OGH

Wer sportlich Rad fährt, braucht einen Helm

Wer mit einem Rennrad 35 km/h im Windschatten des Vordermanns fährt und ein Radldress trägt, ist laut OGH ein "sportlich ambitionierter" und kein "normaler" Radfahrer mehr
Nicht nur Kinder, auch erwachsene Rennradfahrer trifft laut Höchstgericht eine Helmpflicht

Fahrradfahren ist nicht gleich Fahrradfahren. Zu diesem Ergebnis ist nun auch der Oberste Gerichtshof (OGH) gekommen. Denn obwohl laut StVO (Straßenverkehrsordnung) nur Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr einen Helm tragen müssen, bejahten die Höchstrichter erstmals auch eine Helmpflicht für Erwachsene – und zwar dann, „wenn sie unter rennmäßigen Bedingungen Fahrrad fahren“ (2 Ob 99/14v). Tut ein sportlich-flotter Radfahrer das nicht und erleidet er bei einem Sturz Schädelverletzungen, die beim Tragen eines Helms vermeidbar gewesen wären, trifft ihn ein Mitverschulden.

So geschehen im Juni 2008 im Ortsgebiet von Attersee. Eine 85-jährige Fußgängerin wollte die B 151 noch rasch vor zwei Rennradfahrern überqueren, die von rechts mit zirka 35 km/h angeschossen kamen. Herr S. fuhr dabei im Windschatten seines Freundes H., beide trugen Raddressen, aber keiner einen Helm. Als H. sah, dass die betagte Dame auf die Fahrbahn steigt, legte er eine Vollbremsung hin – rechtzeitig für die Frau, aber zu schnell für seinen Freund.: S. fuhr auf das Rad seines Vordermanns auf und stürzte.

Schwerste Schädelverletzungen

S. erlitt dabei ein Schädel-Hirn-Trauma mit Bruch des linken Scheitelbeins, Blutungen innerhalb und außerhalb der harten Hirnhaut sowie Quetschungen des Hirngewebes. Auf der Intensivstation fing sich S. ferner eine Lungenentzündung und eine eitrige Nasennebenhöhlenentzündung ein. Doch nicht nur das: S. leidet seit dem Unfall auch an Epilepsie (auch wenn er seit 2009 anfallfrei ist) und neigt zu migräneartigem Kopfschmerz.

Die Gerichte stellten fest: Hätte S. einen Helm getragen, hätte er zwar eine Gehirnerschütterung erlitten, die schweren traumatischen Hirnverletzungen und deren Folgen wären aber ausgeblieben.

Die Vorinstanzen teilten das Verschulden 2:1 zu Lasten der beklagten Fußgängerin. Sie vertraten die Ansicht, dass das Nichttragen eines Fahrradhelms kein weiteres Mitverschulden des Klägers begründe.

Mitverschulden

Der Oberste Gerichtshof allerdings bejahte jetzt in Anlehnung an die zwischen "normalen“ und "sportlich ambitionierten“ Radfahrern unterscheidende Rechtsprechung deutscher Obergerichte eine Helmpflicht des "unter rennmäßigen Bedingungen fahrenden Klägers, der sich infolge Windschattenfahrens dem besonderen Risiko des Auffahrens auf das Fahrrad seines Vordermanns ausgesetzt hatte".

Er betonte, dass zum einen die Fahrweise dieser Gruppe von Radfahrern, bei der die Erzielung hoher Geschwindigkeiten im Vordergrund steht, naturgemäß ein gesteigertes Unfallrisiko und damit eine beträchtliche Steigerung der Eigengefährdung, insbesondere die Gefahr schwerer Kopfverletzungen, in sich birgt. Zum anderen stützten sich die Höchstrichter auf das Ergebnis einer Umfrage des Kuratoriums für Verkehrssicherheit aus dem Jahr 2006, wonach bereits 93 Prozent der Befragten das Tragen eines Helms bei Radsportlern als wichtig erkannt hatten. Für das Jahr 2008, in dem sich der Unfall ereignete, konnte daher schon von einem "allgemeinen Bewusstsein der beteiligten Kreise" in Österreich ausgegangen werden, dass der "Einsichtige und Vernünftige" wegen der erhöhten Eigengefährdung bei Fahrten unter rennmäßigen Bedingungen einen Radhelm trägt, befand der OGH.

Der Schadenersatzanspruch des Klägers wurde daher um 25 Prozent gekürzt.

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