Ein Geschworener blickt zurück
Ein sehr sympathischer Mensch war der Bankräuber. Blond und gut frisiert, ein braver Bub“, wenn er nicht gerade ein Geldinstitut ausräumte. Viktor Häusler war an diesem Tag sein Richter. Einer von acht Geschworenen. Die vielen Jahre als Mitarbeiter in der KURIER-Redaktion haben Häusler geerdet: „Ich habe mir vorgestellt, wie er in die Bank geht und Menschen mit einer Waffe bedroht.“ Bald zogen sich die Geschworenen für ihre Beratung zurück.
Eine Unterscheidung ist wichtig: Der Rechtsstaat zieht bei schweren Vorwürfen Schöffen und Geschworene zu Verfahren hinzu. Schöffen entscheiden gemeinsam mit einem Berufsrichter über Schuld oder Unschuld, Geschworene machen dies im Alleingang.
Viktor Häusler erinnert sich noch, wie sie der Richter aufklärte. „Wir kannten uns ja nicht aus.“ Hätte sich der Bankräuber eine zweite Chance verdient?
Keine Begründung
Es gibt mehrere Reformvorschläge, etwa eine große Strafkammer, in der Bürger mit Berufsrichtern über die (Un-)Schuld entscheiden.
Die Wissenschaft bestärkt mit ihren Befunden sowohl Befürworter als auch Kritiker.
Die Urteile von Profis und Laien sind mehrheitlich ident. Denn nur in wenigen Fällen ziehen Berufsrichter die Notbremse und setzen ein Urteil aus, das dann nochmals überprüft wird. In den Jahren 2006 bis 2008 waren es laut einer Erhebung der Strafrechtskommission maximal 2,2 Prozent der Fälle. Fraglich bleibt, ob das der richtige Indikator ist. Denn nicht einer, sondern gleich drei Richter müssen einer solchen Aussetzung zustimmen.
Richter urteilen außerdem tendenziell strenger als der Bürger. Das zeigt eine empirische Studie zu 50 ausgesetzten Urteilen: 48-mal bekam der Beschuldigte eine höhere Strafe aufgebrummt, als von den Laien ursprünglich vorgesehen war.
Strafverteidiger beklagen außerdem, dass Laien überfordert, medial leichter beeinflussbar als Profis seien und per Zufallsprinzip ausgesucht würden. Eine Anekdote: ein Mordprozess in Korneuburg. Die Geschworenen setzen sich. Einer hat eine Zipfelmütze auf. Der Richter fordert ihn auf, sie abzunehmen. Der Mann weigert sich. Auf Nachfrage erfährt der Richter am Gemeindeamt, dass der Querulant ein stadtbekannter Sonderling ist. Standesvertreter fordern deshalb ein Auswahlverfahren wie in den USA.
Oft sind Prozesse extrem anspruchsvoll. Etwa im Fall des Briefbombers Franz Fuchs: Den Geschworenen wurden 156 Fragen vorgelegt. Zinkl: „Da stoßen Geschworene an ihre Grenzen.“ Für solche Fälle gebe es ausgebildete Berufsrichter.
Viktor Häusler und seine Kollegen urteilten einstimmig: 13 Jahre Haft. „Das war ein Mittelweg“, sagt Häusler.
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