Kartnig will Fußfessel statt in Zelle

„Ich war leider ein Fanatiker“, entschuldigte sich Kartnig.
Im Herbst muss der Ex-Sturm-Präsident aber erneut wegen Betrugsverdachts vor Gericht.

Die Aufforderung, sich in der Justizanstalt zu melden und die Haft anzutreten, hat Hannes Kartnig vergangene Woche erhalten. 15 Monate Gefängnis setzte es rechtskräftig für die Steuervergehen rund um Schwarzgeld-Zahlungen an die Kicker des einstigen Champions League-Vereins SK Sturm.

Doch dessen ehemaliger Präsident will lieber nicht ins Gefängnis und stattdessen eine Fußfessel. Kartnigs Grazer Anwalt Michael Pacher bestätigt einen ORF-Bericht, noch diese Woche einen Antrag zu stellen. Die Vollzugsdirektion muss bis Ende Juli darüber entscheiden.

Frei nach zwei Dritteln

Kartnig will Fußfessel statt in Zelle
Justizministerin Beatrix Karl stell die neue Fußfessel vor, Strafvollzug, Fussfessel, Straftäter, Sexualstraftäter
Anwalt Pacher geht freilich von einer Zustimmung aus, auch wenn das Strafmaß von 15 Monaten unbedingt über dem für diese Ersatzmaßnahme erlaubten Höchstrahmen von zwölf Monaten liegt. "Es gibt den Weg der bedingten Haftentlassung. Die kriegt jeder Ersttäter nach Verbüßung von zwei Dritteln der Haft", rechnet Pacher vor. "Das wären dann zehn Monate. Dann muss man auch noch knapp zwei Monate U-Haft miteinbeziehen."

Geht die Rechnung auf, könnte es passieren, dass der 63-Jährige im Herbst mit Fußfessel am Knöchel zu seinem nächsten Prozess kommt. Im Oktober oder November könnte laut Gerichtssprecher Helmut Krischan die Neuauflage des Betrugsverfahrens gegen Kartnig starten. Dabei geht es wieder um den Vorwurf, dass Kartnig das Land Steiermark um 1,2 Millionen Euro und die Bundesliga um 70.000 Euro betrogen haben soll. Das bestritt der Ex-Präsident stets, während er die Finanzvergehen zugab.

Diese Wiederholung ist nach dem Spruch des Obersten Gerichtshofes vom 23. April nötig. Der Grazer Richter Karl Buchgraber verhängte im Februar 2012 insgesamt fünf Jahre Haft: Zwei wegen der Finanzvergehen, drei wegen des Betruges. Die Höchstrichter reduzierten die Haft im Steuerfall auf 15 Monate, schickten aber das Betrugsverfahren zum Teil zurück an den Start: Die Strafhöhe von drei Jahren wurde aufgehoben, der Freispruch in Bezug auf die Bundesliga-Vorwürfe aber für nichtig erklärt. Das macht nicht nur ein neues Verfahren mit einem anderen Richter nötig. Es droht auch ein geändertes Strafausmaß, das höher ausfallen kann.

Daran will Pacher aber nicht glauben. "Das ist eine theoretische Möglichkeit. Aber schon beim Finanzverfahren hat der OGH das Strafmaß wegen der langen Verfahrensdauer um ein Drittel reduziert und damit eine Richtung vorgegeben."

Aufschub für Geldstrafe

Kartnig kämpft aber noch auf einer weiteren Baustelle. Zusätzlich zu den 15 Monaten Haft hagelte es auch noch 5,5 Millionen Euro Geldstrafe. Dafür will der Unternehmer um Aufschub bitten, bis zu ein Jahr Stundung ist möglich. Sollte er nicht zahlen können, droht eine Ersatzfreiheitsstrafe. Das wären in dem Fall weitere 15 Monate unbedingt. Was laut Pacher dann erneut ein Fall für die Fußfessel sei.

Letzten Mittwoch um zehn Uhr im Justizpalast. Selten noch sah man "Sonnenkönig" Hannes Kartnig (62) so kleinlaut und demütig. Die Stufen hinauf zum Verhandlungssaal des Obersten Gerichtshof, vorbei an der Marmorstatue der Justitia, war der schwerste Gang des Ex-Sturm-Graz-Präsidenten. Er wusste, das ist das wichtigste Match seines Lebens, das hier stattfindet. "Als ich die Stufen sah, sagte ich zu meinen Anwälten: Hoffentlich schaffe ich es bis hinauf. Der Tag war schlimmer als der Moment, als ich die Krebsdiagnose bekam."

Kartnig kam mit mehreren Gelben Karte davon: Reduzierung der Strafe von 5,5 Jahre auf 15 Monate Haft wegen Steuerhinterziehung. Statt 6,6 Millionen Euro muss Kartnig 5,5 Millionen Strafe zahlen. Die Herabsetzung erfolgte in erster Linie wegen der langen Verfahrensdauer von acht Jahren. Doch ein Damoklesschwert schwebt trotzdem noch über Kartnig: Aufgehoben wurde der Freispruch wegen schweren Betrugs und muss neu verhandelt werden. Im KURIER-Interview spricht der Ex-Sturm-Präsident über Steuern, Haft und sein ehemaliges Leben als Society-Tiger.

KURIER: Herr Kartnig, gleich nach der OGH-Urteilsverkündung haben Sie lieber Ihre Anwälte das Urteil kommentieren lassen. Wie gehen Sie mit dem Urteil 15 Monate Haft und 5,5 Millionen Euro Strafe um?

Hannes Kartnig: Besonders gut geht es mir nicht, aber man muss mit dem Urteil leben. Ich hoffe, dass ich vielleicht die Fußfessel bekommen kann. Da ich unbescholten bin, gibt es auch die Möglichkeit, nur die Halbstrafe zu bekommen. Aber wenn man 5,5 Millionen Euro Strafe zahlen muss, gibt es kein lockeres Leben mehr.

Sie könnten – statt die 5,5 Millionen Euro zu zahlen – als Alternative noch zusätzlich 15 Monate in Haft gehen. Welche Variante werden Sie wählen?

Ich werde alles versuchen, um den Schaden gutzumachen. Darum werde ich mich ehrlich bemühen. Aber ob es mir gelingt, kann ich jetzt noch nicht sagen. Denn seit der Krise sparen die Unternehmen vor allem bei der Werbung. Die Geschäfte laufen nicht mehr so gut wie in den Glanzzeiten. Ich kann mir auch Ratenzahlungen vorstellen.

Ihre Anwälte deuteten nach dem Urteil auch an, dass Sie ähnlich wie Silvio Berlusconi Sozialdienst machen könnten, statt 5,5 Millionen zu zahlen ...

Auch das kann ich mir vorstellen. Im Altersheim würde ich gerne arbeiten.

Wie groß war die Schadenssumme der Schwarzzahlungen?

Das weiß lustigerweise noch keiner – ich auch nicht. Denn es gibt noch keinen rechtskräftigen Bescheid.

Wie groß war die Nervosität vor dem Urteil? Sie wirkten so demütig wie selten zuvor ...

Es war die schrecklichste Situation, die ich je in meinem Leben erlebt habe. Nicht einmal der Moment, als ich die Krebsdiagnose bekam, war schlimmer. Beim Stiegensteigen zum Verhandlungssaal im Justizpalast habe ich so geschwitzt, dass ich waschelnass war. Ich war fertig. Du weißt, hier fällt die Letztentscheidung über dich. Diese Ungewissheit, wie das Urteil ausgeht, ist fast unerträglich. Bei keinem Champions-League-Match, wo Sieg oder Niederlage über Millionenbeträge entschieden haben, spürte ich so eine Anspannung. Nur um pünktlich zu sein, bin ich schon um sechs in der Früh von Graz weggefahren, falls ein Reifenplatzer passiert oder ein Stau dazwischen kommt. Denn nicht vor dem OGH zu erscheinen, wäre für mich nicht infrage gekommen. Ich laufe nicht davon. Wenn ich etwas angestellt habe, dann stelle ich mich der Verantwortung. Auch wenn ich ein Gauner gewesen wäre und Geld eingesteckt hätte. Aber bei uns hat sich niemand selbst bereichert. Wir haben nur Schwarzgeld an die Spieler gezahlt. In diesem Geschäft geht es leider nicht anders, und ich habe dieses System auch nicht erfunden. Das wird mir wohl jeder glauben. Aber wenn du Rückendeckung von vielen prominenten und einflussreichen Menschen bekommst, dann lässt man sich zu so etwas hinreißen.

Ihre Nervosität war berechtigt, denn OGH-Richter haben Ihre Strafe nur wegen der überlangen Verfahrensdauer gesenkt.

Als ich die fünf OGH-Richter sah, habe ich mich beruhigt. Denn man spürte sofort, dass hier die Crème de la Crème der österreichischen Richter sitzt, die sich nicht von Neid leiten lässt und voreingenommen ist. In Graz gelte ich als ein Polterer, der gerne großspurig zeigte, was er erreicht hat.Leider erzeugt Erfolg in unserem Land auch sehr viel Neid.Doch ich wollte nie Neid erzeugen, ich habe mich nur gefreut, was ich alles erreicht habe. Wir haben durch die Erfolge des SK Sturm auch viel Werbung für Graz gemacht. Bis nach Argentinien sprach man über den SK Sturm – aber das zählt dann nichts mehr. Und zum Sport gehört auch die Show. Ich hätte mir mehr Showmänner wie mich im Fußball gewünscht.

Wollen Sie damit andeuten, dass Sie einen Promi-Malus bei den Beamten hatten?

In der letzten Zeit hatte ich schon das Gefühl, dass man in Österreich härter bestraft wird, wenn man prominent ist. Das beginnt schon damit, dass, sobald gegen einen Prominenten ermittelt wird, der Name an die Medien gespielt wird. Das muss sich ändern, denn das ist imageschädigend. In diesem Moment startet schon eine Art von Vorverurteilung. Auch ich habe das erlebt. Der Finanzbeamte Dietmar Schwarzl , der die Ermittlungen gegen mich leitete, gab Unterlagen über mich an ein Wochenmagazin weiter. Das hat mir die U-Haft eingebracht – aber mittlerweile ist der Beamte deswegen rechtskräftig verurteilt worden. Ich wurde vom Finanzbeamten Schwarzl wie der letzte Dreck vorgeführt.

Die Grazer Finanzbeamtin hat vor den OGH-Richtern behauptet, dass Sie nicht nur aus Enthusiasmus gehandelt haben, sondern sich mittels Scheinrechnungen über den SK Sturm bereichert haben ...

Diese Dame hat einen persönlichen Hass auf mich, weil ich ein Verfahren gegen sie im Büro für interne Angelegenheiten im Finanzamt eingeleitet habe. Meine Firma hat Werbung bei Sturm gemacht. Ich habe Transparente gebucht und Karten angekauft, um Sturm zu unterstützen. Alle diese Werberechnungen wurden in meiner Steuererklärung nicht anerkannt und mir als Strafbetrag angerechnet.

Wie hat sich der Sonnenkönig Hannes Kartnig in den letzten acht Jahren verändert?

Als ich auf der Intensivstation lag, habe ich viele arme Teufel erlebt, die Lungeninfarkt hatten. Heute weiß ich, dass die Gesundheit wichtiger ist als alles andere auf dieser Welt. Ich brauche die Schickimickis und die Seitenblicke-Gesellschaft nicht mehr. Früher bin ich zu jeder Buchpräsentation oder Shop-Eröffnung gegangen. Ich will gar nicht daran denken, wie oft ich im Fernsehen war – von der Peter-Rapp-Silvestershow bis zum Musikantenstadl. Aber ich will ehrlich sein, natürlich hat es mir getaugt, dass mich damals alle erkannt haben. Aber das brauche ich nicht mehr. Heute pflanze ich lieber Bäume in meinem Garten und sitze mit meinen pensionierten Freunden im Kaffeehaus und lasse den Schmäh laufen.

Besitzen Sie Ihren berühmten Rolls-Royce noch?

Mein Rolls steht abdeckt in meiner Garage. Ich bin ihn seit fünf Jahren nicht mehr gefahren und würde den Rolls gerne verkaufen. Mein Lebenswandel hat sich komplett verändert. Geld ist nicht so wichtig. Ich versuche, anders zu leben, nicht mehr der Getriebene zu sein. Es muss kein Bentley oder Rolls-Royce sein. Ich brauche auch keine goldene Rolex mehr. Das hat mir damals gefallen. Aber es war auch viel Show für den ORF dabei. Ich war nie ein fader Typ. Als die ersten Millionen von der UEFA überwiesen wurden, ließ ich mich für den ORF filmen, wie ich Geld abhebe. Zehn Jahre später werden mir diese Bilder zum Verhängnis, weil sie während der Ermittlungen wieder gesendet werden und jeder glaubt, ich hätte mich bereichert. Ich hätte nie gedacht, dass mir Aufnahmen wie diese irgendwann auf den Schädel fallen.

Haben Sie die letzten acht Jahre geläutert und gescheiter gemacht?

Auf jeden Fall. Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen,was für ein Depp ich war, dass ich Homestorys gemacht habe. In einer Quizshow wurde dann einmal gefragt: Was schwimmt im Aquarium von Hannes Kartnig? Eine Muräne oder ein Haifisch (lacht).

Besuchen Sie noch Sturm-Graz-Matches?

Nein, ich gehe nur mehr zu Ländermatches. 20 Jahre lang habe ich Massenveranstaltungen besucht, davon habe ich genug. Auch wenn ich zu keinen Matches mehr gehe, mein Herz schlägt noch immer für Sturm, das werde ich nie ablegen. Aber mich stört, dass der aktuelle Vorstand von Sturm über mich und den ehemaligen Vorstand schlecht redet. Selber haben Sie keinen Erfolg, stellen keine Sponsoren auf, investieren von ihrem verdienten Geld nichts in den Verein, aber über uns maulen sie.

Rein formal gesehen sind Sie nach dem OGH-Urteil nun ein rechtskräftig verurteilter Verbrecher. Wenn Sie diese Wörter hören, wie fühlen Sie sich dann?

Verbrecher würde ich nicht sagen. Menschen, die mit der Steuer zu tun haben, sind keine Verbrecher.

Wie würden Sie sich dann bezeichnen?

Ich bin kein Verbrecher, sondern nur ein rechtskräftig verurteilter Steuersünder. Ein Verbrecher ist für mich ein Mensch, der bewusst jemanden hintergeht. Und denken wir doch einmal nach: Bescheißt der Staat die Bürger nicht? Die Politiker geben Wahlversprechen ab, und nach der Wahl werden die Steuern erhöht. Ist das korrekt? Die Fleißigen werden in diesem Land bestraft. Wenn die Steuerprüfung heute kommt, dann streicht der Steuerprüfer die eine oder andere Abschreibung. Am Ende zahlt man dann nicht mehr 50 Prozent Steuern, sondern 60 Prozent. Ich gehe jede Wette ein, dass jeder, wenn er die Möglichkeit hätte, sich gerne Steuern ersparen würde. Die Menschen, die über Steuersündern schimpfen, sollen vor ihrer eigenen Tür kehren. Wie viele lassen schwarzarbeiten? Das sind sicherlich kleinere Beträge, aber die Tat bleibt die gleiche.

Wie geht es Ihnen gesundheitlich? Ist der Darmkrebs besiegt?

Bei dieser Krankheit kann man nie sagen, wie es tatsächlich steht. Im Moment spüre ich zwei- bis drei Mal pro Woche Schmerzen. Aber ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich hatte ein schönes Leben und habe viel erlebt. Was will man mehr?

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