Rote Karte für Raketen-Rowdys

Angemeldete Pyrotechnik – wie diese im Ernst-Happel-Stadion – wird auch in Zukunft erlaubt bleiben. Raketen aber sollen – nach Beschluss des Parlaments – unter das Waffengesetz fallen und somit verboten werden.
Einigkeit im Parlament: Bestimmte Pyrotechnik soll künftig unter das Waffengesetz fallen.

Den unverbesserlichen Raketen-Rowdys in Österreichs Stadien wird der "parlamentarische Prozess" gemacht. So bezeichnet der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz am Mittwoch die Ergebnisse der Sitzung des Sicherheitsausschusses im Parlament.

Alle im Nationalrat vertretenen Parteien brachten einen gemeinsamen Entschließungsantrag ein. Fazit: Raketen sollen künftig ins Waffengesetz aufgenommen werden. Der Besitz dieser Pyrotechnik wäre somit strafrechtlich verboten.

Auslöser für die seltene Polit-Harmonie waren die Vorfälle vom 9. November beim Wiener Fußballderby im Ernst-Happel-Stadion. Kurz vor der Pause feuerten Austria-Fans Raketen in den Familiensektor der Grün-Weißen. Es kam zu massiven Tumulten: Das Match stand kurz vor dem Abbruch, die Exekutive war überfordert, es gab Verletzte.

"Schonfrist ist vorbei"

"Die Schonfrist für Raketen-Schützen in den Stadien ist vorbei", sagt Pilz. Ähnlich argumentiert SPÖ-Sicherheitssprecher Otto Pendl: "Ein klares Bekenntnis aller Parlamentsfraktionen. Österreichs Stadien dürfen keine Gefahr für Familien sein."

Grundsätzlich hätte eine vom Innenministerium ausgearbeitete Novelle zum Pyrotechnikgesetz die Verwendung von Feuerwerkskörpern bei Veranstaltungen erschweren sollen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) kündigte im Sommer "Null Toleranz gegen Fußballplatz-Chaoten" an. Zu viele Ausnahmebestimmungen verwässerten allerdings den Entwurf. Auf Anfrage des KURIER wollte das Innenministerium keine Stellungnahme zur überaus milden Novellierung abgeben: " Der parlamentarische Prozess läuft. Auf Beamtenebene gibt es da keinen Kommentar."

Für Gerhard Kuchta, Mieter-Sprecher des unmittelbar neben dem Hanappi-Stadion liegenden Hugo Breitner Hofs, ist die Initiative der Politik längst überfällig: "Neben dem Stadion leben 3500 Anrainer. Wir forderten sogar Justizminister Wolfgang Brandstetter auf, Pyrotechnik generell zu verbieten."

Nachsatz des genervten Anrainers: "Peter Pilz und SPÖ-Geschäftsführer Norbert Darabos erlebten das Chaos beim Derby hautnah mit. Erst jetzt, wo sie selbst betroffen waren, wurden die Herren aktiv." SP-Manager Darabos nahm sich nach dem Derby-Skandal kein Blatt vor dem Mund: "Die Vorfälle zeigten, dass die Klubs ihre Fan-Probleme nicht in den Griff bekommen."

Schachtelweise wurden die Böller abtransportiert; die Anzahl der Funde liege im "zweistelligen Bereich", betont Ermittler Mario Sattler vom Landeskriminalamt Steiermark. Nach der Explosion in Kapfenstein, bei der zwei Männer starben, wurden die Beamten im Bezirk Südoststeiermark bei mehreren Hausdurchsuchungen fündig: Die meisten der gefundenen Knallkörper wurden illegal hergestellt darunter auch in jener Bauart, wie sie vor zwei Wochen in Kapfenstein hochgingen.

Das legt die Vermutung nahe, dass auch diese Böller illegal in Kapfenstein hergestellt worden sein könnten. Dazu sagt Sattler nichts, nur soviel: "Die Ermittlungen laufen." Ein 59-jähriger Pensionist und sein Sohn, 29, kamen bei der Explosion ums Leben; der ältere Sohn, 33, überlebte. 6000 Knallkörper mit zehnfach höherer Sprengwirkung als herkömmliche Böller lagerten auf dem Anwesen der Familie, sie wurden vom Entminungsdienst in einem Steinbruch gesprengt.

Hergestellt wurden die Kracher mit Aluminiumpulver und Kaliumperchlorat, sie hatten klangvolle Namen wie "Superböller" oder "Cobra 86". Bei der Detonation vor rund zwei Wochen stürzte das Wirtschaftsgebäude, in der sich der 29-Jährige aufhielt, in sich zusammen. Sein Vater ging daran vorbei und wurde von den Trümmern getroffen. Der Knall war noch drei Kilometer entfernt zu hören, im Umkreis von eineinhalb Kilometern wurden Häuser und Autos beschäftigt. De ältere Bruder überlebte, weil er kurz vor der Explosion in ein Nebengebäude gegangen war, das kaum beschädigt wurde.

Weiterer Verdächtiger

Die Ermittlungen der Polizei dürften noch bis zum kommenden Jahr dauern, schätzt Sattler. Somit bleibt vorerst unklar, ob der 59-Jährige in die Produktion der Böller eingebunden war. Ebenfalls noch nicht bekannt ist, wie viel der 33-Jährige wusste. Die Staatsanwaltschaft Graz listet die beiden Todesopfer jedenfalls offiziell als Beschuldigte; als dritten Verdächtigen sieht sie derzeit den Lieferanten der Chemikalien.

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