Land der Rocker zukunftsreich

Land der Rocker zukunftsreich
Alle großen Motorradclubs sind mittlerweile in Österreich aktiv.

Im vergangenen Sommer gab es in Wien-Margareten ein Treffen honoriger Rockerbosse. Muskelbepackte und tätowierte Führungsmitglieder der deutschen United Tribuns und der österreichischen Hells Angels trafen einander zum Kennenlernen.

Man war sich sympathisch. Die Tribuns hatten die Rocker-Etiquette eingehalten und einen Antrittsbesuch bei den Höllenengeln gemacht. Die Folge ist, dass seither mehrere Filialen (Charter) der Tribuns eröffnet wurden. Denn wer als Rocker in Österreich seinen Frieden haben will, sollte sich mit den Höllenengeln arrangieren. Die alteingesessenen Clubs haben dies ebenso getan wie verschiedenste kleinere (teilweise 2014 neu gegründete) Supporterclubs in Wien oder Graz. Mit den vor allem im Musikgeschäft engagierten Outsiders gibt es seit den 70er-Jahren ein friktionsfreies Verhältnis. Insgesamt dürfte die Zahl der Rocker nun erstmals vierstellig sein.

Doch vor allem das Eindringen verfeindeter MCs (Motorradclubs) wie den Bandidos oder den Satudarah sieht die Polizei mit Sorge. In Salzburg ist etwa mit der "Legion Torro" ein Ableger der Bandidos aktiv, wenn derzeit auch etwas mehr im Untergrund. Sie werden stark unterstützt von italienischen Bandidos. Satudarah, die auch einmal als Begrüßung eine Handgranate bei anderen Clubs ablegen, sollen vor allem in Wien und Salzburg Aktivitäten setzen, heißt es. Im letzten Sicherheitsbericht wurde bereits gewarnt.

Polizeistrategie

Während die deutsche Polizei auf medienwirksame Aktionen und Kuttenverbote setzt, die nicht immer Erfolge bringen, arbeiten die heimischen Beamten eher im Hintergrund, scheinen aber dennoch einen sehr guten Überblick über die Szene zu haben. Die kriminelle Energie wird bei den verschiedenen Motorradclubs sehr unterschiedlich eingeschätzt, auch die einzelnen "Filialen" agieren sehr unterschiedlich.

Legales und Illegales

Die Tätigkeitsbereiche der Rocker sind im legalen Bereich Tätowierstudios, Kampfsport, vereinzelt Züchtung von großen Hunden oder auch Rotlichtbetriebe. Die United Tribuns etwa sollen bei einschlägigen Lokalen in NÖ, OÖ und der Steiermark aktiv sein, ein österreichischer Hells Angel ist Sicherheitsverantwortlicher in einem deutschen Nobel-Puff. Von diesen Aktivitätsfeldern der Halbwelt ist es oft ein Katzensprung zur Kriminalität. So wurde 2012 ein hochrangiges Mitglied der Hells Angels in Tirol mit 2,5 Kilo Kokain erwischt. Das Bundeskriminalamt stuft die Höllenengel als "kriminelle Organisation" ein, sie selber wollen das nicht kommentieren.

Einen Rockerkrieg wie zuletzt in Deutschland gibt es in Österreich vorerst nicht. Es blieb bisher bei Scharmützeln zwischen den Gruppierungen. Im Oktober wurde das Geschäftslokal im Umfeld der Bandidos in Salzburg demoliert. Wer dahintersteckt, ist unklar. Die Polizei gibt sich wortkarg.

Land der Rocker zukunftsreich

Die Zahl der Rocker in Europa steigt weiterhin explosionsartig. Bei praktisch allen Gruppierungen geht es derzeit vor allem darum, wie schnell das Wachstum möglich ist. Selbst in Rockerkreisen folgt man diesen Entwicklungen mit Skepsis. In Europa dürfte es mittlerweile fast doppelt so viele Filialen (Charters oder Chapters genannt) geben wie in ganz Nordamerika. Europol sieht bereits die innere Sicherheit bedroht, der bayerische Verfassungsschutz stufte diese Gruppierungen zuletzt als die drittgrößte Gefahr nach Salafisten und Neonazis ein. Die Vorwürfe gegen die Motorradclubs reichen von Waffen- über Drogen- bis hin zu Menschenhandel.

Richtungsstreit

Durch die rasante Expansion entstehen Spannungen zwischen der alten Garde, die sich zumindest an gewisse Regeln hält, und den jungen Wilden. Diese sind vor allem Migranten, oft aus der Kampfsportszene. Zuletzt rückte vor allem das Mixed-Martial-Arts (MMA) als Rekrutierungsbasis etwa für die österreichische Legion Torro oder die United Tribuns in den Mittelpunkt. Die jungen Migranten gehen meist brutaler vor und bei ihnen stehen Familie und Landsmänner fast immer über den Rockerbrüdern – was die alte Garde nicht gerne sieht. Das Motorrad rückt in den Hintergrund, bei einigen Rockergruppierungen in Europa ist ein Zweirad gar nicht mehr Pflicht für eine Mitgliedschaft. Das betrifft etwa die United Tribuns oder die Black Jackets.

Hells Angels

Symptomatisch für den Richtungsstreit ist die seit Monaten (auch mit Waffen) geführte Auseinandersetzung innerhalb der deutschen Hells Angels, die – gemeinsam mit den skandinavischen Chartern – die Führungsrolle in Europa inne haben. Walter B. alias „Schnitzel-Walter“ steht für die alte Garde. Der nach einer Haftstrafe von Deutschland in die Türkei abgeschobene Necati „Neco“ A. für die jungen Wilden. Er soll etwa einen Mord an einem gegen ihn ermittelnden Staatsanwalt in Auftrag gegeben haben. Laut Bild soll sich Letzterer nun in dem Machtkampf durchgesetzt haben und de facto die europaweite Chefrolle des in Mallorca inhaftierten Frank Hanebuth übernommen haben. Es gab zuvor aber auch Berichte, dass A. von den Hells Angels hinausgeworfen wurde.

Für Österreich hat dies insofern Bedeutung, dass A. als Vater der Aussöhnung zwischen den einst verfeindeten Hells Angels und United Tribuns gilt – also den beiden vermutlich in der Zukunft wichtigsten Gruppierungen in der Alpenrepublik.

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