Das Messer lag nur unter dem Polster

Frauenbeauftragte Schmidt findet klare Worte: "Warum soll es erlaubt sein, jemanden unerwünscht zu berühren?
Ein "Nein" soll reichen, um Vergewaltigungstäter zu verurteilen. In der Praxis wird das schwierig.

Eine Frau in Niederösterreich wird vergewaltigt. Sie wehrt sich nicht. Sie weint. Vor Gericht erklärt der Täter, ihm sei klar gewesen, dass die Frau das nicht wollte, sie hätte ja die ganze Zeit "geplärrt". Doch der Richter spricht ihn frei. Der Täter habe keine Gewalt angewendet und die Frau auch nicht bedroht.

Eine Ehefrau wird häufig geschlagen. Die Beziehung ist von Gewalt geprägt. Unter dem Kopfpolster hat der Mann immer ein Messer liegen. Als das Paar ins Bett geht, vergeht sich der Ehemann an seiner Frau. Das Verfahren gegen ihn wird eingestellt. Denn er hat das Messer nicht benutzt.

Schwieriger Beweis

Das Messer lag nur unter dem Polster
Sujet Vergewaltigung
Es sind Fälle wie diese, die künftig auch bestraft werden sollen. Das Sexualstrafrecht wird umgekrempelt. Bisher musste der Täter Gewalt anwenden, drohen oder das Opfer einsperren, um bestraft zu werden. "Ein Nein muss genügen", verkündete Justizminister Wolfgang Brandstetter – und schloss sich einer Online-Abstimmung von Opfer- und Frauenschutz-Einrichtungen an.
Das Messer lag nur unter dem Polster
APA3724813-2 - 07032011 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT II - Der Senatsvorsitzende Helmut Fuchs während einer Pressekonferenz der Universität Wien am Montag, 7. März 2010, in Wien. APA-FOTO: ROBERT JAEGER
Doch noch spießt es sich an der Formulierung des Gesetzestextes. Denn die Passage "ohne deren Einverständnis" sei nicht exakt genug. "Das bloß negative Deliktsmerkmal genügt nicht. Das mangelnde Einverständnis muss auch zum Ausdruck kommen", sagt Helmut Fuchs, Professor des Instituts für Strafrecht der Uni Wien. "Auch die Beweisbarkeit wird ein Problem. Erst bei einem Nein oder wenn die Umstände so sind, dass das Nein klar ist, ist die Beweisbarkeit kein Problem mehr."

Er hat einen Vergleich parat: "Ein Arzt darf den Patienten ohne Einverständnis nicht behandeln. Aber bei Sexualkontakten macht man sich damit ja lächerlich. Das sind ja keine Situationen, in denen man ausdrücklich nach dem Einverständnis fragt." Sein Vorschlag: "Die Formulierung ,gegen den Willen‘ wäre treffender."

Die Diskussion kann Alexandra Schmidt, Frauenbeauftragte der Stadt Salzburg, nicht nachvollziehen. "Gehen wir doch einmal davon aus, dass Frauen so etwas nicht erfinden. Sie müssen sich bloßstellen, ihre ganze Kraft zusammennehmen, um das anzuzeigen." Dass die Angst vor Verleumdung der Männer so groß sei, kann sie nicht verstehen. "Aber es gibt Tausende Betroffene, die das erleben und keine Chance haben, dass ein Täter verurteilt wird. Wer hat Interesse daran, dass solche Dinge passieren dürfen?"

Das Messer lag nur unter dem Polster
ABD0037_20150220 - WIEN - ÖSTERREICH: Präsident des Wiener Jugendgerichts Udo Jesionek anl. des Symposiums von (BMI) und Weisser Ring "Tag der Kriminalitätsopfer 2015" am Freitag, 20. Februar 2015, in Wien. - FOTO: APA/HERBERT PFARRHOFER
So klar sieht Udo Jesionek, Präsident der Verbrechensopfer-Hilfeorganisation Weißer Ring, die Sache nicht. "Es gibt tatsächlich auch Fälle nach Trennungen, wenn plötzlich die Frau derartige Behauptungen aufstellt – auf Rat des Anwalts." Nachsatz: "Die Gesetzesänderung ist in Ordnung. Aber der Richter wird es schwer haben."

Bisher würden manche Vorfälle von Opfern gar nicht erst angezeigt – im Wissen, dass der Übergriff nicht zu einer Verurteilung führen wird. "Wir hören sehr oft: Ich hab’s über mich ergehen lassen", schildert Renate Hojas vom Gewaltschutzzentrum Salzburg. Was die Gesetzesänderung bringen wird: "Die Zahl der Verurteilungen wird steigen", ist sie überzeugt. "Nicht unbedingt die Zahl der Anzeigen."

Im Justizministerium jedenfalls will man mit dem eigens eingeführten Tatbestand "Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung" ernst machen. Der Strafrahmen soll laut Justizminister Brandstetter zwischen sexueller Belästigung (bis zu sechs Monate Haft) und geschlechtlicher Nötigung (sechs Monate bis fünf Jahre Haft) angesiedelt werden.

Heikle Umarmung

Doch das ist nicht die einzige Reform im Sexualstrafrecht: Für Diskussionen sorgt im Vorfeld auch die Verschärfung bei der sexuellen Belästigung. Das muss künftig kein Klaps auf den Hintern oder ein Griff auf die Brust sein. Das könnte dann schon bei einer Umarmung oder der Hand auf der Schulter beginnen. "Das soll ohne Zustimmung sicher nicht sein, aber beides sind beides keine Fälle für einen Strafrichter", urteilt Strafrechtler Fuchs scharf. Und auch Opferschützer Jesionek ist zurückhaltend. "Wenn jemand einer Frau beim Heurigen auf die Schulter klopft, anlassig ist und zu landen versucht – man kann nicht alles kriminalisieren. "

Frauenbeauftragte Schmidt findet da klare Worte: "Warum soll es erlaubt sein, jemanden unerwünscht zu berühren? Das ist ein Eingrifft in die körperliche Integrität. Und es ist wichtig, dass das Strafrecht die Voraussetzung dafür schafft." Jede dritte bis fünfte Frau habe schließlich schon derartige – unerwünschte – Erfahrungen gemacht. "Ein Urteil muss ohnehin der Richter treffen."

Das Messer lag nur unter dem Polster

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