Illegale Fremdenführer erzählen Touristen Märchen

Margarita Andrievski, Fremdenführer, Tourismus,
Staatlich geprüfte Fremdenführer fordern mehr Kontrollen und härtere Strafen.

„Der Wiener Graben war früher ein Fluss. Dieser wurde im 16. Jahrhundert mit Steinen zugeschüttet und planiert“, erzählt der etwa 40-jährige Mann auf Russisch über die heute wichtige Geschäftsstraße. Um ihn herum scharen sich etwa 30 Touristen und hören ihm aufmerksam zu. Nur wenige Meter weiter steht vor der Pestsäule eine weitere große Gruppe russischer Touristen. „Hier sieht man König Leopold I.“, erzählt die Fremdenführerin ihren Zuhörern.

Moment mal. Leopold I. war König? Und stand am Graben nicht früher die Stadtmauer mit einem Graben davor, der bereits im 12. Jahrhundert zugeschüttet wurde?

Unwahrheiten

„Stimmt“, sagt Margarita Andrievski. Die 52-jährige gebürtige Ukrainerin ist staatlich geprüfte Fremdenführerin in Wien. „Aber solche Unwahrheiten kriegen die russischen Touristen oft erzählt, wenn sie im Rahmen ihrer Europareise mit einem Fremdenführer aus Tschechien oder Ungarn nach Wien kommen“, ärgert sich Andrievski.

Ihren Unmut verursacht aber nicht nur die mangelnde Ausbildung der ausländischen Kollegen. Es geht auch ums Geld. „Sie nehmen uns mittlerweile rund 50 Prozent des Geschäfts weg“, sagt Andrievski. „Dabei haben viele nicht mal eine Lizenz, um hier eine Führung machen zu dürfen.“

Wie viele illegale Guides momentan in Wien unterwegs sind, weiß man nicht genau. Aber Andrievski befürchtet, dass immer mehr illegale Fremdenführer in die Stadt kommen. „Weil hier viel zu wenig kontrolliert wird. Das spricht sich herum.“

Wenig Kontrollen

Solche Sorgen hört Christa Bauer, Präsidentin des Vereins der geprüften Wiener Fremdenführer, oft von ihren Kollegen. Sie erzählen auch von Streitereien vor den Augen der Touristen. „Wenn man diese Fremdenführer nach ihrer Lizenz fragt, reagieren sie oft aggressiv. Man muss teilweise um Leib und Leben fürchten“, sagt Bauer. „Meine Kollegen wurden schon verspottet, beschimpft und angespuckt.“ Sie fordert „mehr Kontrollen“ und „schärfere Konse­quenzen“ für die illegalen Kollegen.

Schwacher Trost

In der Wiener Wirtschaftskammer kennt man diese Forderung seit Langem. „Das ist ein Problem, das leider schwer lösbar ist“, sagt Klaus Vögl, Geschäftsführer der Fachgruppe Freizeit- und Sportbetriebe. Zwar werden immer wieder Schwerpunktkontrollen gemeinsam mit der Polizei und dem Marktamt durchgeführt, doch die Bilanz ist bescheiden: Bei 42 Schwerpunkt- und 40 eigenständigen Kontrollen des Marktamts wurden im Vorjahr insgesamt nur 18 Menschen angezeigt. Eine flächendeckende Kontrolle sei nicht möglich, sagt Vögl: „Denn ein Reiseleiter darf ja mit seiner Gruppe durch die Stadt gehen, er darf nur keine Erläuterungen abgeben. Wie soll man ihm aber beweisen, dass er das tut, wenn man seine Sprache nicht spricht?“

Die einzige Lösung des Problems ist für Vögl „die qualitative Abgrenzung unserer Fremdenführer von den illegalen“. Nachsatz: „Obwohl ich weiß, dass das ein schwacher Trost ist.“

Im Frühjahr plant er Gespräche mit dem Marktamt, der Polizei und der Magistratsabteilung für Gewerbe und Ernährungswesen. Es soll dabei um die Verbesserung der Kontrollen gehen.

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