"Jedes Kuhdorf ist irgendwo smart"

"Jedes Kuhdorf ist irgendwo smart"
Die "Urban Future"-Konferenz in Graz diskutiert die Stadt von morgen - Programmchef Sutter erzählt, wieso das dringend nötig ist.

Graz ist schon seit langem „Smart City“, Wien ohnehin, Hartberg und Amstetten auch. Und daneben noch unzählige weitere österreichische und europäische Städte, die sich das Emblem „smart“ auf die Brust geheftet haben. Intelligent, kreativ und nachhaltig wollen sie alle sein, „g’scheit“ also, um es auf gut österreichisch zu sagen.

"Jedes Kuhdorf ist irgendwo smart"
sutter
Ob da nun aber Marketingsprech oder ernsthaftes Engagement dahintersteckt, lässt sich oft nur schwer erkennen. Zu inflationär wird dieser Titel mittlerweile gebraucht. „Jedes Kuhdorf ist irgendwo smart“, stellt Gerald Sutter fest, Programmchef der inGraz – einer Smart City – stattfindenden „Urban Future“-Konferenz. Diese Schwemme an propagierter Nachhaltigkeit ist auch einer der Gründe für die Veranstaltung, bei der am 18. und 19. November etwa 190 Vortragende und 700 Teilnehmer dabei sein werden. „Man muss hinter die Marketingaussagen blicken. Unser Ziel war nicht Leute einzuladen, die erzählen, wie toll sie, ihre Projekte und ihre Stadt sind. Sie sollen stattdessen sagen, was nicht funktioniert hat.“

Erfolgsgeschichte City-Maut

Denn dass „smart“ nicht gleichbedeutend mit gelungen zu sehen ist, beweisen viele verkorkste Nachhaltigkeits-Projekte, egal ob im Verkehrs-, Wohn- oder Energiebereich. Und die findet man weltweit, in Österreich ebenso wie in London, woher einer der bekanntesten Redner kommt: Ken Livingstone, ehemals Bürgermeister von London. Der 69-Jährige hat allerdings eine recht ansehnliche Erfolgsgeschichte im Gepäck.

Während seiner bis 2008 dauernden Amtszeit hatte Livingstone die Mammutaufgabe, den Verkehr in London in den Griff zu bekommen. Hat er für seine Ideen anfangs heftige Schelte kassiert, ist die City-Maut mittlerweile ein bestens etabliertes Modell. Der Labour-Politiker verbannte als erster Bürgermeister einer Großstadt alle Autofahrer, die keine Gebühr entrichten wollen, aus dem Zentrum. Mit Erfolg: Der Verkehr verringerte sich binnen sechs Monaten um bis zu 30 Prozent, die befürchteten Einbußen im Handel blieben aus. Und die „Congestion Charge“ wird mittlerweile weltweit in anderen Städten nachgeahmt.

"Jedes Kuhdorf ist irgendwo smart"
A congestion charge pay reminder sign is seen in London in this February 19, 2007 file photo. Fear of climate change and the need to find green alternatives to dirty coal, unpopular nuclear power and unreliable gas imports from Russia, are fuelling an embryonic movement in Europe to build "smart cities". To match feature ENERGY-CITIES/ REUTERS/Alessia Pierdomenico/Files (BRITAIN)

45 Jahre Fuzo-Diskussion

Weltweit? Nicht in Österreich, muss man hier hinzufügen. Denn in Graz etwa wurde ein ähnliches Modell recht lange und höchst emotional diskutiert, scheiterte jedoch am Widerstand der Wirtschaftstreibenden. Der Verkehr in der zweitgrößten Stadt Österreichs fließt weiterhin ungehindert durch das Zentrum. Das müsste nicht sein, wie das Beispiel Florenz zeigt: Matteo Renzi, mittlerweile zum Premier Italiens aufgestiegen, versprach im Wahlkampf um das Bürgermeisteramt, die Florentiner Innenstadt zur Fußgängerzone umzufunktionieren. Was er nach gewonnener Wahl auch umgehend tat. 45 Jahre übrigens, nachdem man das erste Mal darüber diskutiert hatte.

„In den Städten, wo etwas politisch gewollt wird, da funktionieren Nachhaltigkeitskonzepte auch“, sagt Gerhard Sutter. Anders ausgedrückt: Es fehlt den Verantwortlichen oft der Mut, vermeintlich unangenehme Projekte anzugehen. Davon können die Grünen in Wien – Stichwort Mariahilfer Straße – ein Lied singen. Die dortige Fußgängerzone behagt nach wie vor nicht allen, die Kritiker wollen nicht und nicht verstummen.

Autofreies Herz der Finanzwelt

Ähnliches wird vermutlich auch Victor Callister erzählen können, eine weiterer Vortragender der Konferenz. Seine derzeitige Aufgabe ist es, in der City of London zwei der befahrensten Straßen in Fußgängerzonen umzugestalten. Widerstand ist vorprogrammiert: 300.000 Pendler strömen täglich in das Herz der Londoner Finanzwelt, sie müssen nun, zumindest zum Teil, auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen - weil die Stadt es will. Und weil sie sich das etwas kosten lässt: 10 Millionen Pfund – 12,5 Millionen Euro – sind dafür veranschlagt.

„Es braucht Mut, so etwas zu tun“, sagt Sutter. Auch Mut, zu scheitern: „Es gibt so viele Möglichkeiten, etwas in den Sand zu setzen.“ Insgesamt 190 Vortragende sollen kommende Woche genau davon erzählen.

Informationen: www.urban-future.at, Tickets noch verfügbar und auf der Homepage zu bestellen.

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