Klimawandel verwandelt Teile Österreichs zu Weinbaugebiet

APAHPK016-09102006-FIRTH-OESTERREICH : - FEATURE - Archivbild von gestern 08-10-2006 zeigt eine Weinlese im niederoesterreichischen Furth mit dem Bendiktinerstift Goettweig im Hintergrund. APA-FOTO : ALOIS LITZLBAUER
Die Fläche wird sich vervierfachen. Top-Weine kommen künftig aus höheren Lagen.

Meine Oma hat den Welschriesling nie vor dem Nationalfeiertag gelesen. Aber wir ernten Mitte, Ende September“, überlegt Gerhard Wohlmuth, Winzer aus der Südsteiermark. „Das ist eine Verschiebung von drei bis fünf Wochen.“

Der Praktiker bestätigt somit die Forschung von Wissenschaftern: Der Klimawandel beeinflusse den Weinbau massiv, sagen Franz Prettenthaler und Herbert Formayer vom Climate Change Center Austria. In 20 bis 40 Jahren werde sich die mögliche Anbaufläche für Reben vervierfachen. „Faktisch ist dann alles unter einer Seehöhe von 1500 Metern klimatisch für den Weinanbau geeignet“, kalkuliert Formayer.

Vergleich 2013 - 2065

Klimawandel verwandelt Teile Österreichs zu Weinbaugebiet
Grafik, Weinbau
Klimawandel verwandelt Teile Österreichs zu Weinbaugebiet
Grafik, Weinbau

Bis zu 40 Prozent der Fläche Österreichs könnten dann Rebenland werden, vom Inntal über das Grazer Becken bis zum gesamten Donaugebiet. 280 Seiten stark ist die Studie zum Thema „Weinbau und Klimawandel“, die nun als Buch veröffentlicht wurde.

Schuld an den Änderungen seien erhöhte Temperaturen. In den vergangenen 30 Jahren sei es um ein Grad wärmer geworden. Bis 2050 wird ein Anstieg um zwei Grad erwartet, bis Ende des Jahrhunderts sogar um vier Grad. „Wir sind mitten drin im Klimawandel“, betont Formayer. „Randlagen wie Österreich werden sicher von zwei, drei Grad plus profitieren. Aber die Winzer müssen sich auf geänderte Bedingungen einstellen.“

Mehr Alkohol

Höhere Temperaturen bedeuten frühere Lese, aber auch höheren Alkoholgehalt und weniger Säure. Weinbauer Wohlmuth schätzt, die Toplagen für Spitzenweine dürften deshalb wohl nach oben wandern, um das auszugleichen. „Statt jetzt auf 300 Meter Seehöhe wird man auf 450 bis 600 Meter anbauen.“ Peter Zoller ist bereits so ein exotischer Weinbauer: Der Tiroler baut im Ötztal unter anderem Zweigelt und Chardonnay an auf 670 Meter Seehöhe.

Von wärmeren Zeiten profitieren in der Steiermark der Gelbe Muskateller, der eher spät reif wird, aber auch der Sauvignon Blanc. „Der Sauvignon wird Leitsorte werden und den Welschriesling verdrängen“, sagt Wohlmuth. Er baut bereits für die nächste Generation vor und pflanzt Rheinriesling auf 600 Metern Höhe an.

Derzeit nur Theorie

Im Österreichischen Weinbauverband schaut man interessiert auf solche Studien. „Was das bedeutet, können wir aber jetzt freilich nicht sagen“, überlegt Geschäftsführer Josef Glatt. „Aber es scheint Gebiete zu geben, wo Weinbau dann tendenziell möglich wird.“ Doch was theoretisch möglich ist, bedeutet nicht automatisch, dass es kommt: Die Weinanbaugebiete sind in der EU – sowohl was die Fläche als auch die Menge anbelangt – klar eingegrenzt.

Anbau

43.615 Hektar waren laut Statistik Austria im Vorjahr ertragsfähiges Weinbaugebiet. Flächenmäßig ist Niederösterreich derzeit die größte Weinbauregion (26.047 Hektar), gefolgt vom Burgenland mit 12.928 Hektar und der Steiermark mit 4044 Hektar.

Ertrag

2,1 Millionen Hektoliter Wein wurden 2012 produziert. Spitzenreiter ist der Grüne Veltliner, der rund 30 Prozent der Anbaufläche dominiert. Zweiter und Dritter sind Welschriesling (8 Prozent) und Weißburgunder/Chardonnay (7 Prozent). Beim Rotwein dominiert Zweigelt (14 Prozent) und Blaufränkisch (7 Prozent).

Qualitätswein

Acht Weinbauregionen dürfen sich derzeit mit der begehrten Herkunftsbezeichnung DAC schmücken: Weinviertel, Mittelburgenland, Traisental, Kremstal, Kamptal, Leithaberg, Neusiedlersee. und der Eisenberg. Die Abkürzung DAC steht für Districtus Austriae Controllatus und ist Orientierungshilfe für Konsumenten. DAC bedeutet, dass der Weinstil, der typisch für eine Region ist, hervorgehoben wird.

Bei der Erderwärmung verzeichneten Wissenschafter kürzlich ein "Pause". Demnach sind die Temperaturen bei der Klimaerwärmung im vergangenen Jahrzehnt nach einer Studie weniger stark gestiegen als angenommen. Damit werden die schlimmsten Szenarien für den Klimawandel in diesem Jahrhundert unwahrscheinlich, erklärten Wissenschafter in einem Beitrag für das Magazin Nature Geoscience am Sonntag. Die Erwärmung bleibe aber voraussichtlich deutlich über dem von der internationalen Gemeinschaft angestrebten Ziel, den Anstieg auf zwei Grad im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung zu begrenzen.

Das heißeste Jahrzehnt

Während das letzte Jahrzehnt zwar das heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1880 gewesen sei, sei der Anstieg der Temperatur zwischen 2000 und 2009 niedriger ausgefallen als vielfach erwartet, heißt es in der Untersuchung, in die neue Temperaturdaten und Messungen zur Wirkung der Sonnenstrahlung auf die Atmosphäre einflossen. Die Klimapolitik könne deshalb bei Prognosen für die weitere Entwicklung grundsätzlich von einem "niedrigeren Wertbereich" ausgehen.

Tatsächlich stabilisierte sich die Erwärmung, obwohl die Menge der Treibhausgase in die Atmosphäre zunimmt. Wissenschafter erklären das Phänomen teils mit der Aufnahme von Wärme durch die Ozeane, einen Rückgang der Sonnenaktivität oder einen erhöhten Anteil von Vulkanstaub in der Atmosphäre, der Sonnenstrahlen reflektiert.

Warnung vor maximalem Temperaturanstieg

2007 hatte der Weltklimarat vor einem maximalen Temperaturanstieg um 6,4 Grad in diesem Jahrhundert gewarnt. Die Erwärmung der kommenden 50 bis 100 Jahre werde wahrscheinlich "im Bereich aktueller Klimamodelle liegen, aber nicht am oberen Ende ihrer Reichweite", erklärte Ko-Autor Alexander Otto von der Universität Oxford.

Dass Daten nun die schlimmsten Prognosen ausschlössen, sei eine gute Nachricht, betonte Studien-Ko-Autor Reto Knutti von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Aber selbst wenn die Wirkung am unteren Ende der Prognosen liege, "bleibt die Erwärmung weiter deutlich über dem Zwei-Grad-Ziel, auf das sich Länder verständigt haben."

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