Milliardenschaden durch Ladendiebe

(Symbolbild)
Jeder Haushalt zahlt jährlich 226 Euro "Strafsteuer" für Maßnahmen gegen Kriminelle.

Pro Haushalt sind 226 Euro pro Jahr de facto als "Strafsteuer" fällig – für Maßnahmen des Handels gegen den Ladendiebstahl. Denn die Unternehmer geben 1,25 Prozent ihres Umsatzes für Maßnahmen gegen Kriminelle aus. Dieses Geld ist natürlich im Verkaufspreis einkalkuliert. In Summe sind das rund 870 Millionen Euro pro Jahr, die so von den Käufern zusätzlich getragen werden müssen.

Wie viel tatsächlich gestohlen wird, darüber gibt es sehr unterschiedliche Angaben. Laut aktuellem Diebstahlbarometer von Center for Retail Research aus England "verschwindet" derzeit Ware im Wert von 700 Millionen Euro pro Jahr aus Österreichs Geschäften. "Das sind sehr schöne Zahlen, aber das sind die von der Revision der Geschäfte offiziell gemeldeten Quoten. Und wer würde es gerne zugeben, wenn ihm das halbe Haus davongetragen wurde", sagt Robert Spevak von der Vereinigung für Sicherheit im Handel (VSD). Er geht von weit höheren Werten aus.

Nicht nur "Kunden"

Milliardenschaden durch Ladendiebe
Ladendiebstahl
Inoffizielle Zahlen reichen zu Waren im Wert rund drei Milliarden Euro, die jedes Jahr aus den Geschäften auf diese Weise abhanden kommen. Wobei laut Diebstahlbarometer nur 70 Prozent klassischer Ladendiebstahl durch vermeintliche "Kunden" und organisierte Banden ist, je rund ein Zehntel entfällt auf Mitarbeiter mit langen Fingern, Lieferanten und sogenannte "interne Fehler" der betroffenen Firmen.

Auch die Polizei hat kaum aussagekräftige Zahlen, da sie nur beigezogen wird, wenn es tatsächlich Anzeigen gibt. Selbst die Kriminalstatistik gibt wenig Aufschluss.

Was am meisten gestohlen wird, liegt auf der Hand: "Möglichst klein und möglichst teuer", erklärt Spevak. Rasierklingen, Parfüms, neue Handys stehen derzeit ganz oben auf der Beliebtheitsskala der Kriminellen. So beliebt wie kurios: Überwachungsgeräte für den Schutz von Häusern und Autos haben ebenfalls einen größeren Schwund. In Supermärkten sind vor allem Batterien, Spirituosen und Käse beliebt bei den Dieben.

Weiterverkauf

Den meisten geht es ohnehin darum, die Ware möglichst rasch zu Geld zu machen. Auf Plattformen wie willhaben oder Shpock wir Beute laut Spevak angeboten. Dort finden Interessierte aktuell ein komplettes Set mit sechs Cremen einer französischen Nobelmarke um gerade einmal 25 Euro, sechs Markenparfüms sind um 18 Euro erhältlich. Das ist zumindest verdächtig.

Milliardenschaden durch Ladendiebe
"Die Handelsbetriebe reagieren auf den Schwund mit einer Reihe von Maßnahmen wie Schulungen für Unternehmer und Mitarbeiter, sicherheitstechnische Maßnahmen wie Alarmanlagen, Videoüberwachung, elektronische Artikelsicherung, Einsatz von Detektiven oder dem permanent erweiterten SMS-Infodienst in Zusammenarbeit mit der Polizei", erklärt Manfred Zöchbauer von der oberösterreichischen Wirtschaftskammer.

Das meiste wird in Europa jedenfalls in den Niederlanden, Finnland und Spanien gestohlen, am wenigsten in der Schweiz und in Norwegen. In Österreich gab es im Vorjahr sogar einen leichten Rückgang um sechs Prozent zu verzeichnen.

Gradmesser ist aber oft auch das Weihnachtsgeschäft. Eine "tote Saison" für Ladendiebstahl gibt es nur in den Sommermonaten. Besonders jetzt, wenn es dunkel ist und die Verkäufer nun abgelenkt sind, steigt die Bereitschaft, zuzugreifen und auf das Bezahlen zu "vergessen".

"Ich arbeite seit elf Jahren hier. Ich merke, wenn sich jemand verdächtig verhält", sagt Manfred Misch, Inhaber vom Mini Preis Markt in der Pilgramgasse in Wien-Margareten. Diebstahlsversuche gebe es immer wieder. Ein Lokalaugenschein am Montag bei ihm und einigen benachbarten Läden zeigt: Nicht nur Diebstahl ist ein Thema – ebenso sehr fürchten Geschäftsinhaber Einbrüche.

Milliardenschaden durch Ladendiebe
Pilgramgasse, Reportage, Ladendiebstahl, Torki Mahrous, Pizza Pilgram, Manfred Misch, Mini-Preismarkt
Er habe bereits verschiedene Tricks beobachtet, schildert Misch: "Vom Stümper bis zum Profi war alles dabei." Potenzielle Übeltäter würden immer wieder versuchen, ihn von der Kassa wegzulocken. "Erst kürzlich stellte mir jemand Fragen zu Produkten, die ich im hinteren Teil des Geschäfts lagere." Während er sich dort aufhielt, betraten weitere Personen das Geschäft – offenbar mit der Absicht, Geld oder Waren zu stehlen. Als sie jedoch die Schäferhündin des Inhabers erblickten, verließen sie flugs den Laden.

Gestohlen werde in Summe dennoch nicht allzu viel, sagt Misch: "Das passiert nur zwei, drei Mal im Jahr." Mehr Sorgen bereiten ihm Einbrüche: "Erst vorigen Donnerstag hat jemand versucht, die Tür aufzubrechen."

Auch sein Nachbar Torki Mahrous, Inhaber einer kleinen Pizza-Bude samt Lebensmittelladen, fürchtet Einbrecher mehr als Ladendiebe: In seinem vorigen Geschäft, einem Internet-Shop, stahlen Eindringlinge Computerbildschirme, Bargeld und Telefonwertkarten. Er habe nun eine Sicherheitstür einbauen lassen, denn: "Ich glaube, es wird in Zukunft eher mehr passieren", sagt Mahrous. "Es ist eine schwierige Zeit, viele Leute sind arbeitslos."

Pessimismus

Auch der Inhaber eines Bekleidungsgeschäfts, der anonym bleiben möchte, erlebte mehrere Einbrüche. Gestohlen werde ebenfalls hin und wieder: Kürzlich sei eine Frau mit einer Jacke aus dem Laden gerannt. Das Geschäft war voller Kunden, eine Verfolgung unmöglich. Auch er ist pessimistisch: Die Situation werde von Jahr zu Jahr schlechter, die Diebe würden dreister. Weniger Sorgen äußern Inhaber sehr kleiner Läden, die ihre Waren gut überblicken, etwa Marin Fraczek, der Sportnahrung verkauft: "In sechs Monaten wurde nur einmal ein Proteinriegel gestohlen." Ähnlich im Handy-shop "pilgraMobile": Seit drei Jahren sei nichts gestohlen worden, sagt der Inhaber.

Was die großen Konzerne wie Rewe oder Spar betrifft, so geben diese "aus Sicherheitsgründen", wie sie argumentieren, nur sehr spärlich Auskunft zu Ladendiebstählen. "Vor Weihnachten steigt ihre Zahl leicht an. Das war immer schon so", sagt Nicole Berkmann, Unternehmenssprecherin von Spar. Beliebt seien etwa Parfümeriewaren oder Batterien.

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