Milchskandal: Warnung vor Gemüse-Konsum

10.000 Liter Milch der Görtschitztaler Landwirte werden täglich entsorgt. Milchgeld erhalten sie weiter.
Frage einer chronischen Belastung der Bevölkerung offen. Viele Abteilungen wussten Bescheid.

Die Suche nach den Verantwortlichen im Görtschitztaler Umweltskandal geht schleppend voran. Es wird jedoch immer deutlicher, dass viele Abteilungen des Landes Kärnten monatelang von erhöhten Gift-Werten wussten und nicht aktiv wurden. Wie das krebserregende und hochgiftige Hexachlorbenzol (HCB) in die Milch und ins Futter kam, ist nach wie vor Gegenstand von Ermittlungen. Eine Umweltmedizinerin empfiehlt den Görtschitztalern, vorerst auf den Genuss von Gemüse aus dem eigenen Garten zu verzichten.

"Inwieweit eine chronische Belastung stattgefunden hat, lässt sich nicht sagen", gesteht Barbara Kohlweg, Umweltmedizinerin des Landes. Lebensmittel aus dem eigenen Garten würde sie nicht empfehlen, vor allem nicht für Kleinkinder. Auch vor dem Spielen in der Sandkiste sei abzuraten. HCB bleibe sehr lange im Körper. "Die Halbwertszeit sind mehrere Jahre." Tests der betroffenen Bevölkerung seien nicht geplant. "Jetzt warten wir erst einmal die Ergebnisse aus der Umwelt ab."

Von Seiten des Landes wurde inzwischen gegen das Zementwerk w&p ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Unbekannt wegen Paragraf 181 b des Strafgesetzbuches (Fahrlässige Beeinträchtigung der Umwelt). Natürlich bleibt primär das Zementwerk im Visier der Ermittlungen. "Bei den aktuell laufenden Untersuchungen hat es sich leider herausgestellt, dass Blaukalk an einer für HCB-Emissionen hinsichtlich Temperatur nicht optimalen Stelle eingebracht wurde", verlautbarte Betriebsleiter Berndt Schaflechner. Die erforderliche Verbrennungstemperatur liegt zwischen 800 und 1100 Grad. Für HCB seien keine Messungen vorgeschrieben, teilte Schaflechner mit. Von der Belastung im Blaukalk habe er gewusst (siehe unten).

Umwelt-Inspektion

Diese Tatsache wirft ein schiefes Licht auf das Land. Emissionsmessungen erfolgten lediglich zwei Mal pro Jahr. "Wäre es zu Auffälligkeiten gekommen, hätten wir nachkontrolliert", sagt Umwelt-Landesrat Rolf Holub, Grüne. Er ist übrigens nicht davon überzeugt, dass das Zementwerk zwingend verantwortlich für die Kontaminierung ist. "Aktuelle Messergebnisse lassen nicht nur aufs Werk schließen. Früher wurden Beizmittel eingesetzt, es könnte sich um Altlasten im Boden handeln", gibt er im KURIER-Gespräch zu bedenken. Eine "Umweltinspektion" soll das Tal überprüfen.

Warum wurde nicht im April mit Tests begonnen, als die HCB-Werte an die Lebensmitteluntersuchungsanstalt des Landes weitergeleitet wurden? Deren Leiter, Gunther Vogel, sagt: "Wir sahen keine Notwendigkeit, weil Grenzwerte nicht überschritten wurden." Die Causa wurde an die Agrarabteilung und an die Landwirtschaftsabteilung weitergeleitet. Niemand schlug Alarm, alles verlief im Sande.

Übrig bleiben die Görtschitztaler Landwirte. Deren eingelagerte Futtermittel sowie die Milch – täglich 10.000 Liter – werden verbrannt. Das Milchgeld erhalten die Bauern weiter, außerdem wird eine Futtermittelbörse eingerichtet.

Berndt Schaflechner, Leiter des Zementwerks Wietersdorf im Kärntner Görtschitztal, hat in einer Aussendung am Freitagabend zugegeben, von der Belastung mit HCB (Hexachlorbenzol) des in seinem Werk verarbeiteten Blaukalks gewusst zu haben. Emissionen des Werks sind mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine grenzwertüberschreitende Belastung von Milch mit dem Umweltgift verantwortlich.

Noch am Donnerstag hatte Schaflechner auf die Frage, wie das HCB aus dem Kalk in die Umwelt geraten konnte, geantwortet: "Dass HCB eine Belastung im Blaukalk ist, war weder uns noch den Behörden bekannt." Nun gab er schriftlich an, lediglich von den HCB-Emissionen durch sein Werk nichts gewusst zu haben. "Wir hatten keine Vorschreibung, das HCB zu messen", sagte er am Freitag der APA. "Im Bescheid ist HCB nicht erwähnt." Der Bescheid genehmigte die Verarbeitung des aus einer Deponie eines Werks der Donauchemie stammenden Blaukalks.

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