Kartnig muss zur Erziehung in Haft

Kartnig muss zur Erziehung in Haft
Ex-Fußball-Präsident wurde nach Geburtstagsfeier Fußfessel abgenommen. Die Reaktionen dazu als Storify.

Ex-Fußball-Präsident und Lebemann Hannes Kartnig hat den Bogen überspannt. Zuerst besuchte der Grazer trotz der Belehrung, öffentliches Aufsehen zu vermeiden, mit Fußfessel eine Opernpremiere. Dann, nach einer deutlichen Rüge, feierte er im Wiener Luxushotel Park Hyatt mit Ehefrau und Freunden seinen 63. Geburtstag. Mit Strafe habe das nichts mehr zu tun, waren Justiz-Funktionäre entrüstet. Der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz warnte: „Die Fußfessel darf kein Goldketterl werden!“

Ohne Gepäck

Die Reaktion folgte diesmal auf den Fuß: Kartnig wurde die Fußfessel entzogen. Trotz bestätigter Reservierung auf den Namen Kartnig und obwohl er von anderen Gästen Montagabend im Park Hyatt erkannt worden war, behauptete Kartnig noch am Dienstag, nur in der Hotelgarage geparkt zu haben.

Am Mittwoch wurde er erneut in die Justizanstalt Graz-Jakomini einbestellt. Er wisse nicht, was ihn erwarte, kommentierte er dem KURIER gegenüber knapp. „Danke für das Gespräch“, sagte er noch höflich. Mit einem sofortigen Verbleib in Haft dürfte Kartnig kaum gerechnet haben: Er hatte keine Tasche dabei.

Drinnen gab es dann für ihn eine Überraschung, die Justiz-Insider zuvor dringend eingemahnt hatten: Der wegen Steuerschwindels zu 15 Monaten Freiheitsentzug Verurteilte musste die Fußfessel ablegen und gleich im Gefängnis bleiben, um seine restliche Strafe abzusitzen.

Erziehungsmaßnahme

Wenigstens zum Teil. Der Widerruf des Hausarrests wird als Erziehungsmaßnahme gesehen. Man will Kartnig im Gefängnis beibringen, sich an Vorgaben zu halten. Im Fall einer Besserung wäre es möglich, dass er die Fußfessel zurückbekommt.

Der für Kartnig zuständige Anstaltsleiter von Graz-Jakomini, Josef Adam, gilt als liberal. Diesen Umstand wusste der Ex-Fußball-Präsident auszunutzen. Blitzte er bei den Sozialarbeitern des Vereins Neustart – die das Wochenprogramm für die Fußfessel-Träger erstellen – mit seinem Verlangen nach Ausnahmen ab, wandte er sich an Adam. Und kam damit durch.

Am 18. Oktober wurde Kartnig ein zwölfstündiger Ausgang „zur Aufrechterhaltung sozialer Kontakte“ gewährt. Prompt erregte er bei der Tosca-Premiere in der Grazer Oper Aufsehen und wurde gerüffelt, öffentliche Auftritte zu meiden. Schon eine Woche später bewilligte ihm Adam eine Fahrt nach Wien zu seinem Anwalt; Montagabend wurde Kartnig bei seiner Geburtstagsfeier im Park Hyatt gesichtet.

Kein Aufschub

Sektionschef Christian Pilnacek vom Justizministerium will nicht, dass die Fußfessel „als besondere Vergünstigung für Prominente“ aufgefasst wird. Dem schob der Leiter der Vollzugsdirektion, Peter Prechtl, jetzt einen Riegel vor. Er widerrief die Fußfessel, weil sich Kartnig „nicht an Vorgaben gehalten und bei Ausgängen etwas anderes gemacht hat, als er gesagt hat“.

Gegen den Bescheid kann Kartnig Rechtsmittel beim Vollzugsgericht einlegen, aufschiebende Wirkung hat das aber keine. Von seiner Frau darf er sich Waschzeug und andere Utensilien ins Gefängnis bringen lassen.

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gericht,katnik,18-11-2014

In Österreich gibt es 28 Justizanstalten – und beinahe ebenso viele unterschiedliche Auslegungen der Fußfessel-Regeln. Das Wochenprogramm eines Verurteilten, der seine Haftstrafe im elektronisch überwachten Hausarrest verbüßen darf, wird von den Sozialarbeitern des Vereins Neustart festgelegt: Wann geht der Fußfessel-Kandidat zur Arbeit, wann kommt er heim, wann darf er Einkäufe erledigen?

Ausgänge von diesem strengen Reglement gewährt der Leiter der zuständigen Justizabteilung. In Wien-Simmering etwa wird häufig eine Stunde pro Tag für Bewegung im Freien gestattet. Das heißt, man darf sich von der Basisstation in der Wohnung auch weiter entfernen. Der Anstaltsleiter orientiert sich dabei an den Maßstäben im Gefängnis: Häftlingen ist täglich ein Hofgang zu gewähren, um frische Luft zu schnappen. Das soll auch den Fußfessel-Trägern zustehen und kann auf maximal zwei Stunden ausgeweitet werden, zum Beispiel, um einen Schwimmbadbesuch zu ermöglichen. Andere Anstaltsleiter bieten diese Freiheiten nicht. Sie sind der Ansicht, im Gefängnis mache die Bewegung im Freien Sinn. Mit Fußfessel könne man aber auf dem Weg zur Arbeit ohnehin frische Luft tanken.

Kartnig muss zur Erziehung in Haft
Schematische Darstellung der elektronischen Fußfessel Grafik 0418-14-Justiz.ai, Format 42 x 98 mm

So eine exzessive Anwendung der Ausgänge wie im Fall Kartnig, der zwölf Stunden für eine Opernpremiere frei bekam, gibt es in ganz Österreich sonst nirgendwo. In Vorarlberg etwa werden Fußfessel-Trägern überhaupt keine Ausgänge vom Korsett-artig geschnürten Wochenprogramm genehmigt, an anderen Standorten für maximal vier Stunden. In Salzburg gibt es Ausgänge über Nacht nur in Einzelfällen, bei der Geburt eines Kindes oder wenn ein naher Angehöriger auf der Intensivstation liegt.

Neustart-Sprecher Andreas Zembaty sagt, eine Lehre aus dem Fall Kartnig müsse die bessere Abstimmung sein: Er verlangt, dass sich die Anstaltsleiter künftig vor einer Genehmigung von Ausgängen mit den Sozialarbeitern absprechen.

Der Ex-Sturm-Graz-Präsident gehört laut Justizministerium zu derzeit 277 Straftätern, die eine Fußfessel tragen. Die meisten von ihnen wurden wegen Vermögensdelikten oder eines Deliktes gegen Leib und Leben verurteilt. Grundsätzlich darf der Strafgefangene mit Fußfessel seine Unterkunft nur zu bestimmten Zwecken - etwa für die Arbeit oder für Geschäftstermine - verlassen.

Mit der Einführung des Hausarrests - es stellt die jüngste Vollzugsform in Österreich dar - wollte man die an ihre Kapazitäten angelangten Justizanstalten entlasten. Grundsätzlich kommen dafür laut Justizministerium jene infrage, die ausreichend sozial integriert sind und deren zu verbüßende (Rest-)Strafe zwölf Monate nicht übersteigt. Der elektronisch überwachte Hausarrest muss beantragt werden und kann den Vollzug der Freiheitsstrafe in der Justizanstalt zur Gänze ersetzen ("Frontdoor-Variante") oder aber verkürzen ("Backdoor-Variante").

Die Entscheidung über die Gewährung des Hausarrests trifft der Anstaltsleiter als Vollzugsbehörde. Der Häftling muss eine geeignete Unterkunft im Inland sowie eine geeignete Beschäftigung vorweisen. Weitere Voraussetzungen zur Genehmigung der Fußfessel sind ein Einkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts, ein Kranken- und Unfallversicherungsschutz, eine schriftliche Einwilligung der im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen sowie die Bedingung, dass diese Vollzugsform nicht missbraucht wird. Die Anordnung des Hausarrests ist auch im Rahmen der Untersuchungshaft zulässig.

Die Genehmigung für einen Hausarrest kann auch widerrufen werden. Dafür muss eine Verfehlung der Person vorliegen oder eine Grundvoraussetzung für die elektronische Fußfessel wegfallen, wie zum Beispiel der Arbeitsplatz. Auch bei dringendem Verdacht einer strafbaren Handlung sowie bei Fluchtabsichten muss der Häftling in eine Strafanstalt überstellt werden.

Diesen Termin muss sich Hannes Kartnig nicht eigens als „Ausgang“ genehmigen lassen: Ab 12. November steht er erneut in Graz vor Gericht. Es geht um den Vorwurf, die Bundesliga sowie das Land Steiermark mit falschen Ticketabrechnungen betrogen zu haben. Dabei geht es um rund 1,3 Millionen Euro; 70.000 Euro davon betreffen die Bundesliga. Im ersten Prozess 2012 wurde Kartnig auch des Betruges schuldig gesprochen und zu drei Jahren Haft verurteilt.

Allerdings hob der Oberste Gerichtshof im April die Strafhöhe nicht nur auf, sondern schickte das gesamte Betrugsverfahren zurück an das Grazer Gericht: Denn der Freispruch des Erstgerichts in Bezug auf die Betrugsvorwürfe rund um die Bundesliga wurde von den Höchstrichtern für nichtig erklärt. Deshalb muss erneut verhandelt werden. Das betrifft neben Kartnig auch einige weitere Mitglieder des früheren Vereinsvorstandes.

14 Prozesstage sind angesetzt. Da Richter Martin Wolf aber nur drei Tage pro Woche in diesem Fall verhandeln wird, dürfte das Urteil nicht vor Mitte Dezember fallen. Im Gegensatz zu den Steuervergehen hat Kartnig den Betrugsvorwurf stets bestritten. Mit diesem neuen Prozess zieht sich die rechtliche Aufarbeitung der „Causa Kartnig“ damit bereits über mehr als acht Jahre.

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