Wenn Helfer zu Helden werden
Sie bitten ihre Chefs um unbezahlten Urlaub, verabschieden sich von den Familien und kontaktieren umgehend ihre Kommandanten. Schnell sammelt man mit dem Pkw noch Kameraden aus der Nachbarschaft ein, und ab geht‘s in den Einsatz. Ein Marschbefehl ist nicht notwendig, denn die Helfer wissen, dass Menschen, darunter oft auch Freunde und Verwandte, in Gefahr sind, vielleicht sogar in Lebensgefahr. Jede Sekunde zählt, jedes Paar Hände wird gebraucht. Ehrensache.Diese hilfsbereiten, engagierten Frauen und Männer der Freiwilligen Feuerwehren und der diversen Rettungsdienste bewahrten große Teile Österreichs – unterstützt von Polizei und Heer – vergangenen Woche vor einer noch größeren Katastrophe. Schlimm genug, was die Flut angerichtet hat, aber ohne der Entschlossenheit der Freiwilligen wäre das Schadensausmaß um ein Vielfaches höher gewesen.
„Die Leute haben bis zur Erschöpfung geschuftet. 17, 18 Stunden am Stück. Und das über Tage. Höchsten Respekt und riesigen Dank“, lässt der Leiter des Referates Zivil- und Katastrophenschutz im Innenministerium, Siegfried Jachs, ausrichten.
Laut Innenressort stemmten sich über 60.000 freiwillige Helfer gegen das Rekord-Hochwasser. Die Hauptlast mit über 50.000 Mann und etwa 750.000 Einsatzstunden schulterten dabei Österreichs Freiwillige Feuerwehren. Viele von ihnen schützten Häuser in Nachbarorten, während das Wasser ihre eigenen Keller flutete.
Robert Stocker, Chef des 2006 eingerichteten Einsatz- und Krisenkoordinationscenters (EKC) bringt die Situation auf den Punkt: „Ohne diese vielen Hände hätten die Dämme nicht gehalten.“ Österreichs Zivilschutz ankert bereits in der Monarchie. Galt es doch die hart erkämpfte Vereins- und Versammlungsfreiheit zu festigen. Also gründeten die Pioniere die ersten Freiwilligen Feuerwehren. Damals wie heute wurde bei den Festen heftig politisiert. Die Nationalsozialisten lösten diese Tradition auf. Als es galt das Trümmerfeld des Zweiten Weltkriegs zu beseitigen, erlebte die Institution eine Auferstehung. Heute helfen in 2250 Gemeinden 4500 Freiwillige Feuerwehren mit 250.000 aktiven Mitgliedern. Nicht nur bei Großschaden-Ereignissen das Rückgrat des heimischen Zivilschutzes.
„Diese gewachsene Struktur hilft im Ernstfall enorm. Denn man muss mit den Geräten auch umgehen können. Die Feuerwehren vermitteln ihren Leuten extrem viel technisches Wissen. Und in den Einheiten wird eine Hierarchie akzeptiert. Somit weiß jeder was zu tun ist. Wir dürfen uns weltweit bei den Freiwilligen Helfern zur Spitze zählen“, bestätigt Krisenmanager Stocker.
Gipfel für Helfer
Damit das auch so bleibt, ruft Innenministerin Johanna Mikl-Leitner Dienstag zum Ländergipfel. Arbeitgeber sollen während des Einsatzes den Helfern weiter Gehalt bezahlen. Dieses Geld wird aus dem Budget refundiert.
Das Hochwasser im Zeitraffer
Einen kurzfristigen Personal-Engpass hatten die Wiener Linien dieser Tage zu bewältigen: Rund hundert Mitarbeiter mit Wohnorten in Niederösterreich sind Mitglieder in freiwilligen nö. Feuerwehren und hatten um Dienstfreistellung angesucht, damit sie gegen das Hochwasser ankämpfen können – für einige Tage war das Füllen von Sandsäcken und Auspumpen von Kellern dringlicher, als das Lenken von U-Bahnen und Bussen.
Das war bei früheren Großeinsätzen kein Problem: Wie auch andere Betriebe im Einflussbereich der Stadt Wien hatten die Wiener Linien in Katastrophenfällen bisher großzügig Dienstfreistellungen für Feuerwehr-Mitglieder erteilt.
„Keine Freistellungen“
Diesmal war alles anders: „Derartige Einsätze sind auf Urlaubsbasis möglich, automatische Freistellungen gibt es keine“, sagt Freitagfrüh Answer Lang, Sprecher der Wiener Linien. Wer helfen will, darf das also, muss sich dafür aber Urlaub nehmen.
Als Begründung für den Paradigmenwechsel nannte Lang schlechte Erfahrungen, die man beim Hochwasser 2002 gemacht habe: „Damals hatten sich so viele Mitarbeiter freigenommen, dass wir Probleme hatten, den Betrieb aufrecht zu erhalten.“
Zudem gebe es auch in Wien leichtes Hochwasser. Dies sei zwar für die Wiener Linien kein großes Problem, erfordere aber erhöhten Personaleinsatz, sagt Lang: „Obwohl wir die Dringlichkeit kennen, können wir diesmal keine Freistellungen gewähren. Priorität hat die Aufrechterhaltung des Betriebs in Wien.“
Weisung
Eine Stunde später war alles anders: „Wir erkennen die betrieblichen Notwendigkeiten der Wiener Linien an. Trotzdem hat die Stadträtin soeben mit Wiener-Linien-Geschäftsführerin Alexandra Reinagl telefoniert und verfügt, eine Lösung für jene Kollegen zu finden, die im Hochwasser-Einsatz stehen“, sagt Brauners Sprecher Ferdinand Pay.
Kurz darauf hatten die Wiener Linien einen Kompromiss parat, „weil es unserem Eigentümer, der Stadt Wien, wichtig ist, eine Lösung zu finden“, erklärte Answer Lang. Mitarbeiter, die im Katastrophen-Einsatz stehen, werden dafür einen Tag dienstfrei gestellt.
Vorbildlich
Dass es anders geht, beweisen viele Firmen. Sie gewähren ihren Mitarbeitern auch ohne Druck von außen großzügige Freistellungen für Hochwasser-Einsätze: Bei der Asfinag etwa – bei der sich viele Mitarbeiter bei der Feuerwehr engagieren – ist es in derartigen Fällen üblich, Mitarbeitern zwei Tage Sonderurlaub zu gewähren. „Im aktuellen Fall haben wir das für jeden, der freiwillig im Hilfseinsatz tätig war, auf vier Tage erhöht. Schließlich geht es um eine gute Sache“, sagt Asfinag-Sprecherin Alexandra Vucsina-Valla.
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