"Nur Monate bis zum Schuss"

Die Rekrutierung der Islamisten für den Krieg in Syrien erfolgt vielfach über das Internet mit Homepages und Propagandavideos.
Experte fordert Präventionsmaßnahmen in Schulen und Gefängnissen.

Eines stellt Islamexperte Thomas Volk von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin gleich klar. "99 Prozent der Muslime leben friedlich und haben auch keine anderen Ambitionen. Aber bei dem restlichen Prozent handelt es sich um fundamentale Extremisten, um Islamisten." Über sie müsse gesprochen werden, speziell über die Neo-Salafisten. "Das ist der am stärksten wachsende Bereich des Islamismus."

Die Anschläge von Paris und Kopenhagen, aber auch die Ausrufung des Kalifats der Terrormilizen des IS rückten den Islamismus auch in westlichen Staaten in das Blickfeld. Immerhin stammten 3000 IS-Kämpfer aus Europa, 600 von ihnen aus Deutschland und etwa 160 aus Österreich, zählt Volk auf. Damit bestehe "für alle europäischen Gesellschaften ein Sicherheitsrisiko".

Volk, eingeladen vom Polizisten und Präventionsexperten Günther Ebenschweiger, warnte bei einem Vortrag in Graz vor allem vor den Rekrutierungsmethoden der Salafisten. "Die Kontaktaufnahme und die Radikalisierung erfolgen großteils über das Internet. Wir kennen Fälle, wo zwischen dem ersten Kontakt via Facebook und dem ersten Schuss in Syrien nur sechs Monate liegen."

Moderne trifft rückwärtsgerichtetes Denken: Neo-Salafisten verklärten die Zeit, in der Mohammed lebte, stellten Gott vor Volksouveränität und Demokratie, lehnten Politik und Parteiensystem ab, betont Volk. Die Koran-Verteilaktion "Lies!" sei in diesem Kontext zu deuten: "Viele ausgewiesene Salafisten sind erst dadurch mit dem Milieu in Kontakt gekommen."

Sozialarbeiter

Der Islamexperte pocht auf Prävention, das sei der einzige Weg. "Das ist entscheidend. Wer sich einmal von den Grundzügen der Demokratie und des Rechtsstaates verabschiedet hat, wird nur schwer resozialisierbar sein." An den Schulen müssten deutschsprechende Islamlehrer unterrichten, die in Österreich ausgebildet wurden, Sozialarbeiter müssten in Richtung Islamismus sensibilisiert werden. "Salafisten sind ja derzeit die besseren Sozialarbeiter weil sie die Leute dort abholen, wo sie Probleme haben."

Muslimische Seelsorger sollten überlegen, ob sie nicht Imagevideos des friedlichen Islam über das Internet verbreiten. "Wer etwas über Islam sucht, landet schnell auf salafistischen Seiten mit Propagandavideos." Auch in Gefängnissen müsse Aufklärung betrieben werden. "Nirgends radikalisieren sich mehr Menschen als dort."

Kommentare