeuges eine Gasbombe. Der Sprengsatz wird entschärft. Wäre er explodiert, hätte es eine "Katastrophe" gegeben, sagt ein Flughafensprecher. Die Maschine war mit der Bombe im Handtuch-Fach der Bordtoilette von Tripolis nach Kairo geflogen.

Jänner 2004: Beim Absturz einer Boeing 737 der ägyptischen Gesellschaft Flash Airlines über dem Roten Meer vor Scharm el Scheich kommen alle 148 Insassen ums Leben, darunter 135 Urlauber aus Frankreich. Als Ursachen für das Unglück gelten eine technische Panne kurz nach dem Start und Sicherheitsmängel der Billig-Airline.

Oktober 1999: Vor der US-Ostküste wird eine Boeing 767 der Egyptair mit 217 Menschen an Bord vermisst. Radardaten ergeben, dass die Maschine aus 10.000 Metern auf halbe Höhe absackte, wieder auf 7.300 Meter stieg und schließlich in den Atlantik stürzte. US-Ermittler vermuten, dass der ägyptische Ersatzpilot die Maschine in Selbstmordabsicht abstürzen ließ. Niemand überlebt.

Egyptair ist die staatliche Fluggesellschaft Ägyptens. Die Airline ist seit 2008 Teil des internationalen Luftfahrtbündnis Star Alliance, zu dem auch die Lufthansa gehört. Die Gesellschaft betreibt eine Flotte von rund 80 Maschinen und fliegt vor allem mit modernen Flugzeugen der großen Hersteller Boeing und Airbus.

Das Durchschnittsalter der Flieger lag laut Egyptair zuletzt bei rund zehn Jahren. Damit liegt die Airline im üblichen Rahmen, bei der Lufthansa sind die Maschinen im Schnitt ein wenig älter, bei Emirates etwa deutlich jünger. Das häufigste Muster ist die Boeing 737 mit 20 Flugzeugen, gefolgt vom Airbus A320 mit 13 Maschinen.

Die Fluglinie wurde im Mai 1932 gegründet und war nach eigenen Angaben damit die erste Airline im Nahen Osten und in Afrika. In die Schlagzeilen geriet Egyptair Ende März, als ein Mann mit der Attrappe eines Sprengstoffgürtels einen Flieger nach Zypern entführte - die Tat hatte keinen terroristischen Hintergrund, niemand wurde verletzt.

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