Dürre in Äthiopien: 18 Millionen brauchen Hilfe

Versuche in Somaliland, Wasser zu sammeln
Klimaphänomen El Nino sorgte für schlimmste Dürre seit 30 Jahren. Caritas bittet um Hilfe. Landau: "Hunger ist kein Schicksal, Hunger ist ein Skandal"

Das ostafrikanische Land Äthiopien mit seinen rund 100 Millionen Einwohnern hat in diesem Sommer die schlimmste Dürre seit 30 Jahren erlebt. Weil es zwei Jahre sehr wenig oder fast gar nicht geregnet hat, sind im Vorjahr bis zu 100 Prozent der Ernte ausgefallen, mitverursacht durch das Klimaphänomen El Nino. 18 Millionen Menschen - fast ein Fünftel der Bevölkerung - brauchen Nahrungsmittelhilfe.

Auch 2016 ist die erste, kleine Regenzeit im April ausgefallen. Im Juni hat dann der Regen eingesetzt, die Bauern konnten ihre Felder bestellen. "Die Menschen stehen vor der paradoxen Situation, dass es zu grünen beginnt, aber sie nichts zu essen haben", sagte Caritas-Präsident Michael Landau bei einer Pressereise nach Äthiopien. "Hunger ist kein Schicksal, Hunger ist ein Skandal", so Landau.

Dürre in Äthiopien: 18 Millionen brauchen Hilfe
Landau: „Ich halte es für hochproblematisch, wenn Minderjährige in Großlagern  untergebracht sind.“

Hälfte der Kühe verendet

Im Dorf Muli Kebele in der Somali-Region sind 63 Prozent der Bevölkerung von der Dürre betroffen und unterernährt. In einem Ernährungszentrum wurden innerhalb von Monaten rund 200 unterernährte Kinder unter fünf Jahren und 500 Mütter behandelt. "Viele Kinder leiden zusätzlich auch an Durchfallerkrankungen und Malaria", sagt Abdi Ali Ismail, der medizinische Leiter des Zentrums. "Die Hälfte unserer Kühe ist durch die Dürre verendet", schilderte die 60-jährige Hawa, die mit ihrer einjährigen Enkeltochter Nemah gekommen ist. Hawa kann sich noch an die Dürre in den 1980er-Jahren, als bis zu eine Million Äthiopier verhungert sind, erinnern. "Damals starben die Kinder, heuer zumindest bisher das Vieh".

Dürre in Äthiopien: 18 Millionen brauchen Hilfe
Carcasses of goats are seen near Jidhi town of Awdal region, Somaliland April 10, 2016. Across the Horn of Africa, millions have been hit by the severe El Nino-related drought. In Somaliland and its neighbouring, also semi-autonomous, Puntland region, 1.7 million people are in need of aid, according to the United Nations. In Somaliland itself, the most affected areas include the northwest Awdal region bordering Ethiopia. REUTERS/Feisal Omar SEARCH "DROUGHT SURVIVAL" FOR THIS STORY. SEARCH "THE WIDER IMAGE" FOR ALL STORIES
Stationär aufgenommen wurde die neunmonatige Hegma mit ihrer Mutter. Das Mädchen hat lediglich 5,5 Kilogramm, neun wären in diesem Alter das Idealgewicht. Das Baby bekam ein spezielles, proteinhaltiges Nahrungsmittel namens Femix. Selbstständig sitzen konnte Hegma nicht, sie war zu schwach. "Ich bin froh, dass wir hier behandelt werden", sagte ihre Mutter.

Femix wird mit Hilfe der Caritas auch am Rande der Stadt Meki an unterernährte Kinder verteilt. 4,5 Kilogramm erhält jedes Kind im Monat bis Ende September. Mithilfe eines speziellen Maßbandes am Arm wird der Grad der Unterernährung an den Babys gemessen. Der zehn Monate alte Adisu lag im kritischen Bereich, er hat lediglich sechs Kilogramm, mehr als neun wären normal. Die Eltern des Buben sind Bauern, weil die Ernte vergangenes Jahr fast ganz ausfiel, mussten sie heuer zusätzlich als Tagelöhner arbeiten. Dann passte die siebenjährige Schwester Hana auf Adisu und seinen vierjährigen Bruder auf. "Weil ich arbeiten muss, kann ich ihn nicht oft genug stillen", schilderte die Mutter Sara. "Wenn wir in der Früh nicht für alle zu Essen haben, bekommen die Kinder etwas, und mein Mann und ich gehen hungrig arbeiten", erzählte Sara.

Lange angekündigt

Dank zahlreicher Programme, Investitionen und wirtschaftlicher Entwicklung konnte die Zahl der unterernährten Bevölkerung verringert werden. Doch auch in Jahren mit normaler Regenzeit sind heute noch immer ein Drittel der Äthiopier nicht ausreichend ernährt. Die jetzige Katastrophe hat sich lange angekündigt. "Es sind sicher zahlreiche Menschen aufgrund der Dürre und Hunger gestorben, aber es gibt keine offiziellen Zahlen dazu", betonte auch Michael Zündel von der Caritas Vorarlberg.

Die Regierung hat zu schwach und zu spät reagiert", sagte Christoph Schweifer, Auslandsgeneralsekretär der Caritas. "Die Spitze ist noch nicht erreicht", warnte er. Zu den 2,3 Millionen Euro, die die Caritas in reguläre Programme investiert, kommen heuer noch einmal eine Million Euro Nothilfe. Damit können 72.000 Menschen erreicht werden.

"475.000 Kinder sind derzeit akut schwer unterernährt, die Spitze ist noch nicht erreicht", sagte John Aylieff vom World Food Programme. Denn erst im Herbst kann wieder geerntet werden. Allerdings sei die Infrastruktur, um Betroffene zu erreichen, in den vergangenen Jahren bessergeworden. So gibt es im ganzen Land 2.000 Verteilpunkte für Nahrungsmittel, 2.400 für unterernährte Kinder. Zusätzlich zu acht Millionen Menschen, die in staatlichen Ernährungshilfsprogrammen sind, müssen wegen der Dürre 10,2 Millionen Menschen versorgt werden.

Dürre in Äthiopien: 18 Millionen brauchen Hilfe
A displaced woman and her children wait for assistance at Habaas town of Awdal region, Somaliland April 9, 2016. Across the Horn of Africa, millions have been hit by the severe El Nino-related drought. In Somaliland and its neighbouring, also semi-autonomous, Puntland region, 1.7 million people are in need of aid, according to the United Nations. In Somaliland itself, the most affected areas include the northwest Awdal region bordering Ethiopia. REUTERS/Feisal Omar SEARCH "DROUGHT SURVIVAL" FOR THIS STORY. SEARCH "THE WIDER IMAGE" FOR ALL STORIES
Immer wieder geht dem World Food Programme auch das Geld für einzelne Regionen aus. Im November 2015 war etwa für die Somali-Region kein Geld da, bis dann Schweden 17 Millionen Dollar (rund 15 Millionen Euro) überwies. Zur Nothilfe werden 1,52 Billionen Dollar benötigt. Das Geld soll von der internationalen Staatengemeinschaft kommen.

Äthiopien ist ein Schwerpunktland der heurigen Caritas-Hungerkampagne. Die Caritas hat bereits zahlreiche Nothilfeprogramme laufen. In Dugda, Zeway und Adamitulu werden beispielsweise fast 45.000 Menschen mit Nahrungsmitteln, Saatgut und Kleinvieh unterstützt. Tausende unterernährte Kinder bekamen spezielle Nahrungsmittelhilfe mit besonders proteinhaltiger Kost.

Service: Weitere Infos online unter www.caritas.at/hunger; Caritas-Spendenkonto: IBAN: AT92 6000 0000 0770 0004, Kennwort: Hungerhilfe

in gefährliches Klimaphänomen sorgt in vielen Regionen der Erde für extreme Wetterbedingungen. Weil seine Auswirkungen oft in der Weihnachtszeit bemerkt werden, wurde es El Nino getauft - spanisch für "das (Christ)kind". Das Phänomen taucht alle zwei bis sieben Jahre auf und bringt Dürreperioden mit schweren Ernteausfällen und Waldbrände sowie heftige Regenfälle mit Überflutungen.

Hervorgerufen wird das El-Nino-Phänomen durch die Veränderung von Wasser- und Luft-Strömungen in der Nähe des Äquators im und über dem Pazifik. Winde treiben feuchte Luft nicht wie sonst nach Australien und Südostasien, sondern vermehrt nach Osten in Richtung der amerikanische Westküste. Gleichzeitig wird kaltes Wasser aus der Südpolarregion verdrängt.

Die gegenwärtigen El-Nino-Auswirkungen gehören der US-Klimabehörden (NOAA) zufolge zu den stärksten bisher dokumentierten. Das Wetterphänomen bringt den Ländern am Ostpazifik und in Südamerika starken Regen, was oft zu Überschwemmungen führt. In Südostasien, aber auch in Mittelamerika, Südafrika und Ostaustralien häufen sich dadurch Dürren und Waldbrände. Im zentralen und östlichen Afrika sowie in weiten Teilen Südamerikas wird dagegen mit mehr Überschwemmungen gerechnet.

Nach Angaben der US-Klimabehörde ging einer der stärksten El Ninos der letzten Jahrzehnte Ende Juli endgültig vorbei. Das Wetterphänomen löste sich im Mai im Pazifik auf, der Ozean kehrte zu normalen Bedingungen zurück - nach rund einem Jahr weltweitem Wetterchaos. Es könnte aber bald das stürmische Wetterphänomen La Nina folgen.

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