Schichtbetrieb im Krematorium

Schichtbetrieb im Krematorium
Trend Feuerbestattung: Mittler­weile lässt sich fast jeder dritte Österreicher einäschern.

Fettleibige Menschen brennen länger. Bis zu eineinhalb Stunden bei knapp 1300 Grad Celsius. Und am Ende wiegt dann auch der dickste Österreicher nicht mehr als 3,5 Kilo.

Asche in einer Urne.

"Nicht viel für ein ganzes Menschenleben", sagt Wolfgang Freitag. "Im Angesicht des Feuers sind wir nicht mehr als Kohle, Öl oder Papier." Der Buchautor steht im Keller von Wiens einzigem Krematorium – der Feuerhalle Simmering, nahe des Wiener Zentralfriedhofs. Für sein Buch "Zu den Schattenorten von Wien" blickte Freitag ein halbes Jahr hinter die Kulissen der Stadt. Er suchte Orte auf, an denen sich Schicksale kreuzen und wieder trennen – Orte wie das Wiener Krematorium.

"Vorsicht. Jetzt könnte es heiß werden", sagt ein Mitarbeiter der Friedhöfe Wien, als er einen Sarg in einen der drei Brennöfen schiebt – offene Münder, die auf den nächsten Leichnam warten.

Am Limit

Es sind viele, die hier Tag für Tag verbrannt werden. "Wenn’s gut geht, sind’s schon mal 27 Leichen an einem Tag", sagt der Mitarbeiter, nachdem die Ofenmünder geschlossen sind. Rußspuren zeugen von Flammen, die vor allem dann austreten, wenn die letzte Reise in billigen Särgen aus Pressspan angetreten wird.

Mittlerweile wählt bereits jeder vierte Wiener die Urne als letzte Ruhestätte. 6000 Personen sind es im Jahr. In Simmering stößt man bereits an Kapazitätsgrenzen. In den nächsten Jahren sollen die Öfen ausgetauscht werden. Und das, obwohl Wien mit einem Anteil von 26 Prozent Feuerbestattungen deutlich unter dem bundesweiten Trend liegt.

In Innsbruck, Graz und Linz machen Kremierungen bereits 70 Prozent aller Bestattungen aus. In St. Pölten ist der Anteil auf 40 Prozent gestiegen "und dieser Trend steigt seit Jahren stetig", weiß Eduard Schreiner vom Bundesverband für Bestatter. Erwin Ruthner von der Bestattung St. Pölten pflichtet bei: "Viele Menschen wollen keine großen Gräber mehr. Ihnen genügt ein kleines Urnengrab mit Platz für eine Vase", sagt Ruthner.

Längt ist das Argument der "hygienischeren Lösung" nicht mehr das entscheidende für eine Kremierung, sondern Aufwand und Kosten für die Pflege eines Erdgrabes: Pro Jahr kosten Saisonblumen und Be­treuung durch den Gärtner bis zu 350 Euro. Ein Urnengrab kommt hingegen nur auf knapp 200 Euro. "Vor allem im städtischen Bereich wollen sich viele diesen Pflegeaufwand nicht mehr antun", sagt Karin Weilguny von der Linz AG.

Generationenwechsel

Herbert Cepko, Innungsmeister der Bestatter in Niederösterreich, spricht auch von einem Generationenwechsel: "Das konservative Begräbnis mit Beteiligung der ganzen Ortschaft verliert an Bedeutung. Junge Menschen bevorzugen Kremationen." Auch aus pragmatischen Gründen: Sie leben oft nicht mehr dort, wo die Eltern gewohnt haben. Intensive Grabpflege wird schwierig.

Und wie schwierig ist es, in zwei Schichten täglich Tote in Öfen zu schieben? "Am Anfang ist es gewöhnungsbedürftig", sagt der Mit­arbeiter der Feuerhalle Simmering, der früher in einer Fleischerei tätig war. "Vor allem, wenn die Toten noch sehr jung sind." Doch vermutlich sei es wie in anderen Berufen auch: "Man gewöhnt sich an vieles."

W. Freitag, "Zu den Schattenorten Wiens", Metroverlag. In der Wienbibliothek gibt’s die Ausstellung zum Buch

Im Wasser oder im Weltraum

Ein schlichtes, graues Metallgefäß reicht vielen längst nicht mehr. Auch bei der Feuerbestattung geht der Trend klar in Richtung Individualität. Mit einer Holzurne zum Selbstbemalen etwa oder einem Aschebehälter, verziert mit Swarovski-Steinen. Kostenpunkt bei der Wiener Bestattung: rund 200 Euro.

Langsam, aber sicher scheint das klassische Erdgrab aus der Mode zu kommen: "Mittlerweile können sich 34 Prozent der Friedhofsbesucher eine alternative Bestattungsart vorstellen", sagt der Wiener Meinungsforscher Peter Hajek. "Im Vergleich zu 2006 ist das ein Anstieg von 16 Prozent."

Vor allem Frauen interessieren sich für alternative Beisetzungsformen. Für die Baumbestattung zum Beispiel, bei der die biologisch abbaubare Urne am Fuße eines Baumes begraben wird. Auf dem Wiener Zentralfriedhof hat man dafür bereits ein eigenes Waldstück reserviert.

Immer beliebter werden auch Wasserbestattungen. Bei einer niederöster­reichischen Agentur kann man Trauerfeiern buchen, bei denen die Asche des Verstorbenen in die Donau gestreut wird. Preis: knapp 2000 Euro.

Deutlich tiefer in die Tasche greifen muss man für eine Weltraum­bestattung. Dabei wird die Urne samt Asche mit einem Satelliten ins All ge­schossen. Ein Anbieter aus Bayern verlangt dafür 50.000 Euro.

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