"Meine Mutter hat keinen Urlaub im Flüchtlingsheim gebucht"

Das Hotel am Semmering ist seit zwei Wochen Flüchtlingsunterkunft.
Wienerin (89) sah sich plötzlich als Gast in einer Unterkunft für Asylwerber. Ihr Sohn will nun klagen.

Vom Bund überrumpelt fühlte sich die Gemeinde Spital am Semmering, als sich das Innenministerium vor rund zwei Wochen in einem Hotel des Ortes eingemietet hat, um dort Flüchtlinge unterzubringen. Mehr als überrascht war allerdings auch die Mutter von Peter Leskovar, die im „Haus am Semmering“ ab Montag, dem 7. September, einen 14-tägigen Urlaub verbringen wollte. „Sie hat nicht schlecht gestaunt, als am Mittwoch ein ganzer Bus mit Asylwerbern einquartiert wurde“, erzählt Leskovar. Seine Frau habe die 89-Jährige dann abgeholt und nach Hause gebracht.

Hotelbetrieb läuft

200 Betten fasst das Hotel. Rund 140 davon waren zuletzt bereits mit Flüchtlingen belegt. Bis 1. Oktober läuft allerdings auch der Hotelbetrieb parallel ganz normal weiter. „Meine Mutter hat aber keinen Urlaub im Flüchtlingsheim gebucht“, ärgert sich Leskovar. Die alte Dame sei schlecht zu Fuß. Sie schätzt das Hotel, weil man von dort ebenerdig in den Wald kommt. „Dort war dann aber jedes für sie erreichbare Bankerl mit Flüchtlingen besetzt. Was sollen diese Leute auch machen, außer zu warten“, sagt der 56-Jährige.

Kein Verständnis hat der Wiener hingegen für die Hotelführung: „Die hätten meine Mutter gar nicht einchecken dürfen. Kein vernünftiger Mensch würde eine 89-Jährige hier unterbringen.“ Abzüglich der zwei Nächte, die seine Mutter in der Unterkunft verbracht hat, fordert Leskovar 430 Euro von dem Hotel retour. Das weigere sich aber, zumal die Flüchtlinge in einem separaten Teil des Hotels untergebracht seien.

Die Besitzerin des „Haus am Semmering“ wollte den Fall gegenüber dem KURIER nicht kommentieren. Leskovar hat inzwischen seinen Rechtsanwalt eingeschaltet und will das Geld für seine Mutter notfalls einklagen.

Wie lange das Hotel als Flüchtlingsquartier dienen wird, bleibt indes vorerst offen. Bei einem Lokalaugenschein hatte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Mittwoch dem Bürgermeister der steirischen Gemeinde am Semmering versichert: „Sollte das Bundesland die Quote zu 100 Prozent erfüllen, sind wir bereit, auf diese Betreuungseinrichtung zu verzichten.“

Sicherheit ist für Noman Wahedahmed immer ein Fremdwort gewesen; die Angst ein ständiger Begleiter: Immer wieder erlebte er Bombenexplosionen, Angriffe und Zerstörungen mit. Der 22-jährige Afghane ist mitten im Kriegsgebiet aufgewachsen. Bis es ihm eines Tages zu viel wurde. Er wollte etwas aus seinem Leben machen, eine Zukunft aufbauen. Doch wie geht das mit der Angst im Nacken? Also beschloss er zu fliehen. Über den Iran, die Türkei und Griechenland kam er vor zweieinhalb Jahren nach Österreich und stellt klar: "Hier fühle ich mich zum ersten Mal ein bisschen sicher."

Ob er bleiben kann, ist noch ungewiss.

Das erzählt Wahedahmed auf der Fahrt vom Westbahnhof zum Praterstern. "Stationen der Flucht" lautete das Motto der Straßenbahnfahrt, die die Caritas Wien anlässlich der UNHCR-Veranstaltung "Langer Tag der Flucht" organisiert. Interessierte konnten auf der Fahrt durch Wien mit Flüchtlingen wie Wahedahmed sprechen. Darüber, dass er jetzt Deutsch lernt, die HTL besucht und gerne Informatiker werden würde.

Moderator der Veranstaltung war Kabarettist und Leiter der zweiten Gruft, Martin Strecha-Derkics. Er kann die Flüchtlingsproblematik nicht ganz nachvollziehen: "Dauernd wird von Flüchtlingswellen gesprochen. Aber nur einmal zum Vergleich: Wir haben 80.000 Millionäre in diesem Land. Und 25.000 Asylwerber."

Übergangsquartier Erdberg

Aber heftige Konflikte in Syrien, der Ukraine oder in Afghanistan zwingen derzeit immer mehr Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. Um die Flüchtlings-Situation in Österreich ein wenig zu entschärfen, haben sich Bund und Stadt Wien am Donnerstag darauf geeinigt, 600 weitere Flüchtlinge aufzunehmen (der KURIER berichtete).

Die ersten 100 Flüchtlinge werden das Übergangsquartier in Erdberg am Montag beziehen. Wann die alte WU bezogen werden kann, ist noch unklar. Hier steht man noch vor organisatorischen Problemen. So gibt es beispielsweise keine Duschen in dem Gebäude. Für das Wochenende stehen jedenfalls weitere Notplätze in Polizeiturnsälen zur Verfügung – neben Wien übrigens auch in Villach, Linz und Graz. In Salzburg und Burgenland sind bereits 73 Asylwerber in solchen Turnsälen untergebracht.

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