Unterlassungsklage gegen Stift Göttweig

Im Visier des Missbrauchsopfers: Das Benediktinerstift Göttweig.
Missbrauchsopfer wehrt sich gegen Aussagen, Kardinal Groer sei unschuldig gewesen.

Manchmal genügen wenige Worte, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. "Es hat keine Verurteilung Groërs stattgefunden. Ich kannte ihn persönlich und kann mir nicht vorstellen, dass an den Vorwürfen etwas dran ist." Diese im Dezember 2014 getroffene Aussage von Josef Bauer, Pfarrer in Hohenzell, Oberösterreich, sind jene zwei Sätze, die Michael Tfirst den Kragen platzen ließen.

Der 56-jährige Wiener ist anerkanntes Missbrauchsopfer von katholischen Geistlichen und versucht seit Jahrzehnten gegen das Vergessen und Verdrängen sexuellen Missbrauchs in kirchlichen Institutionen anzukämpfen.

Suizid-Versuch

Unterlassungsklage gegen Stift Göttweig
MIchael Tfrist. Göttweig, Klage, Missbrauch, Groer
Tfirst sieht sich selbst als Opfer des späteren Kardinals Hans Hermann Groër und will dessen Stammhaus, das Benediktinerstift Göttweig in Niederösterreich, nun verklagen. Er fordert von den Benediktinern 500.000 Euro Schmerzensgeld. "Groër hat mich mehrmals belästigt." Der Druck des mittlerweile verstorbenen Groër sei es auch gewesen, der Tfirst in den 1970er-Jahren, als er selbst Kandidat des Stifts Göttweig gewesen sei, zwei Mal zu Selbstmordversuchen getrieben habe.

Von anderen Geistlichen sei er mehrmals sexuell missbraucht worden. Die von der katholischen Kirche eingesetzte Opferschutz-Anwaltschaft hat ihn dafür bereits entschädigt. Auch der Staat hat die Verbrechen offiziell anerkannt. Vor rund zwei Jahren sprach das Bundessozialamt dem Wiener eine Verbrechensopfer-Pension zu.

Verfahrenshilfe

Derzeit hat Tfirst ein Ansuchen auf Verfahrenshilfe beim Landesgericht St. Pölten eingebracht, wie Gerichtssprecherin Andrea Humer bestätigt. Die Klage, die bald folgen soll, betrifft aber nicht den Missbrauch an sich. "Da hat man wegen Verjährung kaum Chancen", sagt Tfirst. Er klagt auf Unterlassung von Behauptungen seitens des Klerus, dass Groër keine Schuld nachgewiesen werden könne. "Die Unschuldslamm-Hochjubelei muss aufhören."

Seitens des Stiftes Göttweig will man derzeit keinen Kommentar dazu abgeben. "Wir hören von der Klage zum ersten Mal von Ihnen", sagt Prior Maximilian Krenn. Tfirst habe diesbezüglich zum Stift keinen Kontakt aufgenommen. "Daher kann ich derzeit keine Stellungnahme dazu abgeben", sagt Krenn.

Tfirst hingegen erklärt, er trage noch immer schwer an den einschlägigen Erfahrungen mit diversen Priestern und dem Kardinal. Zudem sei er "schwerst retraumatisiert". Vor allem die – auch von der offiziellen Kirche unterstützten – Pilgerschaften zu Groërs Grabmal in Maria Roggendorf, Niederösterreich, sind ihm ein Dorn im Auge.

Schweigeklausel

Enttäuscht zeigt sich Tfirst auch von Groërs Nachfolger, Kardinal Christoph Schönborn. Dessen Büro zahlte Tfirst im Jahr 2004 eine "Entschädigung" von 3700 Euro. Dafür musste er jedoch eine Schweigeklausel unterschreiben (siehe Faksimile). An die er sich freilich nicht hält.

Unterlassungsklage gegen Stift Göttweig

In der Erzdiözese Wien ist man über den Fall Tfirst gut informiert. Schönborn-Sprecher Michael Prüller: "Die Vorwürfe gegen Groër und Göttweig gab es damals, als wir die 3700 Euro zahlten, noch nicht." Das Geld sei aus "sozialen Gründen" an Tfirst bezahlt worden. Die Vorwürfe, die er seinerzeit gegen verschiedene Priester erhoben habe, seien für die Erzdiözese "nicht nachvollziehbar" gewesen. Prüller gesteht aber: "Seit dieser Zeit sind wir, was unsere Verantwortung gegenüber den Missbrauchsvorwürfen betrifft, sehr viel selbstkritischer geworden."

„Herr Tfirst ist ein engagierter Aktivist“, weiß auch Herwig Hösele, Sprecher der Opferschutz-Anwaltschaft. Diese, als Klasnic-Kommission bekannte Einrichtung, entschädigt seit 2010 Missbrauchsopfer der katholischen Kirche. Einer ihrer ersten Klienten war Michael Tfirst.

Seit dem Jahr 2010 sind es – nicht zuletzt durch mediale Berichterstattung – sehr viel mehr geworden. „In den nun knapp fünf Jahren seit die Unabhängige Opferschutz-Anwaltschaft besteht, sind 1566 Meldungen beraten, bearbeitet und entschieden worden, die den Bereich der katholischen Kirche betrafen“, sagt Hösele.

1422 Entscheidungen soll die Kommission der Opferschutz-Anwaltschaft mittlerweile getroffen haben. „Darunter 33 Ablehnungen, die anderen 1389 bestanden aus Zuerkennung von finanziellen Hilfeleistungen und Therapiestunden“, erklärt der Sprecher. Es wurden 18,2 Millionen Euro an finanziellen Hilfen und 47.000 Therapiestunden zuerkannt. „Eine Gesamtleistungen im Wert von rund 22,5 Millionen Euro.“ 140 weitere Meldungen konnten ohne Kommissionsbeschluss bearbeitet werden.

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