Lillys Tod wird ein Fall fürs Parlament

Große Trauer um Lilly, die am Linzer Bahnhof starb.
Nach dem tragischen Fall in Linz fordert eine Bürgerinitiative automatische Bremssysteme für Buggys.

Immer noch stehen Kerzen für Lilly am Bahnhof Ebelsberg in Linz. Ein Kuscheltier sitzt auch dort, Lillys Eltern hinterließen einen Brief an ihren "Sonnenschein": Lilly, 18 Monate jung, starb, weil ihr Kinderwagen vom Bahnsteig rollte und von einem Zug mitgerissen wurde.

"Das hätte nicht passieren müssen", ist Arnold Prutsch überzeugt: Ein automatisches Bremssystem am Kinderwagen hätte das Wegrollen verhindert, durch den Sog des Zuges wäre der Buggy maximal umgekippt, glaubt der Steirer. "Da muss man sich einmal hineinversetzen: Dein Kind ist weg, aber dann wird auch noch diskutiert, ob die Mutter vielleicht fahrlässig gehandelt hat." Die Oberösterreicherin ließ den Wagen am Bahnsteig stehen, um im Untergeschoß schnell ein Ticket zu kaufen.

Bürgerinitiative

Lillys tragischer Tod lässt Prutsch und seinen Freund Alexander Windisch nun wieder aktiv werden: Mittels parlamentarischer Bürgerinitiative wollen sie ein gesetzlich verpflichtendes, automatisches Bremssystem an Kinderwagen erwirken. 500 Unterschriften sind für den Start nötig. Danach wird die Initiative auf der Parlamentshomepage im Internet veröffentlicht und ist frei für elektronische Unterschriften von Unterstützern. Nach Ablauf einer gewissen Frist muss sie vom zuständigen Nationalrats-Ausschuss behandelt werden.

Windisch und Prutsch sind bereits seit 2007 an dem Thema dran. Auslöser war ein Unglück in Gratkorn nördlich von Graz: Ein Kinderwagen rollte durch ein Loch in einem Zaun in die Mur. Die Mutter des Babys sprang hinterher, um es zu retten. Beide ertranken. "Wir waren damals selbst junge Väter, das war für uns extrem", erinnert sich Prutsch. Deshalb tüftelten sie an einem Bremssystem und ließen den Namen "Stopp or go" schützen. Sie funktionierten einfach eine Fahrradbremse um und montierten sie an einen Kinderwagen: Ließ man sie los, stoppte der Wagen.

Der Verein für Konsumenteninformation würde ein automatisches System begrüßen. "Alles, das die Sicherheit verbessert, ist gut", überlegt Experte Christian Undeutsch. Ob es auch Lillys tragischen Unfall verhindert hätte, ließe sich aber nicht sagen. "Unter Umständen, aber das müsste man untersuchen."

Prutsch er besitzt Friseurgeschäfte und Windisch selbstständig im Haarkosmetikbereich wollen aber weiter kämpfen. Hartnäckig waren sie bereits beim ersten Anlauf: Der steirische Landtag übernahm ihre Forderung als Beschluss, jedoch ist der Bund zuständig. Doch es kam keine Unterstützung, bedauern die Steirer (siehe Zusatzbericht).

600 Unfälle

Allerdings gibt es weder beim Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) noch beim Komitee "Große schützen Kleine" aktuelle Zahlen, wie oft es zu solchen Zwischenfällen kommt. Arzt Holger Till, Präsident von "Große schützen Kleine", rechnet mit 600 Unfällen mit Kinderwagen pro Jahr. Zu 75 Prozent betrifft das aber Stürze aus dem Wagerl. Wie viele Fälle durch Wegrollen zustande kommen, ist hingegen ungeklärt. Vor acht Jahren hat das KFV für den Zeitraum 2002 bis 2007 fünf solcher Unfälle ausgewiesen.

"Die Dunkelziffer ist sicher höher", schätzt Arnold Prutsch. "Das gibt ja niemand gern zu, dass einem das Wagerl weggerollt ist. Aber wenn jemand sagt, das passiert eh nicht oft, dann ist das herzlos und kalt. Da ist jeder Unfall einer zu viel." Windisch vergleicht mit den Sicherheitssystemen von Pkw, die immer gefinkelter werden. "Da müsste man sich dann auch die Frage stellen, warum man einen Spurhalte-Assistenten einbaut."

2008 war die Antwort aus Wien eindeutig: Wir sehen bezüglich der praktischen Verwendung eines Bremssystems, das das permanente Drücken eines Hebels verlangt, ein massives Problem, hieß es im Schreiben des Ministeriums für Soziales und Konsumentenschutz an Alexander Windisch und Arnold Prutsch.

Diese Skepsis hegt Ministeriums-Expertin Disa Medwed noch immer. „Alles, was man händisch halten muss, ist undenkbar. So etwas allen aufzudrängen halte ich nach wie vor nicht für angemessen.“ Zudem könnte man die Automatik umgehen, indem man den Hebel fest klebe.

Allerdings sind nun doch einige Jahre vergangen. Hersteller haben sich vor allem in den USA des Themas durchaus angenommen. So wurden elektronische Systeme entwickelt: Sobald sich der Elternteil zwei Meter vom Wagen entfernt, stoppt er. Auch Sensoren an den Griffen wurden bereits getestet.

Deshalb lehnt Medwed ein automatisches Bremssystem nicht generell ab. „Das muss man sich anschauen. Wir sind nicht dagegen, wenn es sinnvoll ist und ich nicht damit rechnen muss, dass es die Leute abschalten.“ Allerdings dürfte es auch nicht „zu Hightech“ werden. Sie gibt außerdem zu bedenken, dass „so etwas nur österreichweit allein gar nicht denkbar ist. Man müsste es europäisch auf den Weg bringen.“

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