Neuer Vorstoß: Kinder sollen lärmen dürfen

Einsprüche von Nachbarn wegen Lärmbelästigung bei Schulen und Kindergärten bald nicht möglich.

Lärmende Kinder am Spielplatz oder im Hof, Babygeschrei, erhöhter Schallpegel durch Spielgeräusche von Bobbycars oder Rollschuhen – all das führt zu Konflikten zwischen Nachbarn. Zumeist hilft ein klärendes Gespräch, in manchen Fällen wird hier auch der Gerichtsweg beschritten. In der Regel erfolglos.

Trotzdem fordern seit Jahren Kinderorganisationen eine klare gesetzliche Regelung, wonach Kinderlärm nicht strafbar sein soll. Ist er theoretisch auch nicht. Ein Urteil des Obersten Gerichtshofes besagt: Kinderlärm ist hinzunehmen. Dennoch kommt es zu Klagen (siehe Zusatzbericht). Und trotzdem haben Anrainer die Möglichkeit, den Bau von Kindergärten oder Spielplätzen mit Einsprüchen zu verzögern. Nun brachten die Neos im Nationalrat einen Gesetzesantrag ein. Kindergeräusche sollen demnach rechtlich deutlich von schädlichem Lärm unterschieden werden.

Bauordnung

Kinderlärm ist kein Beschwerdegrund für Anrainer von neuen Schulen und Kindergärten – dazu gibt es in Österreich gerade in jüngster Zeit diverse politische Initiativen. Nach Oberösterreich, Burgenland und der Steiermark wird jetzt auch in Wien in der neuen Bauordnung verankert, dass Anrainer Kinderlärm nicht mehr als Ablehnungsgrund für das Projekt anführen können.

Hedy Vojitz schubst ihren Enkelsohn Jakob auf dem Spielplatz im Andreaspark in Wien-Neubau an. Sie kann Leute, die wegen Kinderlärms klagen, nicht verstehen: "Wir waren doch alle Kinder. Und würden die Kinder keinen Lärm machen, würde etwas falsch laufen."

Neuer Vorstoß: Kinder sollen lärmen dürfen

Wiens Wohnbaustadtrat Michael Ludwig: "Natürlich schadet es nicht, wenn man Eltern mit Kindern sagt, Rücksicht auf die Nachbarn zu nehmen. Trotzdem finde ich Kinderlärm durchaus sympathisch. Daher kann bei Schul- und Kindergartenprojekten die Lärmimmission durch Kinder von Anrainern nicht mehr ins Treffen geführt werden."

Auch der Lärm in Wohnhausanlagen sorgt immer wieder für Konflikte. Bei der jüngsten Wohnbefragung, an der 100.000 Menschen teilnahmen, war das ein Hauptproblem. Im Vorjahr musste man bei 2800 Konfliktfällen – mehr als die Hälfte hatte Lärmerregung als Grund – einschreiten. Ludwig: "Wir haben deshalb in der ganzen Stadt Wohnpartner und Gebietsbetreuer im Einsatz, die vermitteln sollen." Zumindest aus dem Gemeindebau gibt es konkrete Zahlen: "In 80 Prozent der Fälle konnten die Konflikte gelöst werden", sagt Ludwig.

Neuer Vorstoß: Kinder sollen lärmen dürfen
Kinderlärm, Jakob Glück, Hedy Vojitz

In der Bundespolitik findet der Antrag der Neos durchgehend Zustimmung. Die SPÖ verweist auf eine entsprechende Petition aus dem Jahr 2011. "Es freut mich, dass meine Forderung aufgegriffen wurde und die Debatte wieder ins Rollen gebracht wird", sagt SPÖ-Bundesrätin Inge Posch-Gruska. ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin empfindet es als Skandal, Kinderlärm zu bestrafen. "Spielen ist kein Lärm. Es ist schön, wenn Kinder laufen, lachen und toben", erklärt FPÖ-Familiensprecherin Anneliese Kitzmüller. Der grüne Verkehrssprecher Georg Willi hält die Maßnahme für überfällig: "Das ist ein wichtiger Schritt." Und Marcus Franz vom Team Stronach stellt klar: "Lachen und Spielen von Kindern kann nicht mit Lärmquellen wie Rasenmähern gleichgesetzt werden."

Rechtliches

Kinderlärm ist grundsätzlich hinzunehmen. Dennoch: In Ausnahmefällen kann geklagt werden. Und zwar auf Unterlassung. Etwa wenn der Lärm der Nachbarskinder das gewöhnliche Ausmaß überschreitet. Ein Rechtsanwalt wollte gegen einen neuen Spielplatz in einer Wohnanlage vorgehen. Ohne Erfolg. Das sei keine Störung, die die Brauchbarkeit einer Anwaltskanzlei vermindere, sagte der OGH. Absichtliche Lärmquellen, wie Rollschuhfahren in der Wohnanlage, kann aber untersagt werden.

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