Burkini willkommen: Ligurien ist die neue Côte d’Azur für Muslimas

Der Burkini schlägt in diesem Sommer hohe Wellen
Burkini-Verbote in Frankreich treiben viele arabische Touristen ins Nachbarland.

Ligurien boomt. Die norditalienische Küstenregion im Grenzgebiet zu Frankreich ist die neue Côte d’Azur für Muslimas: Wegen des Burkini-Verbots an einigen Stränden in französischen Ferienregionen weichen immer mehr Touristinnen aus arabischen Ländern nach Norditalien aus.

Dort ist nicht nur das Baden im Burkini gestattet; auch die Tatsache, dass die saudi-arabische Prinzessin Nouf Nint Abdullah al Saud in Ligurien ihren Urlaub verbrachte, zieht viele Muslimas in die Region. Der Badeort Alassio an der Riviera di Ponente, wo die Prinzessin drei Wochen lang mit ihrem Gefolge im Grand Hotel Ferien machte, ist besonders beliebt: "Wir sind hier, weil wir vom Besuch der Prinzessin gelesen haben", sagt eine der muslimischen Strandbesucherinnen in Alassio, während sie ein Selfie im Wasser knipst.

Doch auch in Sanremo sind immer mehr muslimische Touristen zu sehen, wie die Zeitung La Stampa berichtet.

Gastfreundschaft

"Angesichts der Burkini-Verbote in Frankreich müssen viele muslimische Familien in die Nachbarländer ausweichen", sagt Gianni Botto, Betreiber einer Badeanstalt in Alassio. "Und wenn sich eine arabische Prinzessin hier wohlgefühlt hat, gehen die Menschen davon aus, dass auch sie in Alassio Gastfreundschaft finden."

Enzo Canepa, der Bürgermeister der 11.000-Einwohner-Stadt, erklärt, er sei zwar gegen die Burka, die Vollverschleierung. Ein Burkini-Verbot werde es aber nicht geben: "Ich finde, dass man die Spannungen verringern sollte, und ein Verbot würde sie zwangsläufig steigern", sagt Canepa. Der Burkini ist ein Zweiteiler zum Baden, Hose und Oberteil bedecken Arme und Beine. Auch Kopf und Hals sind verhüllt, das Gesicht bleibt frei. Vollverschleierte Frauen dürfen seit Jahresbeginn in der Lombardei keine Krankenhäuser und Ämter mehr betreten.

Das Badedress für muslimische Frauen schlägt in diesem Sommer hohe Wellen. In französischen Badeorten wie Cannes und Nizza wurden Burkinis an den Stränden verboten. Auch andere Orte erließen angesichts der jüngsten islamistisch motivierten Terroranschläge ein Verbot.

"Toleranz" in Kanada

Kein Verständnis für Burkini-Verbote hat Kanadas Premierminister Justin Trudeau: Entsprechende Forderungen von Politikern aus der Provinz Québec wies er zurück. Kanada solle "über die Toleranz hinausgehen", sagte Trudeau.

Ausgerüstet mit schusssicherer Weste und Schlagstock umringen vier Polizisten eine in Nizza am Strand kniende Frau und zwingen sie dazu, ihre türkise Tunika auszuziehen (der KURIER berichtete). Die verstörenden Bilder von dem Vorfall verbreiten sich derzeit im Internet. Seit vergangener Woche ist es muslimischen Frauen verboten, in Nizza einen Burkini zu tragen. Ein solches Verbot gibt es bereits in 14 weiteren französischen Städten. Dadurch werden jene Frauen, die vor einem Anziehzwang geschützt werden sollen, nun mit einem Ausziehzwang bestraft.

Oder besser gesagt gedemütigt, denn die Frau trug streng genommen nicht einmal einen Burkini, sondern ein Kopftuch, Leggings und Tunika. Doch um den Eindruck entstehen zu lassen, man habe die Terror-Situation unter Kontrolle, scheint derzeit jedes Mittel recht. Diskutiert und beschlossen werden diese Maßnahmen vorwiegend von situationselastisch feministischen Männern, die unter dem Deckmantel von Frauenrechten ihre eigene politische Agenda verfolgen. Und diese lautet, die populistische Stimmung gegen den Islam für sich zu nutzen.

Das geht so weit, dass diese Männer neuerdings trotz Verschleierung zu wissen glauben, wie sich eine Frau unter eben dieser fühlt. Aufgrund dieser Annahmen wird dann sogar die Befürwortung von Verboten ausgesprochen. Erst vor wenigen Tagen sagte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder, dass er ein Verbot von Burka und Niqab im öffentlichen Raum für gerechtfertigt hält. Die Aussage stützte Schieder auf sein Gefühl, die Frauen würden sich darunter vor allem in der Gluthitze des Sommers, wenn der Mann in Badeschlapfen vorneweg marschiert, nicht sehr wohl fühlen.

Doch letztlich bestimmt nicht die Religion, sondern das Partriarchat über Frauen. Egal, ob man einer Frau nun vorschreibt sie solle etwas an- oder ausziehen: Sie darf nicht selbst entscheiden, was sie trägt. Anstatt dieses Recht aber zu verteidigen, verwenden Männer das Argument, dass Männer Frauen nicht vorschreiben sollen, was sie anziehen, um ihnen gleichzeitig vorzuschreiben, was sie ausziehen müssen. Damit wird wiederum nur die eigene Vorstellung davon verteidigt, wie sich Frauen zu verhalten oder kleiden haben.

(Elisabeth Mittendorfer)

Die Burkini-Verbote an zahlreichen französischen Stränden beschäftigen nun auch das Oberste Verwaltungsgericht des Landes. Der Staatsrat in Paris wird sich am Donnerstagnachmittag mit dem Verbot des muslimischen Ganzkörperbadeanzugs im Badeort Villeneuve-Loubet an der Cote d'Azur befassen.

Das Verwaltungsgericht von Nizza hatte einen Eilantrag gegen das Verbot am Montag zurückgewiesen. Die Organisation Liga der Menschenrechte ist deswegen vor den Staatsrat gezogen.

In diesem Sommer haben zahlreiche französische Urlaubsorte, darunter Cannes und Nizza, das Tragen des umstrittenen Ganzkörperbadeanzugs an ihren Stränden verboten. Der Burkini - eine Wortschöpfung aus Burka und Bikini - bedeckt den ganzen Körper und wird von muslimischen Frauen getragen, die beim Baden einer strengen Auslegung des Islam entsprechen wollen.

Als Begründung für die Burkini-Verbote führen die Bürgermeister an, wegen der nach den islamistischen Anschlägen angespannten Stimmung in Frankreich könne der Burkini zu Störungen der öffentlichen Ordnung führen. Kritiker verurteilen die Maßnahme als überzogen und islamfeindlich.

Das Verwaltungsgericht von Nizza sah das Burkini-Verbot als "notwendig, angemessen und verhältnismäßig" an. Von dem Staatsrat in Paris wird nun eine Grundsatzentscheidung erwartet. Am Donnerstag ist aber lediglich eine Anhörung angesetzt; die Entscheidung dürfte zu einem späteren Zeitpunkt fallen.

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