VfGH: Samenspende für lesbische Paare muss möglich sein

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Höchstrichter sehen keine Gründe für Diskriminierung. Gesetzgeber erhält Reparaturfrist bis Jahresende.

Für Christina Bauer (Name geändert) kommt die Nachricht zu spät. Dennoch freut sich die 40-Jährige über die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (Vfgh): Dessen Präsident Gerhart Holzinger stellte am Freitag klar, dass auch für lesbische Paare die künstliche Fortpflanzung durch eine Samenspende möglich – sprich legal – sein muss.

Bisher war sie es nicht. Deshalb wichen Christina Bauer und ihre Lebensgefährtin wie viele andere lesbische Paare mit ihrem Kinderwunsch in ein anderes Land aus. „Ich wollte nicht in die Illegalität gedrängt werden“, schildert die 40-Jährige. Die Wahl fiel auf eine finnische Klinik. Der Aufwand dafür war enorm: Paare unterliegen den dortigen Rechtsnormen, müssen sich diese übersetzen oder erklären lassen; die Formulare gehören übersetzt; und sollte es beim ersten Mal nicht klappen, ist ein weiterer Besuch nötig.
Heute ist Bauers Sohn sechs Jahre alt. „Zukünftig sind Frauen und Kinder immer auf der sicheren Seite“, sagt sie.

Der Verfassungsgerichtshof fand keinen Grund, weshalb die Samenspende für lesbische Lebensgemeinschaften verboten bleiben sollte. Für ein solches Verbot, das betroffene Frauen diskriminiert, lägen keine „besonders überzeugenden oder schwerwiegenden Gründe“ vor, wie sie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte voraussetzt.

Gleichgestellt Ethische oder moralische Bedenken sahen die Verfassungsrichter ebenfalls nichts: Die Samenspende ziehe nämlich eine natürliche Schwangerschaft oder Geburt nach sich. Auch den „Schutz der Familie“ ließen die Verfassungsrichter als Argument nicht gelten: Da lesbische Beziehungen in ihrem Rang verschiedengeschlechtlichen Partnerschaften gleichgestellt sind, können die Höchstrichter auch kein „Gefährdungspotenzial“ erkennen.

Das Verfahren strebten zwei Frauen sowie der Oberste Gerichtshof an. Der VfGH räumt dem Gesetzgeber nun eine Frist bis Jahresende ein, um die derzeitige Diskriminierung auf dem legistischen Weg zu beseitigen. Bis dahin gilt die alte Regelung – ausgenommen ist das Paar, das geklagt hatte.

Die Entscheidung bezieht sich explizit auf Frauen, die in einer Partnerschaft leben. Alleinstehende wurden von diesem Grundsatzentscheid nicht erfasst. Überdies lässt sich daraus nicht ableiten, dass homosexuelle Männer via Leihmutterschaft ihren Kinderwunsch erfüllen können. Präsident Holzinger rechnet damit, dass der VfGH schon bald über ein solches Begehren entscheiden werde.

Verfassungsgerichtshof

Erwartungsgemäß erfreut hat die Homosexuellen-Initiative (HOSI) Wien am Freitag auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) reagiert. Bei SPÖ und Grünen hält man den Spruch für richtungsweisend.

Für HOSI-Obfrau Cecile Balbous wird damit laut einer Aussendung eine langjährige Forderung erfüllt. Obmann Christian Högl ergänzte, es werde nun der "bisherige unsägliche Umstand beseitigt, dass österreichische Frauen zur Erfüllung ihres Kinderwunsches Samenbanken im benachbarten Ausland in Anspruch nehmen oder sich die 'Befruchtung' im Freundeskreis organisieren mussten".

Dass das Thema von der Politik nicht blockiert werden dürfe, betonte Peter Traschkowitsch, Bundes- und Wiener Landesvorsitzender der Sozialdemokratischen Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen-, Transgender-und Intersexuellen-Organisation (SoHo). Er hofft auf eine zeitnahe Erledigung seitens des Justizministeriums. Gleichzeitig sollte über die Möglichkeit der Sukzessiv- und Fremdkindadoption verhandelt werden.

Eine neuerliche Niederlage für die rot-schwarze Politik gegenüber Lesben, Schwulen und Transgender-Personen ortete Bundesrat Marco Schreuder, Bundessprecher der Grünen Andersrum. "Es ist dringend an der Zeit, mit Unterschieden, Bosheiten, Diskriminierungen und Ausschlüssen ein für alle Mal aufzuräumen", forderte er eine umfassende Gesetzesreparatur.

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