"Krebsheiler" klagt die Republik

"Krebsheiler" klagt die Republik
Jener Chemiker, der ein nicht zugelassenes Krebsmittel vertrieb, wurde aus der U-Haft entlassen. Er will Schadenersatz.

Ah. Eine Ampulle hat die Polizei vergessen", hallt es aus dem Büro. Sekunden später tänzelt Wassil Nowicky mit einem schelmischen Grinsen drei Stufen hinauf. In der Hand hält er das braune Glasfläschchen mit der Aufschrift "Ukrain", seine Medizin, seine vermeintliche Wunderwaffe gegen Krebs.

Einst lagerten hier am Firmensitz von Nowicky-Pharma in Wien-Wieden Tausende dieser Ampullen. Bis Anfang September die Justiz zuschlug: Der gebürtige Ukrainer wurde wegen Betrugsverdachts verhaftet. 26 Razzien fanden statt. Rund 200.000 Ampullen aus Nowickys Lager wurden konfisziert.

"Dr. Krebs" und "Dr. Tod" waren fortan in Boulevardmedien seine Beinamen. Nowicky war in Mediziner-Kreisen kein Fremder. Immerhin vertrieb er seinen Extrakt seit 1978 – und das ohne Zulassung in Österreich oder in der EU. Das hinderte ihn nicht, hierzulande krebskranke Patienten und Ärzte mit dem illegalen Mittel zu versorgen.

Freitagabend, kurz nachdem ihn die Justiz aus der U-Haft entlassen hatte, empfing er zu Hause bei Tee und Keksen den KURIER. Gespräche mit ihm sind schwierig, driften nach wenigen Minuten in Patientengeschichten und Details aus Studien ab. Zuletzt brach deshalb ein Staatsanwalt eine Befragung ab.

Der 74-Jährige will sich wehren. Er hat über seinen Rechtsanwalt Martin Mahrer schon vor seiner Verhaftung die Republik auf Schadenersatz verklagt. "Ich will eine Million Euro", sagt er. Der Grund für die Amtshaftungsklage sei im Jahr 1981 zu finden: Im Gesundheitsministerium habe man seinen Antrag auf Zulassung von "Ukrain" in einer Schublade verstauben lassen. "Das ist gar nichts im Vergleich zu meinem Umsatzentgang."

"Ukrain" ist nicht nur höchst umstritten. Um das Mittel rankt sich eine wilde Verschwörungstheorie, die Erfinder Nowicky selbst immer wieder anheizt. Pharma-Firmen verhindern aus "Angst vor Umsatzeinbußen" die Legalisierung seines Mittels, behauptet er gebetsmühlenartig.

In kontrollierten klinischen Prüfungen fiel das Medikament laut Behörden durch. Alexander Höhnel, Leiter der Arzneimittelinspektion der Agentur für Ernährungssicherheit (kurz AGES) sagte (im profil/Ausgabe 38): "Wir haben ... festgestellt, dass die angegebenen Inhaltssubstanzen nicht mit der Wirklichkeit übereingestimmt haben." Hingegen ist laut AGES das Risiko schwerer Lebernebenwirkungen klar belegt. Das will Nowicky nicht hören. Er redet dafür lieber über "Studien aus der Ukraine" und über Krebspatienten wie Frau Jakob, die ein "lebender Beweis für die Wirksamkeit" seines Mittels sei.

Verfahren

Enttäuschte Patienten hatten Nowicky angezeigt. "Bei mir waren Menschen, denen die Schulmedizin nicht mehr helfen konnte" , erklärt er. Das Verfahren gegen ihn geht weiter. Der Korruptionsstaatsanwalt muss zwei Fragen klären: Ist das Medikament ein Nepp? Und zweitens: Wie kommt der 74-Jährige auf einen Verkaufspreis von 77 Euro pro Ampulle? Ermittler kalkulierten mit Kosten von fünf Euro pro Fläschchen, Nowicky spricht von 50 Euro.

Die Ermittlungen drohen auszuufern. Dazu trug auch Anwalt Mahrer bei. Er beantragte die Einvernahme von Patienten und Ärzten, "um die Wirksamkeit des Medikaments zu beweisen. Wir werden im Verfahren alles ins Treffen führen. Das geht von Krankengeschichten, über Studien bis hin zu Zeugenaussagen." Im Buch "Krebsmittel Ukrain. Kriminalgeschichte einer Verhinderung" sind die kruden Thesen literarisch aufgearbeitet. Der Titel ist treffend: "Ukrain" ist jetzt tatsächlich ein Kriminalfall.

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