52 Betten für 6000 Patienten

Sarah kann wieder lächeln: Nach 16 Monaten im Krankenhaus fährt sie mit ihrem Bruder Marco und ihren Eltern Nicole und Christian in eine Reha-Klinik nach Deutschland.
In Österreich gibt es keine einzige Rehabilitationsklinik für Kinder. Der Bedarf ist groß

16 Monate war Sarah im St. Anna Kinderspital. 21 Chemotherapien hat sie hinter sich. Mein Mann und ich haben 95 Prozent unserer Zeit im Spital verbracht. Geburtstage, Weihnachten, Silvester – alles haben wir im Krankenhaus gefeiert“, erzählt Nicole Kamaryt.

Ihre siebenjährige Tochter Sarah hat im August 2012 die Diagnose Knochenkrebs erhalten. Rund eineinhalb Jahre später hat sie den Kampf gegen die Krankheit gewonnen. Eine lange Narbe am rechten Bein zeugt von dem, was das kleine Mädchen durchgemacht hat: Der Knochen im Unterschenkel wurde entfernt. Seither kann sie nur mit Krücken gehen. Die medizinische Behandlung ist abgeschlossen. „Jetzt geht es darum, wieder zu Kräften zu kommen und zu einem normalen Alltag zurückzufinden“, sagt die junge Mutter.

Ein klarer Fall für einen Reha-Aufenthalt, möchte man meinen. Ja, aber nicht in Österreich. „Hier gibt es keine Plätze“, erzählt Nicole Kamaryt. Sarah und ihre Familie werden deshalb im Jänner für einen Monat in eine Kinder-Reha-Klinik nach Deutschland fahren.

Kein Anspruch

Wäre Sarah nicht eine siebenjährige Krebspatientin, sondern eine 55-jährige Diabetikerin, hätte sie Anspruch. Denn gemäß dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) können Kinder keinen Anspruch auf Rehabilitation haben, weil laut Sozialversicherungsrecht Rehamaßnahmen der „Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit dienen“ und diese bei Kindern nicht vorliegt.

Wie Sarah geht es österreichweit rund 6000 Kindern und Jugendlichen, die aufgrund einer schweren Erkrankung oder eines Unfalls Anspruch auf Rehabilitation haben sollten. Doch eine gesetzliche Verankerung fehlt. Dementsprechend gibt es auch keine eigenen Reha-Einrichtungen. Kinder und Jugendliche werden in Reha-Kliniken für Erwachsene behandelt – 52 Betten stehen zur Verfügung. Die Situation wird zusätzlich erschwert, weil bei angeborenen Erkrankungen die Länder Kostenträger sind, bei erworbenen die Sozialversicherung. Die Verantwortung für eine Gesamtlösung wird seit Jahren hin- und hergeschoben. „Diese Unterscheidung ist aber bei vielen Krankheiten, die im Kindes- und Jugendalter auftreten, gar nicht möglich. So ist eine im 5. Lebensjahr auftretende Leukämie wahrscheinlich zumindest teilweise genetisch determiniert.“

Ähnliches gilt für schweres Asthma, rheumatische Erkrankungen und psychische/psychiatrische Krankheitsbilder“, erklärt Primarius Reinhold Kerbl, Präsident der Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde.

Um auf die Missstände in Österreich aufmerksam zu machen, hat Markus Wieser, selbst betroffener Vater, 2009 die „Initiative Kinderreha“ gegründet. „Wir wollen mit der Initiative einen gesetzlichen Leistungsanspruch auf Rehabilitation für Kinder und Jugendliche sowie die Errichtung eigener Kinder- und Jugendrehabilitationszentren bewirken“, sagt Wieser.

Christina Peters, Oberärztin im St. Anna Kinderspital unterstützt die Forderungen der Initiative. „Auch Kinder und Jugendliche leiden an schweren, lebensbedrohlichen Erkrankungen. Die Rehabilitation ist eine anerkannte Maßnahme, um das Leben nach oder mit so einer Erkrankung besser bewältigen zu können“, sagt Peters und fordert die Politik zum Handeln auf. „Es ist beschämend, dass ein reiches Land wie Österreich für seine kranken Kinder keine Investitionen zustande bringt“, ärgert sich die Oberärztin.

Dass es großen Bedarf an Kinder- und Jugendrehabilitation in Österreich gibt, hat eine Studie des Gesundheitsministeriums bereits im Jahr 2011 gezeigt. „Der Bedarf wird im Jahr 2020 bei 343 bis 453 Betten pro Jahr liegen“, heißt es darin. 2011 wurde deshalb im Rahmen des „Kindergesundheitsdialogs“ eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet.

Das Ergebnis lautete: Gesundheitsminister Alois Stöger hat schon damals die Umsetzung der Forderungen der „Initiative Kinderreha“ empfohlen.

Pläne vorhanden

Seit zwei Jahren gibt es zumindest erste Pläne für den Bau eines Kinder-Reha-Zentrums. In Bad Erlach soll eine Klinik mit 114 Kinderbetten sowie 70 Betten für Angehörige entstehen.

Ein Investor ist schon gefunden. „Wir sind mit den Planungen schon sehr weit. Es soll bald der Architektenwettbewerb starten“, erzählt Bad Erlachs Bürgermeister Hans Rädler (ÖVP). Verzögert wird das Projekt aber durch Bund und Länder, die sich über die Kostenaufteilung nicht einigen können.

„Es wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Bis Februar soll es ein Finanzierungsmodell von Land, Bund und Sozialversicherungsträgern geben. Ich bin überzeugt, dass eine Lösung gefunden wird“, sagt Rädler .

Auch in Salzburg und Wien wird derzeit der Bau von Kinder-Reha-Einrichtungen geprüft. Projektentwickler, Betreiber und Initiatoren arbeiten bereits an deren Umsetzung.

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