Untersberg: 184 Leichen ohne einen Namen

Untersberg: 184 Leichen ohne einen Namen
DNA-Datenbank des Kriminalamts ist oft die einzige Chance, gefundene Leichen zu identifizieren.

Wanderer haben am 8. März ein Skelett auf dem Salzburger Untersberg entdeckt. War zunächst weder klar, um wen es sich bei dem Toten handelt, noch wie lange die Gebeine schon am Fundort gelegen haben, steht nun die Identität des Verstorbenen fest: "Es handelt sich um eine Person, die seit Ende 2012 vermisst wurde", erklärte ein Polizeisprecher am Freitag, der keine näheren Angaben zur Identität des Mannes machen wollten. "Die Angehörigen sind informiert worden."

Sie hätten wohl nie Gewissheit bekommen, gäbe es nicht seit 2004 ein Vermissten-DNA-Datenbank beim Bundeskriminalamt (BK). "Pro Jahr werden damit rund 50 Leichen identifiziert", sagt Franz Neuhuber von der Gerichtsmedizin Salzburg, der das Skelett vom Untersberg untersucht und die DNA-Proben gezogen hat. Das Material sei von hervorragender Qualität gewesen.

159 Vermisste

Derzeit ist in dem Datenpool das Gen-Profil von 159 Personen gespeichert, die in Österreich abgängig sind. "Hochrisiko-Vermisste" nennt Reinhard Schmid, Leiter des zentralen Erkennungsdienstes im Bundeskriminalamt (BK), diese Menschen. "Das sind Leute, bei denen wir aufgrund der Umstände davon ausgehen müssen, dass etwas passiert ist, sei es ein Suizid oder ein Verbrechen", erklärt der Kriminalist, warum nicht von jedem Abgängigen ein DNA-Profil angelegt wird. Die Datenbank hilft auch immer wieder, spektakuläre Fälle zu klären (siehe rechts).

Gibt es einen begründeten Verdacht, wird die DNA von Vermissten sichergestellt. "Das kann von Gegenständen wie etwa einer Zahnbürste oder einem Rasierer des Betreffenden sein", erklärt Forensiker Neuhuber. Zum Abgleich wird auch die DNA von Verwandten erfasst.

EU-weiter Datenpool

Doch die Vermissten-DNA-Datenbank hat auch eine zweite Seite. In ihr sind derzeit die Profile von 184 Leichen erfasst, die in Österreich gefunden wurden und von denen man bis heute nicht weiß, wer sie sind. Warum diese Menschen scheinbar niemandem abgehen, kann Schmid nicht erklären. "Die Profile werden aber auch in einen EU-weiten Datenverbund eingespeist", erklärt der Beamte.

Bei den unbekannten Toten handelt es sich aber nicht nur um Menschen, die seit der Gründung der DNA-Datenbank gefunden wurden. "Wir sind auch bemüht, Altfälle aufzunehmen", sagt Schmid. Dahinter steht die Hoffnung, Unbekannten vielleicht nach Jahrzehnten doch noch irgendwann einen Namen geben zu können.

Den hat im Jänner auch ein Salzburger bekommen, dessen Überreste im Herbst 2014 ebenfalls auf dem Untersberg gefunden wurden. Dazu musste aber erst die DNA von möglichen Verwandten genommen werden. Denn der Mann war bereits seit 1929 abgängig. Da konnte man von "Kommissar DNA" noch nicht einmal träumen.

Das Gen-Material von Vermissten ist eine Waffe der PolizeiAuf einem Acker in der Slowakei entdeckten Polizisten im Dezember 2010 Teile einer verbrannten Leiche. Wenige Tage später war nach DNA-Untersuchungen klar, dass es sich um die sterblichen Überreste von Anita K. aus dem Waldviertel handelt. Ihr DNA-Profil war in die österreichische Vermisstendatenbank eingespeist worden, nachdem die 23-Jährige drei Monate zuvor spurlos verschwunden war.

Verbrannte Leiche

„Ohne die Datenbank hätten wir bis heute einen ungeklärten Fall und die Kollegen in der Slowakei eine unbekannte Leiche“, ist Reinhard Schmid, Leiter des zentralen Erkennungsdienstes im Bundeskriminalamt (BK), überzeugt. Als Mörder gilt der 54-jährige „Ziehvater“ von Anita K. Er befand sich bereits in U-Haft als die Identität der jungen Frau geklärt wurde und hatte sich dort erhängt. Der Niederösterreicher soll die junge Frau in seinem Haus in Eggern ermordet und die Leiche zerstückelt haben. Ihre Überreste wurden verbrannt und begraben.
Ebenfalls auf einem Acker in der Slowakei wurden 2010 die verkohlten Überreste von Shqiponje Flora A. entdeckt. Die 28-jährige zweifache Mutter soll bei lebendigem Leib verbrannt worden sein. Die Klärung der Identität ist wieder der Vermissten-DNA-Datenbank zu verdanken.
Gänzlich gelöst werden konnte der Fall trotzdem nie. Zunächst wurde der Freund der Frau wegen Mordes angeklagt, aber dann noch während des Prozesses enthaftet, da sich die Verdachtslage als zu dürftig herausstellte. Der Mann wurde letztlich freigesprochen.

Schwacher Trost

Die DNA-Datenbank hat aber zumindest den Angehörigen die Gewissheit verschafft, was mit Flora A. geschehen ist. Mit Gen-Material alleine, lässt sich aber eben doch nicht jeder Fall klären.

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