Winiwarter schreibt Österreichs Umwelt-Geschichte

Die Leiterin der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (IFF) an der Uni Klagenfurt, Verena Winiwarter, ist Österreichs "Wissenschafterin des Jahres 2013".
Ausgezeichnet.Verena Winiwarter ist die erste und bisher einzige Professorin für Umweltgeschichte.

Ich habe diese Auszeichnung – und als solche sehe ich sie – nicht erwartet,“ sagt Verena Winiwarter, frischgebackene Wissenschaftlerin des Jahres. Der Club der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten kürte Winiwarter, weil sie verschiedene Forschungsrichtungen verschränkt und es versteht, diese für Laien verständlich aufzubereiten. Kurz: Die Umwelthistorikerin Winiwarter erzählt Umwelt-Geschichten nicht nur inhaltlich korrekt, sondern auch so sprachgewaltig, dass sie andere Leute lesen wollen.

Ein weiter Weg für die ehemalige „Labormaus“ in der Umweltanalytik der TU Wien. Mit Nebenjobs, etwa beim Standard, finanzierte sie sich ein Studium der Geschichte, 2003 folgte die Habilitation in Humanökologie und – nach 26 Jahren, in denen sie sich mit einzelnen Forschungsprojekten über Wasser hielt – erfolgte ihre Berufung zur ersten und einzigen Professorin für Umweltgeschichte. Winiwarters Thema: das Verhältnis Mensch/Natur.

Jeder Eingriff in die Natur habe Folgen, auch wenn diese erst Jahre später sichtbar werden. Im Vorjahr rekonstruierte Winiwarter den Verlauf der Donau seit dem Jahr 1500. Sie konnte zeigen, „dass jede Regulierungsmaßnahme, die je an diesem Fluss gemacht wurde, neben den erwünschten auch unerwünschte Wirkungen gehabt hat“.

Sisyphus an der Donau

Zum Beispiel: Unterhalb des Kraftwerks Freudenau müsse täglich ein Güterwaggon voll Schotter in die Donau geschüttet werden, um die Eintiefung des Flussbetts zu bremsen. Die Bändigung des Stroms ist allerdings schon seit Jahrhunderten eine Sisyphus-Arbeit der Wiener. Jahrhundertelang wurde versucht, den sogenannten „Wiener Arm“ der Donau, den Vorläufer des Donaukanals, vor dem Versanden zu retten. Die Regulierungsbauten oberhalb der Stadt bei Nussdorf hielten allerdings selten länger als ein Jahr.

Nicht nur die Ausbeutung, auch die Anbetung der Natur ist ihre Sache nicht. Ihren Vorgänger als Wissenschaftler des Jahres, den Vegetationsökologen Georg Grabherr, stieß sie einst mit der Aussage vor den Kopf, die Naturschützer würden der Natur schaden. Winiwarters Erklärung für diesen „Frevel“: Wenn sich zu viele Forscher auf eine kleine, erhaltenswerte Rest-Fläche konzentrieren und den größten Teil des Landes ignorieren, sei das schädlich für die Natur. Winiwarter fordert einen umfassenden Schutz der Kulturlandschaft. „In den meisten Fällen sind heute bestehende Wälder zu früheren Zeiten schon ein- oder mehrmals gerodet gewesen, insbesondere im Mittelalter.“ Die letzten Hektar tatsächlich unberührten Fichtenwaldes liegen übrigens im südwestlichen Niederösterreich.

Alte Karten und besonders der Globus ihrer Großeltern ließen in der jungen Verena Winigartner die Erkenntnis reifen, dass auch die weit zurückliegende Vergangenheit eine dynamische Zeit gewesen ist. „Siedlungen wurden angelegt und wieder wüst, Flüsse veränderten ihren Lauf, Gletscher wurden größer und gingen wieder zurück.“

Die Auszeichnung „Wissenschafter des Jahres“ wird seit 1995 vergeben. Mit der Ehrung ist eine Einladung zu Vorträgen in die USA verbunden. Unter Winiwarters Vorgängern sind neben Grabherr die Archäologin Sabine Ladstätter (2011) und der Verhaltensforscher Kurt Kotrschal (2010).

Lesetipp: Hans-Rudolf Bork & Verena Winiwarter: Die Geschichte unserer Umwelt. Eine Weltreise in 60 Stationen. Preis: 41,10 €. Erscheinungstermin März 2014.

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