Schmiergeld-Affäre führt zu Monsterverfahren

98 Angeklagte, ein Prozess: Das Gericht musste eine Halle mieten.
98 Angeklagte wegen Amtsmissbrauchs, für den Prozess musste eine Halle gemietet werden.

Sessel mit Namensschildern, Kabinen für die Simultanübersetzer und Aktenordner, die nebeneinander gelegt gut 15 Meter lang sind. In Graz startet Montag ein Prozess an einem ungewöhnlichen Ort: Halle D auf dem Areal rund um die Stadthalle, dort, wo zu Messezeiten Waren feilgeboten werden.

Die Justiz musste dieses Arrangement treffen, weil kein Saal des Straflandesgerichts groß genug für dieses Verfahren ist: 98 Angeklagte aus zehn Nationen werden wegen Amtsmissbrauchs belangt. Für sie – Dutzende Verteidiger, Richter, Schöffen, Staatsanwalt und neun Dolmetscher – wurde die Halle bis Jahresende gemietet.

100.000 Euro Schaden

Fast wirkt sie zu groß, denn sie bietet mit ihren Sesselreihen weit mehr Platz als benötigt. Besucher verirrten sich am Montag nur spärlich zu dem Prozess: Ein ehemaliger Beamter des Magistrats Graz soll jahrelang Bestechungsgelder kassiert haben. Einen Schaden von 100.000 Euro klagt Staatsanwalt Roman Reich an. Seit 2003 soll der heute 59-Jährige zwischen 100 und 7000 Euro für Gewerbegenehmigungen kassiert haben: Die Antragsteller sollen dabei großteils nicht über die nötigen Voraussetzungen dafür verfügt haben. Außerdem soll der Beamte Gebühren nicht an die Stadt weitergeleitet haben. Aufgeflogen ist der Fall 2010.

Ausgebrannter Beamter

Er sei geständig, "grundsätzlich", betont der Grazer. "Nicht zu allem." Die Sache mit den Gebühren gestehe er, aber Schmiergeld? "Nein", beteuert der Angeklagte. Jeden Vorwurf will er durchgehen. "Ich weiß nicht mehr, wie die einzelnen Fälle abgelaufen sind." Sein Verteidiger springt ein. "Er war ein amtsmüder, ausgebrannter Beamter. Er hatte Eheprobleme."

Die Schar der Angeklagten hätte noch viel größer sein können: Ursprünglich hatte die Justiz 209 Beschuldigte im Visier, den Beamten und alle Antragsteller mit locker sitzender Geldtasche. Doch in rund der Hälfte der Verdachtsfälle gab es einen außergerichtlichen Vergleich. So bleiben 98 Angeklagte, die sich ab 8 Uhr Früh anstellen, um durch die vier Sicherheitsschleusen in die Gerichts-Halle zu gelangen.

Allerdings dürfte auch diese Gruppe bald ziemlich schrumpfen: 50 Angeklagte geben nämlich alles zu. Das macht den Weg zu einer Diversion und jeweils 870 Euro Geldbuße frei.

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