Sexuelle Belästigung beim Heer

Sexuelle Belästigung beim Heer
Kommission verurteilte jahrelanges, entwürdigendes Verhalten eines Vizeleutnants.

Lange Zeit suchte die Frau die Schuld bei sich selbst: Vielleicht ist ihr Rock zu kurz? Es war ein Lernprozess, bis sie erkannte, dass sie das Opfer ist.

Im Nachhinein empfindet sie es als schlimm, dass sie so lange "mitgemacht" habe. Und dann kam der Tag, an dem sie es nicht mehr aushielt: Die verbalen und handgreiflichen Zudringlichkeiten, dass er ewig seine Hose herunterließ, von seinen Lieblingsstellungen erzählte, Äußerungen wie "Wollt’s mein Lumpi sehen?" von sich gab.

Ein Vizeleutnant im Militärspital einer Kaserne setzte eine Vertragsbedienstete viele Jahre lang sexuell unter Druck. Schon zu Beginn ihres Dienstverhältnisses zeigte er Pornohefte oder intime Fotos seiner Frau vor, forderte sie auf, sich zu entkleiden und betatschte die Mitarbeiterin.

Zufälliger Griff

Ein Klaps auf den Po, ein "zufälliger" Griff auf die Brust, so fing es an. Sie sagt, sie sei zunächst komplett erstarrt und habe sich nicht mehr bewegen können, ehe sie sich durch einen Stoß mit dem Ellbogen habe befreien können.

Damals sei das noch einer dieser Vorfälle gewesen, "die man in die Schublade steckt und verdrängt". Sie habe es auch deshalb niemandem gemeldet, weil ihr das niemand geglaubt hätte, wie sie damals dachte.

Erst als sich eine vom selben Vizeleutnant bedrängte Kollegin an die Bundesgleichbehandlungskommission (siehe Information unten) wandte, beschwerte sie sich auch. Sie habe sich gedacht, dass es zu zweit einfacher sei, etwas dagegen zu tun.

Der zur Rede gestellte Vizeleutnant reagierte, wie bestimmte Männer bei solchen Vorwürfen zu reagieren pflegen: Die geschilderten Übergriffe hätten so gar nicht stattfinden können, die Räumlichkeiten wären dafür gar nicht geeignet gewesen, er hätte eine "höchst unstabile Standposition" einnehmen müssen, der Kollegin wäre die Abwehr des behaupteten Angriffs daher ein Leichtes gewesen.

Und warum habe sie keine Hilfe geholt oder sich an den Kommandanten gewendet? Der Kommandant berichtete der Kommission über Aufforderung, er habe mehrmals darauf hingewiesen, dass er Mobbing und besonders sexuelle Belästigung verurteile. Außerdem seien Infobroschüren bezüglich Mobbing aufgelegt worden.

Suspendiert

Der Vizeleutnant wurde nach Bekanntwerden der Vorwürfe suspendiert, es wurde sogar ein Betretungsverbot der Kaserne ausgesprochen. Der Staatsanwalt ermittelte, konnte aber angeblich keine Beweise finden.

Der Gleichbehandlungskommission war die schmutzige Angelegenheit klar genug. Sie verurteilte das Verhalten des Vizeleutnants als sexuelle Belästigung einer Arbeitskollegin, die nun Schadenersatz fordern kann.

Außerdem gab sie dem Bundesheer mit auf den Weg, man möge in derart "männerdominierten" Organisationseinheiten speziell auf wertschätzende Umgangsformen achten.

Dass sich die Frau lange still verhalten hatte, wurde am Ende beinahe zum Bumerang für sie. Der beschuldigte Vizeleutnant warf der belästigten Frau vor, dass sie ihre Behauptungen "willkürlich steigere" und immer erst später noch "nachsetze". Das Opfer legte dar, dass es erst durch eine Therapie nach und nach über alles habe reden können. Sie habe bis dahin viel verdrängt, habe sich geniert und befürchtet, der Vizeleutnant werde seine Macht ausspielen und sie werde den Job verlieren.

Die Kommission machte ganz deutlich, dass dieses "Zögern" der Gemobbten nicht zum Nachteil gereichen kann: "Es ist allgemein bekannt, dass belästigte Personen unterschiedlich lange brauchen, um eine sexuelle Belästigung verarbeiten zu können. Üblicherweise tun Frauen zunächst so, als wäre nichts gewesen."

Die Kommission verurteilt die lang andauernde sexuelle Belästigung als entwürdigendes Verhalten, das zudem geeignet war, "eine demütigende, feindselige oder einschüchternde Arbeitsumwelt zu schaffen."

Der Vizeleutnant darf in der Zwischenzeit wieder Dienst tun. Er ist allerdings (auch auf Empfehlung der Gleichbehandlungskommission) nicht mehr an der selben Dienststelle wie sein Opfer eingesetzt.

Die beim Frauenministerium angesiedelte Verwaltungseinrichtung des Bundes kann wegen Diskriminierung im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis zum Bund angerufen werden. Dazu gehört neben der Gleichbehandlung von Frauen und Männern auch die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung.

Es gibt zwei Senate, die den Fall prüfen und dann ein sogenanntes Gutachten darüber abgeben, ob die Vorwürfe zu Recht erhoben worden sind. Ist das der Fall, können die Betroffenen Schadenersatz begehren.

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